Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

Bild:
<< vorherige Seite

nur die gelegentliche Reform in Aussicht stellte.
Dennoch ist ein Fortschritt in der Auffassung der
Parteien gegenüber den Frauenfragen unverkennbar.
Dies erwies sich einmal durch die übereinstimmende
Annahme des eingeschränkten Antrags, betreffend De-
putationen, dann in der verbindlichen Geneigtheit zur
Prüfung der Eingaben, betreffend Zuziehung sach-
verständiger Frauen zu parlamentarischen Kommis-
sionen und in der uneingeschränkten Forderung des
Gemeindewahlrechts für die Frauen von seiten der
Fortschrittlichen Volkspartei. Als im Jahre 1908 be-
reits einige Frauen die Ausübung des Gemeinde-
wahlrechtes in Preußen im Prozeßwege zu erlangen
suchten, wurde ihnen in der richterlichen Erkenntnis
des Oberverwaltungsgerichtes zugebilligt, daß sie nach
§ 5 der Städteordnung alle für den Erwerb des Bür-
gerrechtes erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.
Obwohl eine ausdrückliche Erklärung, daß das weib-
liche Geschlecht vom Wahlrecht ausgeschlossen
werde, in der Entstehungsgeschichte der verschiedenen
Städteordnungen nicht zu finden ist, sei aus diesem
Schweigen zu schließen, daß der Gedanke, die Frauen
an öffentlichen städtischen Wahlen teilnehmen zu
lassen, an maßgebender Stelle niemals gefaßt worden
ist. Auch wenn durch die mannigfachen Anregungen,
die in neuerer Zeit von seiten der Frauenbewegung
im öffentlichen Leben nach dieser und anderer Rich-
tung gegeben worden sind, ein Umschwung in den
bisherigen Rechtsanschauungen eingetreten sei, so
könne er nicht dazu führen, bestehende Gesetze in
einem Sinne auszulegen und anzuwenden, die dem-
jenigen, in welchem sie gegeben und seit einem
halben Jahrhundert angewendet worden sind, ent-
gegengesetzt sein würden.

Inwieweit nun in der Osterbotschaft 1917 zur
Wahlrechtsreform in Preußen der Frauen bei Fest-

nur die gelegentliche Reform in Aussicht stellte.
Dennoch ist ein Fortschritt in der Auffassung der
Parteien gegenüber den Frauenfragen unverkennbar.
Dies erwies sich einmal durch die übereinstimmende
Annahme des eingeschränkten Antrags, betreffend De-
putationen, dann in der verbindlichen Geneigtheit zur
Prüfung der Eingaben, betreffend Zuziehung sach-
verständiger Frauen zu parlamentarischen Kommis-
sionen und in der uneingeschränkten Forderung des
Gemeindewahlrechts für die Frauen von seiten der
Fortschrittlichen Volkspartei. Als im Jahre 1908 be-
reits einige Frauen die Ausübung des Gemeinde-
wahlrechtes in Preußen im Prozeßwege zu erlangen
suchten, wurde ihnen in der richterlichen Erkenntnis
des Oberverwaltungsgerichtes zugebilligt, daß sie nach
§ 5 der Städteordnung alle für den Erwerb des Bür-
gerrechtes erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.
Obwohl eine ausdrückliche Erklärung, daß das weib-
liche Geschlecht vom Wahlrecht ausgeschlossen
werde, in der Entstehungsgeschichte der verschiedenen
Städteordnungen nicht zu finden ist, sei aus diesem
Schweigen zu schließen, daß der Gedanke, die Frauen
an öffentlichen städtischen Wahlen teilnehmen zu
lassen, an maßgebender Stelle niemals gefaßt worden
ist. Auch wenn durch die mannigfachen Anregungen,
die in neuerer Zeit von seiten der Frauenbewegung
im öffentlichen Leben nach dieser und anderer Rich-
tung gegeben worden sind, ein Umschwung in den
bisherigen Rechtsanschauungen eingetreten sei, so
könne er nicht dazu führen, bestehende Gesetze in
einem Sinne auszulegen und anzuwenden, die dem-
jenigen, in welchem sie gegeben und seit einem
halben Jahrhundert angewendet worden sind, ent-
gegengesetzt sein würden.

