Gesinnungen kennst, daß du meine redliche Absich- ten mitten unter den Schwachheiten meines Wan- dels wahrnimmst, und mich nicht nach diesem oder jenem vielleicht unvorsichtigen Verfahren; sondern nach der ganzen Verfassung meines Gemüthes einst richten wirst. Zwar sehe ich einen jeden Beyfall, den weise und gottselige Menschen mir geben, als einen sehr schätzbaren Seegen von deiner Hand an. Aber da ich von so vielen ein anderes erleiden muß; so ist mir doch das Ruhm genug, daß du mich billigest, daß du mich in Christo von allen Verschul- dungen frey gesprochen, und für dein Kind erkläret hast. Was ist es denn nun mehr, wenn Menschen mich tadlen, urtheilen und richten? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hie, der gerecht macht! Wenn ich noch allen Menschen ge- fällig wäre: so wäre ich Ehristi Knecht nicht. Nie kann der Gottlose mit dem Gerechten allezeit zufrie- den seyn. Wenn ich mich nur des Wohlgefallens meines himmlischen Vaters durch keine vorsetzliche Sünde verlustig mache, wenn er nur mein Freund, mein Trost und mein Beystand ist: dann will ich gerne die Urtheile der Welt geduldig ertragen, und großmüthig verachten. Gott ist mein Richter: mein Ruhm und Trost, das Zeugniß eines guten Ge- wissens. Handle du nur nicht mit mir nach meinem Sünden; sey du mir nur nicht schrecklich, meine Zuversicht in der Noth! so will ich alles geduldig ertragen: so will ich mit stiller Gelassenheit auf die Stunde hoffen, in welcher du mein Recht offenbar machen wirst. Jsts möglich! so laß meine Unschuld vor Menschen hier noch kund werden: soll ich, gleich mein Erlöser, länger Schmach leiden; Siehe! hier bin ich; der Herr mache es, wie es ihm wohl gefällt.
Trö-
Geſinnungen kennſt, daß du meine redliche Abſich- ten mitten unter den Schwachheiten meines Wan- dels wahrnimmſt, und mich nicht nach dieſem oder jenem vielleicht unvorſichtigen Verfahren; ſondern nach der ganzen Verfaſſung meines Gemüthes einſt richten wirſt. Zwar ſehe ich einen jeden Beyfall, den weiſe und gottſelige Menſchen mir geben, als einen ſehr ſchätzbaren Seegen von deiner Hand an. Aber da ich von ſo vielen ein anderes erleiden muß; ſo iſt mir doch das Ruhm genug, daß du mich billigeſt, daß du mich in Chriſto von allen Verſchul- dungen frey geſprochen, und für dein Kind erkläret haſt. Was iſt es denn nun mehr, wenn Menſchen mich tadlen, urtheilen und richten? Wer will die Auserwählten Gottes beſchuldigen? Gott iſt hie, der gerecht macht! Wenn ich noch allen Menſchen ge- fällig wäre: ſo wäre ich Ehriſti Knecht nicht. Nie kann der Gottloſe mit dem Gerechten allezeit zufrie- den ſeyn. Wenn ich mich nur des Wohlgefallens meines himmliſchen Vaters durch keine vorſetzliche Sünde verluſtig mache, wenn er nur mein Freund, mein Troſt und mein Beyſtand iſt: dann will ich gerne die Urtheile der Welt geduldig ertragen, und großmüthig verachten. Gott iſt mein Richter: mein Ruhm und Troſt, das Zeugniß eines guten Ge- wiſſens. Handle du nur nicht mit mir nach meinem Sünden; ſey du mir nur nicht ſchrecklich, meine Zuverſicht in der Noth! ſo will ich alles geduldig ertragen: ſo will ich mit ſtiller Gelaſſenheit auf die Stunde hoffen, in welcher du mein Recht offenbar machen wirſt. Jſts möglich! ſo laß meine Unſchuld vor Menſchen hier noch kund werden: ſoll ich, gleich mein Erlöſer, länger Schmach leiden; Siehe! hier bin ich; der Herr mache es, wie es ihm wohl gefällt.
