Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

entfernt sind, schon zum voraus geniessen, bey der
frohen Aussicht das gegenwärtige Leiden vergessen,
und mitten unter den mancherley Sorgen und Be-
kümmernissen dieses Lebens sich durch fröliche Er-
wartungen deiner Hülfe und deines Segens auf-
richten kann. Und doch habe ich diese große Wohl-
that nicht immer nach deiner gnädigen Absicht zu
nutzen gesucht. Oft durch Uebertretung deiner Ge-
bote den sichern Grund meines Vertrauens zu dir
untergraben; oft ohne Ursache kleinmüthig gezwei-
felt; oft meine Hoffnung auf Creaturen gesetzt, wel-
che, da sie fielen, auch meine Ruhe mit sich dahin
rissen. Bringe du selbst meine Seele in die gute
Verfassung, daß sie mit allen ihren Erwartungen
beständig auf dich und deine Hülfe gerichtet sey.
Heilige mein Herz durch den Glauben an deinen
Sohn, daß ich in einem ruhigen Gewissen, den
Grund zum sichern Vertrauen auf dich finde. Lenke
meine Wünsche von dem was sichtbar und vergäng-
lich ist, auf das Unsichtbare, das ewiglich bleibet;
daß ich mir keine eigensinnige Hoffnung mache; die
Wege, auf denen du mich zu meinem irrdischen
Glücke führen sollst, dir nicht selbst klug vorschreibe;
auf nichts, was veränderlich ist zu sehr traue; mit
allen meinen Begierden und Verlangen von dir und
deiner Gnade abhänge, und wenn ich vorsichtig
und fleißig in meinem Beruf, gerecht und heilig in
meinem Wandel, treu und eifrig in deinem Dienste
bin, von dir alles, was mir zeitlich und ewig heil-
sam ist, mit gläubiger Zuversicht kindlich erwarte.
Und wie sollte ich daran zweiseln, daß du es allezeit
mit mir gut machen werdest? Wie sollte ich die treuen
Verheissungen vergessen, welche du denen gegeben
hast, die dich fürchten? Wer auf den Herrn hoffet,
den wird die Güte umfahen. Der keiner wird zu
schanden, der dein harret. Hoffet auf ihn allezeit

lie-

entfernt ſind, ſchon zum voraus genieſſen, bey der
frohen Ausſicht das gegenwärtige Leiden vergeſſen,
und mitten unter den mancherley Sorgen und Be-
kümmerniſſen dieſes Lebens ſich durch fröliche Er-
wartungen deiner Hülfe und deines Segens auf-
richten kann. Und doch habe ich dieſe große Wohl-
that nicht immer nach deiner gnädigen Abſicht zu
nutzen geſucht. Oft durch Uebertretung deiner Ge-
bote den ſichern Grund meines Vertrauens zu dir
untergraben; oft ohne Urſache kleinmüthig gezwei-
felt; oft meine Hoffnung auf Creaturen geſetzt, wel-
che, da ſie fielen, auch meine Ruhe mit ſich dahin
riſſen. Bringe du ſelbſt meine Seele in die gute
Verfaſſung, daß ſie mit allen ihren Erwartungen
beſtändig auf dich und deine Hülfe gerichtet ſey.
Heilige mein Herz durch den Glauben an deinen
Sohn, daß ich in einem ruhigen Gewiſſen, den
Grund zum ſichern Vertrauen auf dich finde. Lenke
meine Wünſche von dem was ſichtbar und vergäng-
lich iſt, auf das Unſichtbare, das ewiglich bleibet;
daß ich mir keine eigenſinnige Hoffnung mache; die
Wege, auf denen du mich zu meinem irrdiſchen
Glücke führen ſollſt, dir nicht ſelbſt klug vorſchreibe;
auf nichts, was veränderlich iſt zu ſehr traue; mit
allen meinen Begierden und Verlangen von dir und
deiner Gnade abhänge, und wenn ich vorſichtig
und fleißig in meinem Beruf, gerecht und heilig in
meinem Wandel, treu und eifrig in deinem Dienſte
bin, von dir alles, was mir zeitlich und ewig heil-
ſam iſt, mit gläubiger Zuverſicht kindlich erwarte.
Und wie ſollte ich daran zweiſeln, daß du es allezeit
mit mir gut machen werdeſt? Wie ſollte ich die treuen
Verheiſſungen vergeſſen, welche du denen gegeben
haſt, die dich fürchten? Wer auf den Herrn hoffet,
den wird die Güte umfahen. Der keiner wird zu
ſchanden, der dein harret. Hoffet auf ihn allezeit

