Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.ple_131.001 ple_131.024 ple_131.026 1) ple_131.040
Stephane Mallarme: Enquete sur l'Evolution Litteraire, 1891. ple_131.001 ple_131.024 ple_131.026 1) ple_131.040
Stéphane Mallarmé: Enquête sur l'Evolution Littéraire, 1891. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0145" n="131"/> <p><lb n="ple_131.001"/> Der <hi rendition="#g">Symbolismus</hi> ist zunächst eine spezifisch französische Erscheinung, <lb n="ple_131.002"/> eine Reaktion gegen die allzu ausgeprägte Verstandesmäßigkeit, <lb n="ple_131.003"/> welche der französischen Lyrik im allgemeinen eignet, gegen die allzu <lb n="ple_131.004"/> ausgeprägte Klarheit und Schärfe der Umrisse, welche insbesondere die <lb n="ple_131.005"/> sogenannten Parnassiens anstrebten. Daher ruft er, wie wir oben sahen, <lb n="ple_131.006"/> zunächst das musikalische Element zu Hilfe als ein Gegengewicht gegen <lb n="ple_131.007"/> das rhetorische, das die französische Poesie bis dahin fast ausschließlich <lb n="ple_131.008"/> beherrschte. „<hi rendition="#g">De la musique avant toute chose</hi>“, heißt es in <lb n="ple_131.009"/> einem programmatischen Gedicht Paul Verlaines. Aber wesentlicher ist <lb n="ple_131.010"/> noch, daß die Symbolisten überhaupt nach Auflösung der festen Umrisse <lb n="ple_131.011"/> streben, daß sie sich gegen die allzu scharfe Deutlichkeit der Bezeichnungen <lb n="ple_131.012"/> und Schilderungen wenden. „La contemplation des objets“, sagt <lb n="ple_131.013"/> Stephan Mallarmé, „l'image s'envolant de rêveries suscitées par eux, sont <lb n="ple_131.014"/> le chant: les Parnassiens, eux, prennent la chose entièrement et la montrent; <lb n="ple_131.015"/> par là, ils manquent de mystères; ils retirent aux esprits cette joie délicieuse <lb n="ple_131.016"/> de croire qu'ils créent. Nommer un objet, c'est supprimer les troisquarts <lb n="ple_131.017"/> de la jouissance du poème qui est faite du bonheur de deviner <lb n="ple_131.018"/> peu, le suggérer voilà le rêve.“<note xml:id="ple_131_1" place="foot" n="1)"><lb n="ple_131.040"/><hi rendition="#k">Stéphane Mallarmé:</hi> Enquête sur l'Evolution Littéraire, 1891.</note> Und in demselben Sinne heißt es in dem <lb n="ple_131.019"/> oben angeführten Gedichte Verlaines: <lb n="ple_131.020"/> <hi rendition="#aq"><lg><l>Il faut aussi que tu n'ailles point</l><lb n="ple_131.021"/><l>Choisir tes mots sans quelque méprise,</l><lb n="ple_131.022"/><l>Rien de plus cher que la chanson grise</l><lb n="ple_131.023"/><l>Où l'Indécis au Précis se joint ...</l></lg></hi></p> <p><lb n="ple_131.024"/> Hiermit hängt denn auf das engste zusammen, daß statt des eigentlichen <lb n="ple_131.025"/> und verstandesmäßigen Ausdrucks das Symbol zu Hilfe gerufen wird.</p> <p><lb n="ple_131.026"/> Soweit ist der Symbolismus nichts anderes als die Einführung der <lb n="ple_131.027"/> Prinzipien echter Lyrik in die französische Poesie, die sie bisher kaum gekannt <lb n="ple_131.028"/> hatte. Das Gedicht soll dem Verstande nichts sagen, sondern <lb n="ple_131.029"/> nur dem Gefühl und der Phantasie vermitteln, was es sagen will. Dieser <lb n="ple_131.030"/> an sich richtige Satz nun aber wird von den Symbolisten mit der Einseitigkeit <lb n="ple_131.031"/> durchgeführt, die Reaktionserscheinungen eigen zu sein pflegt. <lb n="ple_131.032"/> Jede gedankenhaft faßbare Einheit wird ausgeschlossen. Der Symbolist <lb n="ple_131.033"/> reiht nicht nur verschiedene Bilder aneinander, sondern er löst das einzelne <lb n="ple_131.034"/> auch noch in seine Elemente auf und setzt an Stelle der Bedeutung, <lb n="ple_131.035"/> welche dem Gesamtbild zukommen kann, die Gefühle, welche die einzelnen <lb n="ple_131.036"/> Elemente, Farbe, Ton, Gerüche u. s. w., erwecken. Zwischen den elementaren <lb n="ple_131.037"/> Eindrücken der verschiedenen Sinne entdeckt er sodann Verwandtschaften, <lb n="ple_131.038"/> Parallelen, die selbstverständlich nicht verstandesmäßig erfaßt, <lb n="ple_131.039"/> sondern nur nachgefühlt werden können.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [131/0145]