Trö-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0065"n="63"/>
Geſinnungen kennſt, daß du meine redliche Abſich-<lb/>
ten mitten unter den Schwachheiten meines Wan-<lb/>
dels wahrnimmſt, und mich nicht nach dieſem oder<lb/>
jenem vielleicht unvorſichtigen Verfahren; ſondern<lb/>
nach der ganzen Verfaſſung meines Gemüthes einſt<lb/>
richten wirſt. Zwar ſehe ich einen jeden Beyfall,<lb/>
den weiſe und gottſelige Menſchen mir geben, als<lb/>
einen ſehr ſchätzbaren Seegen von deiner Hand an.<lb/>
Aber da ich von ſo vielen ein anderes erleiden muß;<lb/>ſo iſt mir doch das Ruhm genug, daß du mich<lb/>
billigeſt, daß du mich in Chriſto von allen Verſchul-<lb/>
dungen frey geſprochen, und für dein Kind erkläret<lb/>
haſt. Was iſt es denn nun mehr, wenn Menſchen<lb/>
mich tadlen, urtheilen und richten? Wer will die<lb/>
Auserwählten Gottes beſchuldigen? Gott iſt hie, der<lb/>
gerecht macht! Wenn ich noch allen Menſchen ge-<lb/>
fällig wäre: ſo wäre ich Ehriſti Knecht nicht. Nie<lb/>
kann der Gottloſe mit dem Gerechten allezeit zufrie-<lb/>
den ſeyn. Wenn ich mich nur des Wohlgefallens<lb/>
meines himmliſchen Vaters durch keine vorſetzliche<lb/>
Sünde verluſtig mache, wenn er nur mein Freund,<lb/>
mein Troſt und mein Beyſtand iſt: dann will ich<lb/>
gerne die Urtheile der Welt geduldig ertragen, und<lb/>
großmüthig verachten. Gott iſt mein Richter: mein<lb/>
Ruhm und Troſt, das Zeugniß eines guten Ge-<lb/>
wiſſens. Handle du nur nicht mit mir nach meinem<lb/>
Sünden; ſey du mir nur nicht ſchrecklich, meine<lb/>
Zuverſicht in der Noth! ſo will ich alles geduldig<lb/>
ertragen: ſo will ich mit ſtiller Gelaſſenheit auf die<lb/>
Stunde hoffen, in welcher du mein Recht offenbar<lb/>
machen wirſt. Jſts möglich! ſo laß meine Unſchuld<lb/>
vor Menſchen hier noch kund werden: ſoll ich,<lb/>
gleich mein Erlöſer, länger Schmach leiden; Siehe!<lb/>
hier bin ich; der Herr mache es, wie es ihm wohl<lb/>
gefällt.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Trö-</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[63/0065]
Geſinnungen kennſt, daß du meine redliche Abſich-
ten mitten unter den Schwachheiten meines Wan-
dels wahrnimmſt, und mich nicht nach dieſem oder
jenem vielleicht unvorſichtigen Verfahren; ſondern
nach der ganzen Verfaſſung meines Gemüthes einſt
richten wirſt. Zwar ſehe ich einen jeden Beyfall,
den weiſe und gottſelige Menſchen mir geben, als
einen ſehr ſchätzbaren Seegen von deiner Hand an.
Aber da ich von ſo vielen ein anderes erleiden muß;
ſo iſt mir doch das Ruhm genug, daß du mich
billigeſt, daß du mich in Chriſto von allen Verſchul-
dungen frey geſprochen, und für dein Kind erkläret
haſt. Was iſt es denn nun mehr, wenn Menſchen
mich tadlen, urtheilen und richten? Wer will die
Auserwählten Gottes beſchuldigen? Gott iſt hie, der
gerecht macht! Wenn ich noch allen Menſchen ge-
fällig wäre: ſo wäre ich Ehriſti Knecht nicht. Nie
kann der Gottloſe mit dem Gerechten allezeit zufrie-
den ſeyn. Wenn ich mich nur des Wohlgefallens
meines himmliſchen Vaters durch keine vorſetzliche
Sünde verluſtig mache, wenn er nur mein Freund,
mein Troſt und mein Beyſtand iſt: dann will ich
gerne die Urtheile der Welt geduldig ertragen, und
großmüthig verachten. Gott iſt mein Richter: mein
Ruhm und Troſt, das Zeugniß eines guten Ge-
wiſſens. Handle du nur nicht mit mir nach meinem
Sünden; ſey du mir nur nicht ſchrecklich, meine
Zuverſicht in der Noth! ſo will ich alles geduldig
ertragen: ſo will ich mit ſtiller Gelaſſenheit auf die
Stunde hoffen, in welcher du mein Recht offenbar
machen wirſt. Jſts möglich! ſo laß meine Unſchuld
vor Menſchen hier noch kund werden: ſoll ich,
gleich mein Erlöſer, länger Schmach leiden; Siehe!
hier bin ich; der Herr mache es, wie es ihm wohl
gefällt.
Trö-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/65>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.