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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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aber die Höherentwicklung weiblicher Berufstätigkeit
im Interesse der Individuen und der Arbeitsproduk-
tion. Dazu führt unleugbar auch die gleichberechtigte
Einstellung der Arbeiterinnen bei Vertretung ihrer
Berufsinteressen. Beim Gewerbe- und beim
Kaufmannsgericht, welche auch die Arbeit-
nehmerinteressen vertreten, haben die Frauen weder
Sitz noch Stimme. Sie sind also in allen Fragen
männlicher Rechtssprechung unterworfen. Es ist an-
zustreben, daß bei den zukünftigen Arbeits- bzw.
Arbeiterkammern
die Frauen gleichberechtigt
sind. Die Reichsversicherungsordnung berührt in allen
ihren Zweigen das Interesse der weiblichen Erwerbs-
tätigkeit in hervorragendem Maße, sowohl in der
Kranken-, als in der Invaliditäts-, Alters- und Unfall-
versicherung. An dem Ausbau der Mutterschafts-
versicherung, ihrer gesetzgebenden Grundlage und
späteren Ausführung innerhalb der Reichsversiche-
rungsordnung wünschen die Frauen ebenfalls direkten
Anteil zu nehmen. Die Frauen sind prinzipiell von
allen Aemtern der Versicherungsbehörden ausgeschlos-
sen, also von der Aufsichtsinstanz in diesen höheren
Verwaltungsstellen. Zu den Krankenkassen,
die der Selbstverwaltung der Versicherten unter-
stehen und in der Privatbeamtenversicherung be-
sitzen die weiblichen Mitglieder aktives und pas-
sives Wahlrecht für die Vertrauensmänner (!), die
Vorstände und Ausschüsse. Bei allen Streitfällen und
Rentenbewilligungen in der Alters-, Invaliditäts- und
Unfallversicherung, die das Versicherungs- und Ober-
versicherungsamt zu entscheiden haben, sind die
Frauen auf männliche Entscheidung angewiesen. Diese
Darlegungen der gesetzlichen Basis sind unerläßlich;
denn die gesamte praktische Stimmrechtsarbeit be-
ruht darauf. Helene Lange vertritt mit Recht die
Ansicht, die Frage lautet heute nicht mehr: "Müssen

aber die Höherentwicklung weiblicher Berufstätigkeit
im Interesse der Individuen und der Arbeitsproduk-
tion. Dazu führt unleugbar auch die gleichberechtigte
Einstellung der Arbeiterinnen bei Vertretung ihrer
Berufsinteressen. Beim Gewerbe- und beim
Kaufmannsgericht, welche auch die Arbeit-
nehmerinteressen vertreten, haben die Frauen weder
Sitz noch Stimme. Sie sind also in allen Fragen
männlicher Rechtssprechung unterworfen. Es ist an-
zustreben, daß bei den zukünftigen Arbeits- bzw.
Arbeiterkammern
die Frauen gleichberechtigt
sind. Die Reichsversicherungsordnung berührt in allen
ihren Zweigen das Interesse der weiblichen Erwerbs-
tätigkeit in hervorragendem Maße, sowohl in der
Kranken-, als in der Invaliditäts-, Alters- und Unfall-
versicherung. An dem Ausbau der Mutterschafts-
versicherung, ihrer gesetzgebenden Grundlage und
späteren Ausführung innerhalb der Reichsversiche-
rungsordnung wünschen die Frauen ebenfalls direkten
Anteil zu nehmen. Die Frauen sind prinzipiell von
allen Aemtern der Versicherungsbehörden ausgeschlos-
sen, also von der Aufsichtsinstanz in diesen höheren
Verwaltungsstellen. Zu den Krankenkassen,
die der Selbstverwaltung der Versicherten unter-
stehen und in der Privatbeamtenversicherung be-
sitzen die weiblichen Mitglieder aktives und pas-
sives Wahlrecht für die Vertrauensmänner (!), die
Vorstände und Ausschüsse. Bei allen Streitfällen und
Rentenbewilligungen in der Alters-, Invaliditäts- und
Unfallversicherung, die das Versicherungs- und Ober-
versicherungsamt zu entscheiden haben, sind die
Frauen auf männliche Entscheidung angewiesen. Diese
Darlegungen der gesetzlichen Basis sind unerläßlich;
denn die gesamte praktische Stimmrechtsarbeit be-
ruht darauf. Helene Lange vertritt mit Recht die
Ansicht, die Frage lautet heute nicht mehr: „Müssen

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[17/0017] aber die Höherentwicklung weiblicher Berufstätigkeit im Interesse der Individuen und der Arbeitsproduk- tion. Dazu führt unleugbar auch die gleichberechtigte Einstellung der Arbeiterinnen bei Vertretung ihrer Berufsinteressen. Beim Gewerbe- und beim Kaufmannsgericht, welche auch die Arbeit- nehmerinteressen vertreten, haben die Frauen weder Sitz noch Stimme. Sie sind also in allen Fragen männlicher Rechtssprechung unterworfen. Es ist an- zustreben, daß bei den zukünftigen Arbeits- bzw. Arbeiterkammern die Frauen gleichberechtigt sind. Die Reichsversicherungsordnung berührt in allen ihren Zweigen das Interesse der weiblichen Erwerbs- tätigkeit in hervorragendem Maße, sowohl in der Kranken-, als in der Invaliditäts-, Alters- und Unfall- versicherung. An dem Ausbau der Mutterschafts- versicherung, ihrer gesetzgebenden Grundlage und späteren Ausführung innerhalb der Reichsversiche- rungsordnung wünschen die Frauen ebenfalls direkten Anteil zu nehmen. Die Frauen sind prinzipiell von allen Aemtern der Versicherungsbehörden ausgeschlos- sen, also von der Aufsichtsinstanz in diesen höheren Verwaltungsstellen. Zu den Krankenkassen, die der Selbstverwaltung der Versicherten unter- stehen und in der Privatbeamtenversicherung be- sitzen die weiblichen Mitglieder aktives und pas- sives Wahlrecht für die Vertrauensmänner (!), die Vorstände und Ausschüsse. Bei allen Streitfällen und Rentenbewilligungen in der Alters-, Invaliditäts- und Unfallversicherung, die das Versicherungs- und Ober- versicherungsamt zu entscheiden haben, sind die Frauen auf männliche Entscheidung angewiesen. Diese Darlegungen der gesetzlichen Basis sind unerläßlich; denn die gesamte praktische Stimmrechtsarbeit be- ruht darauf. Helene Lange vertritt mit Recht die Ansicht, die Frage lautet heute nicht mehr: „Müssen  

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/17>, abgerufen am 21.11.2024.