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Der Symbolismus ist zunächst eine spezifisch französische Erscheinung, ple_131.002
eine Reaktion gegen die allzu ausgeprägte Verstandesmäßigkeit, ple_131.003
welche der französischen Lyrik im allgemeinen eignet, gegen die allzu ple_131.004
ausgeprägte Klarheit und Schärfe der Umrisse, welche insbesondere die ple_131.005
sogenannten Parnassiens anstrebten. Daher ruft er, wie wir oben sahen, ple_131.006
zunächst das musikalische Element zu Hilfe als ein Gegengewicht gegen ple_131.007
das rhetorische, das die französische Poesie bis dahin fast ausschließlich ple_131.008
beherrschte. „De la musique avant toute chose“, heißt es in ple_131.009
einem programmatischen Gedicht Paul Verlaines. Aber wesentlicher ist ple_131.010
noch, daß die Symbolisten überhaupt nach Auflösung der festen Umrisse ple_131.011
streben, daß sie sich gegen die allzu scharfe Deutlichkeit der Bezeichnungen ple_131.012
und Schilderungen wenden. „La contemplation des objets“, sagt ple_131.013
Stephan Mallarmé, „l'image s'envolant de rêveries suscitées par eux, sont ple_131.014
le chant: les Parnassiens, eux, prennent la chose entièrement et la montrent; ple_131.015
par là, ils manquent de mystères; ils retirent aux esprits cette joie délicieuse ple_131.016
de croire qu'ils créent. Nommer un objet, c'est supprimer les troisquarts ple_131.017
de la jouissance du poème qui est faite du bonheur de deviner ple_131.018
peu, le suggérer voilà le rêve.“ 1) Und in demselben Sinne heißt es in dem ple_131.019
oben angeführten Gedichte Verlaines: ple_131.020
Il faut aussi que tu n'ailles point ple_131.021
Choisir tes mots sans quelque méprise, ple_131.022
Rien de plus cher que la chanson grise ple_131.023
Où l'Indécis au Précis se joint ...
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Hiermit hängt denn auf das engste zusammen, daß statt des eigentlichen ple_131.025
und verstandesmäßigen Ausdrucks das Symbol zu Hilfe gerufen wird.
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Soweit ist der Symbolismus nichts anderes als die Einführung der ple_131.027
Prinzipien echter Lyrik in die französische Poesie, die sie bisher kaum gekannt ple_131.028
hatte. Das Gedicht soll dem Verstande nichts sagen, sondern ple_131.029
nur dem Gefühl und der Phantasie vermitteln, was es sagen will. Dieser ple_131.030
an sich richtige Satz nun aber wird von den Symbolisten mit der Einseitigkeit ple_131.031
durchgeführt, die Reaktionserscheinungen eigen zu sein pflegt. ple_131.032
Jede gedankenhaft faßbare Einheit wird ausgeschlossen. Der Symbolist ple_131.033
reiht nicht nur verschiedene Bilder aneinander, sondern er löst das einzelne ple_131.034
auch noch in seine Elemente auf und setzt an Stelle der Bedeutung, ple_131.035
welche dem Gesamtbild zukommen kann, die Gefühle, welche die einzelnen ple_131.036
Elemente, Farbe, Ton, Gerüche u. s. w., erwecken. Zwischen den elementaren ple_131.037
Eindrücken der verschiedenen Sinne entdeckt er sodann Verwandtschaften, ple_131.038
Parallelen, die selbstverständlich nicht verstandesmäßig erfaßt, ple_131.039
sondern nur nachgefühlt werden können.
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Stéphane Mallarmé: Enquête sur l'Evolution Littéraire, 1891.
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