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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Vorwort.
Verarbeitet man aber im Martinofen Schweisseisen, so ist der Process
nicht minder als die Tiegelgussstahldarstellung ein Reinigungsverfahren,
bei welchem Schlacke ausgeschieden wird, und er hat volle Berechti-
gung, neben dem Tiegelschmelzen an einer dritten Stelle des Buches
zu erscheinen. Die ganze Anordnung des Stoffes wird solcherart schwer-
fällig; man gelangt zu einer grossen Zahl scheinbar verschiedener Pro-
cesse, und dem Anfänger wird es schwer, eine klare Uebersicht zu
gewinnen.

Um einen kürzeren Weg einzuschlagen, wählte ich daher wie bei
der ersten Eintheilung des gesammten Gebietes die Beschaffenheit der
Fertigerzeugnisse als Ausgangspunkt für die Besprechung. Streng ge-
sondert ist alles Schweisseisen vom Flusseisen; an diese beiden Haupt-
gruppen alles schmiedbaren Eisens reihen sich das durch Glühen unter
oxydirenden Einflüssen gewonnene Eisen, das Tempereisen, und end-
lich der Cementstahl. Nicht minder scharf als die genannten Eisen-
gruppen selbst unterscheiden sich die Processe und die Oefen für ihre
Darstellung von einander; alle zu einer Eisengruppe gehörigen Arten
aber besitzen gewisse Eigenthümlichkeiten, die sich vor der Besprechung
der einzelnen Darstellungsmethoden gemeinschaftlich erörtern lassen.
Ich brauche zur Bestätigung hierfür nur an den Schlackengehalt alles
Schweisseisens, an das Verhalten alles Flusseisens beim Giessen zu
erinnern.

Auf diese Weise wird die Zahl der zu besprechenden Processe
geringer und die Uebersicht nicht wenig erleichtert.

Wo ich die Bezeichnung Stahl angewendet habe, ist nur das deut-
lich härtbare Eisen, es möge Schweisseisen oder Flusseisen sein, dar-
unter verstanden. Die Berechtigung dieser Auslegung ist in der Literatur
bereits so vielfach erörtert worden, dass es keiner besonderen Be-
gründung derselben an dieser Stelle bedarf. Hervorragende Metallurgen
auch derjenigen Völker, welche in der Jetztzeit die Worte steel, acier
in anderem Sinne gebrauchen, haben doch die grössere Zuverlässigkeit
der deutschen Auslegung anerkannt.

Mehrfach sah ich mich veranlasst, in dem theoretischen Theile
meines Handbuches von den Ueberlieferungen einer älteren Schule
abzuweichen, wo mir dieselben einer vorurtheilsfreien Erwägung und
den Fortschritten der Wissenschaft gegenüber als nicht mehr haltbar

Vorwort.
Verarbeitet man aber im Martinofen Schweisseisen, so ist der Process
nicht minder als die Tiegelgussstahldarstellung ein Reinigungsverfahren,
bei welchem Schlacke ausgeschieden wird, und er hat volle Berechti-
gung, neben dem Tiegelschmelzen an einer dritten Stelle des Buches
zu erscheinen. Die ganze Anordnung des Stoffes wird solcherart schwer-
fällig; man gelangt zu einer grossen Zahl scheinbar verschiedener Pro-
cesse, und dem Anfänger wird es schwer, eine klare Uebersicht zu
gewinnen.

Um einen kürzeren Weg einzuschlagen, wählte ich daher wie bei
der ersten Eintheilung des gesammten Gebietes die Beschaffenheit der
Fertigerzeugnisse als Ausgangspunkt für die Besprechung. Streng ge-
sondert ist alles Schweisseisen vom Flusseisen; an diese beiden Haupt-
gruppen alles schmiedbaren Eisens reihen sich das durch Glühen unter
oxydirenden Einflüssen gewonnene Eisen, das Tempereisen, und end-
lich der Cementstahl. Nicht minder scharf als die genannten Eisen-
gruppen selbst unterscheiden sich die Processe und die Oefen für ihre
Darstellung von einander; alle zu einer Eisengruppe gehörigen Arten
aber besitzen gewisse Eigenthümlichkeiten, die sich vor der Besprechung
der einzelnen Darstellungsmethoden gemeinschaftlich erörtern lassen.
Ich brauche zur Bestätigung hierfür nur an den Schlackengehalt alles
Schweisseisens, an das Verhalten alles Flusseisens beim Giessen zu
erinnern.

