Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite
VORWORT.

Prachtvolle Ausblicke und lebhaft anregende Einzelnheiten ent-
zücken und fesseln zugleich das Auge des Wanderers, der auf
vorspringender Höhe einen Ruhepunkt gefunden und von da
hinabsieht auf einen schön gelegenen und von regem Verkehrsleben
erfüllten Hafen.

Das unendliche Meer in seiner bei ewig wechselndem Bilde
dennoch bewahrten erhabenen Ruhe, das geschäftige Treiben der in
Erwerbshast eilenden, Ameisen vergleichbaren Menschen, der mit der
unermesslichen Wasserfläche in Eins verschwimmende Horizont, die
qualmenden, rasch hingleitenden Dampfer (Kolosse für den Insassen,
Nussschalen für den entfernten Beschauer!) -- all dies gibt eine Summe
von Gegensätzen, die in ihrer Wechselwirkung alles Sinnen des Beob-
achters gefangen nehmen und fast berauschend auf seine Denkorgane
einwirken. Und bei aller ehrfurchtsvollen Scheu vor der unausfüllbaren
Grösse und unerreichbaren Macht der allgewaltigen Natur vermag er
sein Herz nicht der Bewunderung für den Geist des Menschen zu verschliessen,
der doch schon so Vieles in dieser Natur sich unterthan gemacht.

Wer es aber vermag, mit seinem geistigen Auge dem Wege zu
folgen, den jener zum Hafen steuernde schwerbeladene Schiffskörper --
Spuren harter Kämpfe mit Sturm und Wogen aufweisend -- zurück-
gelegt, oder das Ziel sich zu vergegenwärtigen, dem der eben die Anker
lichtende stattliche Dreimaster zustrebt, der wird sich bald bewusst
werden, dass die Stadt da unten, so gross sie auch sei, ihre wahre

VORWORT.

Prachtvolle Ausblicke und lebhaft anregende Einzelnheiten ent-
zücken und fesseln zugleich das Auge des Wanderers, der auf
vorspringender Höhe einen Ruhepunkt gefunden und von da
hinabsieht auf einen schön gelegenen und von regem Verkehrsleben
erfüllten Hafen.

Das unendliche Meer in seiner bei ewig wechselndem Bilde
dennoch bewahrten erhabenen Ruhe, das geschäftige Treiben der in
Erwerbshast eilenden, Ameisen vergleichbaren Menschen, der mit der
unermesslichen Wasserfläche in Eins verschwimmende Horizont, die
qualmenden, rasch hingleitenden Dampfer (Kolosse für den Insassen,
Nussschalen für den entfernten Beschauer!) — all dies gibt eine Summe
von Gegensätzen, die in ihrer Wechselwirkung alles Sinnen des Beob-
achters gefangen nehmen und fast berauschend auf seine Denkorgane
einwirken. Und bei aller ehrfurchtsvollen Scheu vor der unausfüllbaren
Grösse und unerreichbaren Macht der allgewaltigen Natur vermag er
sein Herz nicht der Bewunderung für den Geist des Menschen zu verschliessen,
der doch schon so Vieles in dieser Natur sich unterthan gemacht.

Wer es aber vermag, mit seinem geistigen Auge dem Wege zu
folgen, den jener zum Hafen steuernde schwerbeladene Schiffskörper —
Spuren harter Kämpfe mit Sturm und Wogen aufweisend — zurück-
gelegt, oder das Ziel sich zu vergegenwärtigen, dem der eben die Anker
lichtende stattliche Dreimaster zustrebt, der wird sich bald bewusst
werden, dass die Stadt da unten, so gross sie auch sei, ihre wahre

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0011"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">VORWORT.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">P</hi>rachtvolle Ausblicke und lebhaft anregende Einzelnheiten ent-<lb/>
zücken und fesseln zugleich das Auge des Wanderers, der auf<lb/>
vorspringender Höhe einen Ruhepunkt gefunden und von da<lb/>
hinabsieht auf einen schön gelegenen und von regem Verkehrsleben<lb/>
erfüllten Hafen.</p><lb/>
        <p>Das unendliche Meer in seiner bei ewig wechselndem Bilde<lb/>
dennoch bewahrten erhabenen Ruhe, das geschäftige Treiben der in<lb/>
Erwerbshast eilenden, Ameisen vergleichbaren Menschen, der mit der<lb/>
unermesslichen Wasserfläche in Eins verschwimmende Horizont, die<lb/>
qualmenden, rasch hingleitenden Dampfer (Kolosse für den Insassen,<lb/>
Nussschalen für den entfernten Beschauer!) &#x2014; all dies gibt eine Summe<lb/>
von Gegensätzen, die in ihrer Wechselwirkung alles Sinnen des Beob-<lb/>
achters gefangen nehmen und fast berauschend auf seine Denkorgane<lb/>
einwirken. Und bei aller ehrfurchtsvollen Scheu vor der unausfüllbaren<lb/>
Grösse und unerreichbaren Macht der allgewaltigen Natur vermag er<lb/>
sein Herz nicht der Bewunderung für den Geist des Menschen zu verschliessen,<lb/>
der doch schon so Vieles in dieser Natur sich unterthan gemacht.</p><lb/>
        <p>Wer es aber vermag, mit seinem geistigen Auge dem Wege zu<lb/>
folgen, den jener zum Hafen steuernde schwerbeladene Schiffskörper &#x2014;<lb/>
Spuren harter Kämpfe mit Sturm und Wogen aufweisend &#x2014; zurück-<lb/>
gelegt, oder das Ziel sich zu vergegenwärtigen, dem der eben die Anker<lb/>
lichtende stattliche Dreimaster zustrebt, der wird sich bald bewusst<lb/>
werden, dass die Stadt da unten, so gross sie auch sei, ihre wahre<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0011] VORWORT. Prachtvolle Ausblicke und lebhaft anregende Einzelnheiten ent- zücken und fesseln zugleich das Auge des Wanderers, der auf vorspringender Höhe einen Ruhepunkt gefunden und von da hinabsieht auf einen schön gelegenen und von regem Verkehrsleben erfüllten Hafen. Das unendliche Meer in seiner bei ewig wechselndem Bilde dennoch bewahrten erhabenen Ruhe, das geschäftige Treiben der in Erwerbshast eilenden, Ameisen vergleichbaren Menschen, der mit der unermesslichen Wasserfläche in Eins verschwimmende Horizont, die qualmenden, rasch hingleitenden Dampfer (Kolosse für den Insassen, Nussschalen für den entfernten Beschauer!) — all dies gibt eine Summe von Gegensätzen, die in ihrer Wechselwirkung alles Sinnen des Beob- achters gefangen nehmen und fast berauschend auf seine Denkorgane einwirken. Und bei aller ehrfurchtsvollen Scheu vor der unausfüllbaren Grösse und unerreichbaren Macht der allgewaltigen Natur vermag er sein Herz nicht der Bewunderung für den Geist des Menschen zu verschliessen, der doch schon so Vieles in dieser Natur sich unterthan gemacht. Wer es aber vermag, mit seinem geistigen Auge dem Wege zu folgen, den jener zum Hafen steuernde schwerbeladene Schiffskörper — Spuren harter Kämpfe mit Sturm und Wogen aufweisend — zurück- gelegt, oder das Ziel sich zu vergegenwärtigen, dem der eben die Anker lichtende stattliche Dreimaster zustrebt, der wird sich bald bewusst werden, dass die Stadt da unten, so gross sie auch sei, ihre wahre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/11
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/11>, abgerufen am 21.11.2024.