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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Odessa.
lie grosse Zuckerfabrik von Brodski, welche 1888 286.000 q Zucker im Werthe
von 10.437.916 Rubeln erzeugte, zwei Bierbrauereien mit einer Production von
33.000 hl im Werthe von 324.009 Rubeln. Seife und Lichter wurden früher
nur aus russischem Talg hergestellt, der aber jetzt wegen des Rückganges
der Schafzucht in Südrussland umsoweniger für die gesteigerte Production hin-
reicht. Man verarbeitet auch Cocosnuss- und Palmöl, wahrscheinlich wird man im
Laufe der Zeit auch zu österreichischem und australischem Talg greifen müssen.
Die Erzeugnisse finden Absatz im Inlande, kleinere Mengen gehen auf Schiffen
ler freiwilligen Flotte nach Ostsibirien.

Hier besteht ferner eine grosse Farben- und Lackfabrik, Tabakfabriken,
Fabriken für Seile und Taue, Maschinenfabriken mit einem Productionswerthe
von 11/2 Mill. Rubeln, Eisengiessereien, Wagenfabriken, Gärbereien u. s. w.

Bei Odessa wird Seesalz gewonnen und von 500 Arbeitern ein guter
Baustein gebrochen, welcher die Ausführung monumentaler Bauten in Odessa
wesentlich fördert. Diese Steine gehen nach Cherson und Nikolajew, ja sogar bis
Sewastopol.

Das Trinkwasser bringt eine Röhrenleitung vom Dnjestr aus
einer Entfernung von 40 km. Mit ihrer Vollendung haben sich auch
die sanitären Verhältnisse der Stadt gebessert.

Ein anderer Uebelstand, die grosse Theuerung des Holzes, mit
dem in Russland fast ausschliesslich Wohnungen geheizt werden
liess sich bisher leider nicht beseitigen, und man zahlt im Winter
für eine Klafter Brennholz mindestens 25 Rubel.

Das gesammte Stadtgebiet zählt einschliesslich der flottanten
Bevölkerung des Hafens und der Fremden rund 280.000 Einwohner.

Die Umgangssprache ist das Russische, auch deutsch wird viel-
fach gesprochen. Die Juden, welche ein Drittel der Bevölkerung aus-
machen, reden unter einander den deutsch-russischen Jargon. Für den
Handel haben noch Bedeutung die Griechen und Italiener.

Der Schiffsverkehr des Hafens ist natürlich in dem letzten Jahre mit dem
Ausfuhrhandel ungemein gestiegen.

Der auswärtige Schiffsverkehr umfasste:

[Tabelle]

Auch der Cabotageverkehr ist sehr lebhaft, in ihm wurden 1888
219.942 Personen von und nach Odessa befördert.

Mehr als zwei Drittel des auswärtigen Handels besorgen die britischen
Dampfer, nach ihnen sind die russische Flagge und jene Oesterreich-Ungarns her-
vorragend betheiligt.

Odessa ist der Centralpunkt der grossen russischen Dampfschiffahrts-
Gesellschaften für den Verkehr im Schwarzen, Asowschen und Mittelländi-
schen Meere, sowie für jene nach China. Zu ihnen gehören die russische
Dampfschiffahrts- und Handels-Gesellschaft, die im Schwarzen Meere

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Odessa.
lie grosse Zuckerfabrik von Brodski, welche 1888 286.000 q Zucker im Werthe
von 10.437.916 Rubeln erzeugte, zwei Bierbrauereien mit einer Production von
33.000 hl im Werthe von 324.009 Rubeln. Seife und Lichter wurden früher
nur aus russischem Talg hergestellt, der aber jetzt wegen des Rückganges
der Schafzucht in Südrussland umsoweniger für die gesteigerte Production hin-
reicht. Man verarbeitet auch Cocosnuss- und Palmöl, wahrscheinlich wird man im
Laufe der Zeit auch zu österreichischem und australischem Talg greifen müssen.
Die Erzeugnisse finden Absatz im Inlande, kleinere Mengen gehen auf Schiffen
ler freiwilligen Flotte nach Ostsibirien.

Hier besteht ferner eine grosse Farben- und Lackfabrik, Tabakfabriken,
Fabriken für Seile und Taue, Maschinenfabriken mit einem Productionswerthe
von 1½ Mill. Rubeln, Eisengiessereien, Wagenfabriken, Gärbereien u. s. w.

Bei Odessa wird Seesalz gewonnen und von 500 Arbeitern ein guter
Baustein gebrochen, welcher die Ausführung monumentaler Bauten in Odessa
wesentlich fördert. Diese Steine gehen nach Cherson und Nikolajew, ja sogar bis
Sewastopol.

Das Trinkwasser bringt eine Röhrenleitung vom Dnjestr aus
einer Entfernung von 40 km. Mit ihrer Vollendung haben sich auch
die sanitären Verhältnisse der Stadt gebessert.

