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Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914.

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Generationen ergeben, ob manches davon und wie vieles den Tag überlebt
hat und Ewigkeitswert besitzt. Wir, die Mitlebenden, können darüber
nicht entscheiden, wir stehen zu nahe, zu sehr im Streit der Meinungen
zu objektivem Überblick. Und auch erst die Zukunft wird den schaffenden
Künstlerinnen der Gegenwart ihren rechten Platz anweisen. Ein Unglück
aber wäre es, wenn man Front machte gegen alle Kunst, die im Abstand
von den Größten steht, die, wie ich vorher sagte, gewissermaßen, ohne sie
herabzusetzen, als Tageskunst, Kunst zweiten Grades zu bezeichnen ist.
Es ist ein Jrrtum zu glauben, daß es in der Kunst nur das Allerbeste
geben darf, wie man so gern nachsprechend sagt. Jeder strebt es an,
dies Allerbeste, wenige erreichen es, und die wenigen Führenden genügen
nicht, den Bedarf zu decken. Würde man alle zweitklassige Kunst aus-
schalten, so müßte viel Schönheit aus dem Leben unseres Volkes aus-
geschaltet werden. Sollte also selbst nie eine Frau an die Seite Michel
Angelos und Rembrandts treten, so darf darum die künstlerische Arbeit
der Frau nicht gering eingewertet werden. Jn der Tat steht sie heut
in den Ausstellungen gleichwertig neben der Männerkunst. Ein Frankfurter
Kritiker stellte sie in einer vorjährigen Ausstellung hier gelegentlich seiner
Besprechung in der "Frankfurter Zeitung" sogar darüber, und rückwärts
blickend sehe ich eine gewaltige Steigerung des Durchschnittskönnens der
Künstlerinnen mit der Zunahme besserer Bildungsmöglichkeiten und der
wachsenden Erkenntnis, daß der Frau ein Recht auf berufliche Arbeit
zusteht, seit ihr in bezug auf diese Arbeit weniger Steine in den Weg
geworfen werden. Dies lehrt auch ein Blick auf die Kritik, die seit einem
Jahrzehnt ihre Anerkennung der Frauenkunst ständig steigert.

Jch möchte nun übergehen zu der Behandlung der Petition des
Verbandes norddeutscher Frauenvereine, der sich seinerzeit auch der
Verein Frauenbildung-Frauenstudium anschloß, um Öffnung der Aka-
demien zu Berlin und Düsseldorf, und auf die von der Kommission und
dem Berichterstatter des Abgeordnetenhauses geltend gemachten Gründe
für Ablehnung der Petition, denn diese Gründe, wenn auch auf den

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Generationen ergeben, ob manches davon und wie vieles den Tag überlebt
hat und Ewigkeitswert besitzt. Wir, die Mitlebenden, können darüber
nicht entscheiden, wir stehen zu nahe, zu sehr im Streit der Meinungen
zu objektivem Überblick. Und auch erst die Zukunft wird den schaffenden
Künstlerinnen der Gegenwart ihren rechten Platz anweisen. Ein Unglück
aber wäre es, wenn man Front machte gegen alle Kunst, die im Abstand
von den Größten steht, die, wie ich vorher sagte, gewissermaßen, ohne sie
herabzusetzen, als Tageskunst, Kunst zweiten Grades zu bezeichnen ist.
Es ist ein Jrrtum zu glauben, daß es in der Kunst nur das Allerbeste
geben darf, wie man so gern nachsprechend sagt. Jeder strebt es an,
dies Allerbeste, wenige erreichen es, und die wenigen Führenden genügen
nicht, den Bedarf zu decken. Würde man alle zweitklassige Kunst aus-
schalten, so müßte viel Schönheit aus dem Leben unseres Volkes aus-
geschaltet werden. Sollte also selbst nie eine Frau an die Seite Michel
Angelos und Rembrandts treten, so darf darum die künstlerische Arbeit
der Frau nicht gering eingewertet werden. Jn der Tat steht sie heut
in den Ausstellungen gleichwertig neben der Männerkunst. Ein Frankfurter
Kritiker stellte sie in einer vorjährigen Ausstellung hier gelegentlich seiner
Besprechung in der „Frankfurter Zeitung“ sogar darüber, und rückwärts
blickend sehe ich eine gewaltige Steigerung des Durchschnittskönnens der
Künstlerinnen mit der Zunahme besserer Bildungsmöglichkeiten und der
wachsenden Erkenntnis, daß der Frau ein Recht auf berufliche Arbeit
zusteht, seit ihr in bezug auf diese Arbeit weniger Steine in den Weg
geworfen werden. Dies lehrt auch ein Blick auf die Kritik, die seit einem
Jahrzehnt ihre Anerkennung der Frauenkunst ständig steigert.