lie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="54"/>
entfernt &#x017F;ind, &#x017F;chon zum voraus genie&#x017F;&#x017F;en, bey der<lb/>
frohen Aus&#x017F;icht das gegenwärtige Leiden verge&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und mitten unter den mancherley Sorgen und Be-<lb/>
kümmerni&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;es Lebens &#x017F;ich durch fröliche Er-<lb/>
wartungen deiner Hülfe und deines Segens auf-<lb/>
richten kann. Und doch habe ich die&#x017F;e große Wohl-<lb/>
that nicht immer nach deiner gnädigen Ab&#x017F;icht zu<lb/>
nutzen ge&#x017F;ucht. Oft durch Uebertretung deiner Ge-<lb/>
bote den &#x017F;ichern Grund meines Vertrauens zu dir<lb/>
untergraben; oft ohne Ur&#x017F;ache kleinmüthig gezwei-<lb/>
felt; oft meine Hoffnung auf Creaturen ge&#x017F;etzt, wel-<lb/>
che, da &#x017F;ie fielen, auch meine Ruhe mit &#x017F;ich dahin<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en. Bringe du &#x017F;elb&#x017F;t meine Seele in die gute<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung, daß &#x017F;ie mit allen ihren Erwartungen<lb/>
be&#x017F;tändig auf dich und deine Hülfe gerichtet &#x017F;ey.<lb/>
Heilige mein Herz durch den Glauben an deinen<lb/>
Sohn, daß ich in einem ruhigen Gewi&#x017F;&#x017F;en, den<lb/>
Grund zum &#x017F;ichern Vertrauen auf dich finde. Lenke<lb/>
meine Wün&#x017F;che von dem was &#x017F;ichtbar und vergäng-<lb/>
lich i&#x017F;t, auf das Un&#x017F;ichtbare, das ewiglich bleibet;<lb/>
daß ich mir keine eigen&#x017F;innige Hoffnung mache; die<lb/>
Wege, auf denen du mich zu meinem irrdi&#x017F;chen<lb/>
Glücke führen &#x017F;oll&#x017F;t, dir nicht &#x017F;elb&#x017F;t klug vor&#x017F;chreibe;<lb/>
auf nichts, was veränderlich i&#x017F;t zu &#x017F;ehr traue; mit<lb/>
allen meinen Begierden und Verlangen von dir und<lb/>
deiner Gnade abhänge, und wenn ich vor&#x017F;ichtig<lb/>
und fleißig in meinem Beruf, gerecht und heilig in<lb/>
meinem Wandel, treu und eifrig in deinem Dien&#x017F;te<lb/>
bin, von dir alles, was mir zeitlich und ewig heil-<lb/>
&#x017F;am i&#x017F;t, mit gläubiger Zuver&#x017F;icht kindlich erwarte.<lb/>
Und wie &#x017F;ollte ich daran zwei&#x017F;eln, daß du es allezeit<lb/>
mit mir gut machen werde&#x017F;t? Wie &#x017F;ollte ich die treuen<lb/>
Verhei&#x017F;&#x017F;ungen verge&#x017F;&#x017F;en, welche du denen gegeben<lb/>
ha&#x017F;t, die dich fürchten? Wer auf den Herrn hoffet,<lb/>
den wird die Güte umfahen. Der keiner wird zu<lb/>
&#x017F;chanden, der dein harret. Hoffet auf ihn allezeit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lie-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0056] entfernt ſind, ſchon zum voraus genieſſen, bey der frohen Ausſicht das gegenwärtige Leiden vergeſſen, und mitten unter den mancherley Sorgen und Be- kümmerniſſen dieſes Lebens ſich durch fröliche Er- wartungen deiner Hülfe und deines Segens auf- richten kann. Und doch habe ich dieſe große Wohl- that nicht immer nach deiner gnädigen Abſicht zu nutzen geſucht. Oft durch Uebertretung deiner Ge- bote den ſichern Grund meines Vertrauens zu dir untergraben; oft ohne Urſache kleinmüthig gezwei- felt; oft meine Hoffnung auf Creaturen geſetzt, wel- che, da ſie fielen, auch meine Ruhe mit ſich dahin riſſen. Bringe du ſelbſt meine Seele in die gute Verfaſſung, daß ſie mit allen ihren Erwartungen beſtändig auf dich und deine Hülfe gerichtet ſey. Heilige mein Herz durch den Glauben an deinen Sohn, daß ich in einem ruhigen Gewiſſen, den Grund zum ſichern Vertrauen auf dich finde. Lenke meine Wünſche von dem was ſichtbar und vergäng- lich iſt, auf das Unſichtbare, das ewiglich bleibet; daß ich mir keine eigenſinnige Hoffnung mache; die Wege, auf denen du mich zu meinem irrdiſchen Glücke führen ſollſt, dir nicht ſelbſt klug vorſchreibe; auf nichts, was veränderlich iſt zu ſehr traue; mit allen meinen Begierden und Verlangen von dir und deiner Gnade abhänge, und wenn ich vorſichtig und fleißig in meinem Beruf, gerecht und heilig in meinem Wandel, treu und eifrig in deinem Dienſte bin, von dir alles, was mir zeitlich und ewig heil- ſam iſt, mit gläubiger Zuverſicht kindlich erwarte. Und wie ſollte ich daran zweiſeln, daß du es allezeit mit mir gut machen werdeſt? Wie ſollte ich die treuen Verheiſſungen vergeſſen, welche du denen gegeben haſt, die dich fürchten? Wer auf den Herrn hoffet, den wird die Güte umfahen. Der keiner wird zu ſchanden, der dein harret. Hoffet auf ihn allezeit lie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/56
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/56>, abgerufen am 18.06.2024.