Inwieweit nun in der Osterbotschaft 1917 zur
Wahlrechtsreform in Preußen der Frauen bei Fest-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0044" n="44"/>
nur die gelegentliche Reform in Aussicht stellte.<lb/>
Dennoch ist ein Fortschritt in der Auffassung der<lb/>
Parteien gegenüber den Frauenfragen unverkennbar.<lb/>
Dies erwies sich einmal durch die übereinstimmende<lb/>
Annahme des eingeschränkten Antrags, betreffend De-<lb/>
putationen, dann in der verbindlichen Geneigtheit zur<lb/>
Prüfung der Eingaben, betreffend Zuziehung sach-<lb/>
verständiger Frauen zu parlamentarischen Kommis-<lb/>
sionen und in der uneingeschränkten Forderung des<lb/>
Gemeindewahlrechts für die Frauen von seiten der<lb/>
Fortschrittlichen Volkspartei. Als im Jahre 1908 be-<lb/>
reits einige Frauen die Ausübung des Gemeinde-<lb/>
wahlrechtes in Preußen im Prozeßwege zu erlangen<lb/>
suchten, wurde ihnen in der richterlichen Erkenntnis<lb/>
des Oberverwaltungsgerichtes zugebilligt, daß sie nach<lb/>
§ 5 der Städteordnung alle für den Erwerb des Bür-<lb/>
gerrechtes erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.<lb/>
Obwohl eine ausdrückliche Erklärung, daß das weib-<lb/>
liche Geschlecht vom Wahlrecht ausgeschlossen<lb/>
werde, in der Entstehungsgeschichte der verschiedenen<lb/>
Städteordnungen nicht zu finden ist, sei aus diesem<lb/>
Schweigen zu schließen, daß der Gedanke, die Frauen<lb/>
an öffentlichen städtischen Wahlen teilnehmen zu<lb/>
lassen, an maßgebender Stelle niemals gefaßt worden<lb/>
ist. Auch wenn durch die mannigfachen Anregungen,<lb/>
die in neuerer Zeit von seiten der Frauenbewegung<lb/>
im öffentlichen Leben nach dieser und anderer Rich-<lb/>
tung gegeben worden sind, ein Umschwung in den<lb/>
bisherigen Rechtsanschauungen eingetreten sei, so<lb/>
könne er nicht dazu führen, bestehende Gesetze in<lb/>
einem Sinne auszulegen und anzuwenden, die dem-<lb/>
jenigen, in welchem sie gegeben und seit einem<lb/>
halben Jahrhundert angewendet worden sind, ent-<lb/>
gegengesetzt sein würden.</p><lb/>
      <p>Inwieweit nun in der Osterbotschaft 1917 zur<lb/>
Wahlrechtsreform in Preußen der Frauen bei Fest-<lb/>
&#x2003;
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0044] nur die gelegentliche Reform in Aussicht stellte. Dennoch ist ein Fortschritt in der Auffassung der Parteien gegenüber den Frauenfragen unverkennbar. Dies erwies sich einmal durch die übereinstimmende Annahme des eingeschränkten Antrags, betreffend De- putationen, dann in der verbindlichen Geneigtheit zur Prüfung der Eingaben, betreffend Zuziehung sach- verständiger Frauen zu parlamentarischen Kommis- sionen und in der uneingeschränkten Forderung des Gemeindewahlrechts für die Frauen von seiten der Fortschrittlichen Volkspartei. Als im Jahre 1908 be- reits einige Frauen die Ausübung des Gemeinde- wahlrechtes in Preußen im Prozeßwege zu erlangen suchten, wurde ihnen in der richterlichen Erkenntnis des Oberverwaltungsgerichtes zugebilligt, daß sie nach § 5 der Städteordnung alle für den Erwerb des Bür- gerrechtes erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Obwohl eine ausdrückliche Erklärung, daß das weib- liche Geschlecht vom Wahlrecht ausgeschlossen werde, in der Entstehungsgeschichte der verschiedenen Städteordnungen nicht zu finden ist, sei aus diesem Schweigen zu schließen, daß der Gedanke, die Frauen an öffentlichen städtischen Wahlen teilnehmen zu lassen, an maßgebender Stelle niemals gefaßt worden ist. Auch wenn durch die mannigfachen Anregungen, die in neuerer Zeit von seiten der Frauenbewegung im öffentlichen Leben nach dieser und anderer Rich- tung gegeben worden sind, ein Umschwung in den bisherigen Rechtsanschauungen eingetreten sei, so könne er nicht dazu führen, bestehende Gesetze in einem Sinne auszulegen und anzuwenden, die dem- jenigen, in welchem sie gegeben und seit einem halben Jahrhundert angewendet worden sind, ent- gegengesetzt sein würden. Inwieweit nun in der Osterbotschaft 1917 zur Wahlrechtsreform in Preußen der Frauen bei Fest-  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-06-26T14:08:50Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-26T14:08:50Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/44
Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/44>, abgerufen am 03.12.2024.