Auf diese Weise wird die Zahl der zu besprechenden Processe
geringer und die Uebersicht nicht wenig erleichtert.

Wo ich die Bezeichnung Stahl angewendet habe, ist nur das deut-
lich härtbare Eisen, es möge Schweisseisen oder Flusseisen sein, dar-
unter verstanden. Die Berechtigung dieser Auslegung ist in der Literatur
bereits so vielfach erörtert worden, dass es keiner besonderen Be-
gründung derselben an dieser Stelle bedarf. Hervorragende Metallurgen
auch derjenigen Völker, welche in der Jetztzeit die Worte steel, acier
in anderem Sinne gebrauchen, haben doch die grössere Zuverlässigkeit
der deutschen Auslegung anerkannt.

Mehrfach sah ich mich veranlasst, in dem theoretischen Theile
meines Handbuches von den Ueberlieferungen einer älteren Schule
abzuweichen, wo mir dieselben einer vorurtheilsfreien Erwägung und
den Fortschritten der Wissenschaft gegenüber als nicht mehr haltbar

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[V/0017] Vorwort. Verarbeitet man aber im Martinofen Schweisseisen, so ist der Process nicht minder als die Tiegelgussstahldarstellung ein Reinigungsverfahren, bei welchem Schlacke ausgeschieden wird, und er hat volle Berechti- gung, neben dem Tiegelschmelzen an einer dritten Stelle des Buches zu erscheinen. Die ganze Anordnung des Stoffes wird solcherart schwer- fällig; man gelangt zu einer grossen Zahl scheinbar verschiedener Pro- cesse, und dem Anfänger wird es schwer, eine klare Uebersicht zu gewinnen. Um einen kürzeren Weg einzuschlagen, wählte ich daher wie bei der ersten Eintheilung des gesammten Gebietes die Beschaffenheit der Fertigerzeugnisse als Ausgangspunkt für die Besprechung. Streng ge- sondert ist alles Schweisseisen vom Flusseisen; an diese beiden Haupt- gruppen alles schmiedbaren Eisens reihen sich das durch Glühen unter oxydirenden Einflüssen gewonnene Eisen, das Tempereisen, und end- lich der Cementstahl. Nicht minder scharf als die genannten Eisen- gruppen selbst unterscheiden sich die Processe und die Oefen für ihre Darstellung von einander; alle zu einer Eisengruppe gehörigen Arten aber besitzen gewisse Eigenthümlichkeiten, die sich vor der Besprechung der einzelnen Darstellungsmethoden gemeinschaftlich erörtern lassen. Ich brauche zur Bestätigung hierfür nur an den Schlackengehalt alles Schweisseisens, an das Verhalten alles Flusseisens beim Giessen zu erinnern. Auf diese Weise wird die Zahl der zu besprechenden Processe geringer und die Uebersicht nicht wenig erleichtert. Wo ich die Bezeichnung Stahl angewendet habe, ist nur das deut- lich härtbare Eisen, es möge Schweisseisen oder Flusseisen sein, dar- unter verstanden. Die Berechtigung dieser Auslegung ist in der Literatur bereits so vielfach erörtert worden, dass es keiner besonderen Be- gründung derselben an dieser Stelle bedarf. Hervorragende Metallurgen auch derjenigen Völker, welche in der Jetztzeit die Worte steel, acier in anderem Sinne gebrauchen, haben doch die grössere Zuverlässigkeit der deutschen Auslegung anerkannt. Mehrfach sah ich mich veranlasst, in dem theoretischen Theile meines Handbuches von den Ueberlieferungen einer älteren Schule abzuweichen, wo mir dieselben einer vorurtheilsfreien Erwägung und den Fortschritten der Wissenschaft gegenüber als nicht mehr haltbar

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/17>, abgerufen am 23.11.2024.