Ein anderer Uebelstand, die grosse Theuerung des Holzes, mit
dem in Russland fast ausschliesslich Wohnungen geheizt werden
liess sich bisher leider nicht beseitigen, und man zahlt im Winter
für eine Klafter Brennholz mindestens 25 Rubel.

Das gesammte Stadtgebiet zählt einschliesslich der flottanten
Bevölkerung des Hafens und der Fremden rund 280.000 Einwohner.

Die Umgangssprache ist das Russische, auch deutsch wird viel-
fach gesprochen. Die Juden, welche ein Drittel der Bevölkerung aus-
machen, reden unter einander den deutsch-russischen Jargon. Für den
Handel haben noch Bedeutung die Griechen und Italiener.

Der Schiffsverkehr des Hafens ist natürlich in dem letzten Jahre mit dem
Ausfuhrhandel ungemein gestiegen.

Der auswärtige Schiffsverkehr umfasste:

[Tabelle]

Auch der Cabotageverkehr ist sehr lebhaft, in ihm wurden 1888
219.942 Personen von und nach Odessa befördert.

Mehr als zwei Drittel des auswärtigen Handels besorgen die britischen
Dampfer, nach ihnen sind die russische Flagge und jene Oesterreich-Ungarns her-
vorragend betheiligt.

Odessa ist der Centralpunkt der grossen russischen Dampfschiffahrts-
Gesellschaften für den Verkehr im Schwarzen, Asowschen und Mittelländi-
schen Meere, sowie für jene nach China. Zu ihnen gehören die russische
Dampfschiffahrts- und Handels-Gesellschaft, die im Schwarzen Meere

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[179/0199] Odessa. lie grosse Zuckerfabrik von Brodski, welche 1888 286.000 q Zucker im Werthe von 10.437.916 Rubeln erzeugte, zwei Bierbrauereien mit einer Production von 33.000 hl im Werthe von 324.009 Rubeln. Seife und Lichter wurden früher nur aus russischem Talg hergestellt, der aber jetzt wegen des Rückganges der Schafzucht in Südrussland umsoweniger für die gesteigerte Production hin- reicht. Man verarbeitet auch Cocosnuss- und Palmöl, wahrscheinlich wird man im Laufe der Zeit auch zu österreichischem und australischem Talg greifen müssen. Die Erzeugnisse finden Absatz im Inlande, kleinere Mengen gehen auf Schiffen ler freiwilligen Flotte nach Ostsibirien. Hier besteht ferner eine grosse Farben- und Lackfabrik, Tabakfabriken, Fabriken für Seile und Taue, Maschinenfabriken mit einem Productionswerthe von 1½ Mill. Rubeln, Eisengiessereien, Wagenfabriken, Gärbereien u. s. w. Bei Odessa wird Seesalz gewonnen und von 500 Arbeitern ein guter Baustein gebrochen, welcher die Ausführung monumentaler Bauten in Odessa wesentlich fördert. Diese Steine gehen nach Cherson und Nikolajew, ja sogar bis Sewastopol. Das Trinkwasser bringt eine Röhrenleitung vom Dnjestr aus einer Entfernung von 40 km. Mit ihrer Vollendung haben sich auch die sanitären Verhältnisse der Stadt gebessert. Ein anderer Uebelstand, die grosse Theuerung des Holzes, mit dem in Russland fast ausschliesslich Wohnungen geheizt werden liess sich bisher leider nicht beseitigen, und man zahlt im Winter für eine Klafter Brennholz mindestens 25 Rubel. Das gesammte Stadtgebiet zählt einschliesslich der flottanten Bevölkerung des Hafens und der Fremden rund 280.000 Einwohner. Die Umgangssprache ist das Russische, auch deutsch wird viel- fach gesprochen. Die Juden, welche ein Drittel der Bevölkerung aus- machen, reden unter einander den deutsch-russischen Jargon. Für den Handel haben noch Bedeutung die Griechen und Italiener. Der Schiffsverkehr des Hafens ist natürlich in dem letzten Jahre mit dem Ausfuhrhandel ungemein gestiegen. Der auswärtige Schiffsverkehr umfasste: _ Auch der Cabotageverkehr ist sehr lebhaft, in ihm wurden 1888 219.942 Personen von und nach Odessa befördert. Mehr als zwei Drittel des auswärtigen Handels besorgen die britischen Dampfer, nach ihnen sind die russische Flagge und jene Oesterreich-Ungarns her- vorragend betheiligt. Odessa ist der Centralpunkt der grossen russischen Dampfschiffahrts- Gesellschaften für den Verkehr im Schwarzen, Asowschen und Mittelländi- schen Meere, sowie für jene nach China. Zu ihnen gehören die russische Dampfschiffahrts- und Handels-Gesellschaft, die im Schwarzen Meere 23*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/199>, abgerufen am 21.11.2024.