Jch möchte nun übergehen zu der Behandlung der Petition des
Verbandes norddeutscher Frauenvereine, der sich seinerzeit auch der
Verein Frauenbildung-Frauenstudium anschloß, um Öffnung der Aka-
demien zu Berlin und Düsseldorf, und auf die von der Kommission und
dem Berichterstatter des Abgeordnetenhauses geltend gemachten Gründe
für Ablehnung der Petition, denn diese Gründe, wenn auch auf den

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[17/0023] Generationen ergeben, ob manches davon und wie vieles den Tag überlebt hat und Ewigkeitswert besitzt. Wir, die Mitlebenden, können darüber nicht entscheiden, wir stehen zu nahe, zu sehr im Streit der Meinungen zu objektivem Überblick. Und auch erst die Zukunft wird den schaffenden Künstlerinnen der Gegenwart ihren rechten Platz anweisen. Ein Unglück aber wäre es, wenn man Front machte gegen alle Kunst, die im Abstand von den Größten steht, die, wie ich vorher sagte, gewissermaßen, ohne sie herabzusetzen, als Tageskunst, Kunst zweiten Grades zu bezeichnen ist. Es ist ein Jrrtum zu glauben, daß es in der Kunst nur das Allerbeste geben darf, wie man so gern nachsprechend sagt. Jeder strebt es an, dies Allerbeste, wenige erreichen es, und die wenigen Führenden genügen nicht, den Bedarf zu decken. Würde man alle zweitklassige Kunst aus- schalten, so müßte viel Schönheit aus dem Leben unseres Volkes aus- geschaltet werden. Sollte also selbst nie eine Frau an die Seite Michel Angelos und Rembrandts treten, so darf darum die künstlerische Arbeit der Frau nicht gering eingewertet werden. Jn der Tat steht sie heut in den Ausstellungen gleichwertig neben der Männerkunst. Ein Frankfurter Kritiker stellte sie in einer vorjährigen Ausstellung hier gelegentlich seiner Besprechung in der „Frankfurter Zeitung“ sogar darüber, und rückwärts blickend sehe ich eine gewaltige Steigerung des Durchschnittskönnens der Künstlerinnen mit der Zunahme besserer Bildungsmöglichkeiten und der wachsenden Erkenntnis, daß der Frau ein Recht auf berufliche Arbeit zusteht, seit ihr in bezug auf diese Arbeit weniger Steine in den Weg geworfen werden. Dies lehrt auch ein Blick auf die Kritik, die seit einem Jahrzehnt ihre Anerkennung der Frauenkunst ständig steigert. Jch möchte nun übergehen zu der Behandlung der Petition des Verbandes norddeutscher Frauenvereine, der sich seinerzeit auch der Verein Frauenbildung-Frauenstudium anschloß, um Öffnung der Aka- demien zu Berlin und Düsseldorf, und auf die von der Kommission und dem Berichterstatter des Abgeordnetenhauses geltend gemachten Gründe für Ablehnung der Petition, denn diese Gründe, wenn auch auf den 2*

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Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-11T15:25:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/23>, abgerufen am 03.12.2024.