an buntfärbigen Trachten, an eifrigem, fröhlichem Leben. Gebirgs- bewohner aus Kleinasien, wohlhabende Israeliten, auffallend viele Mohren, griechische Schiffer und Handwerker, Albanesen, die ihr ganzes Vermögen an kostbaren Waffen und Stoffen am Körper tragen, griechische Maulthiertreiber arbeiten sich mit ihren beladenen Thieren schreiend, scheltend durch die Menge und drängen sich durch das Gewimmel.
"Nach dem Besuche des Bazars blieb uns noch die Besichtigung des Justizpalastes oder Casteliano übrig, welcher jedoch verschlossen war. Wir warteten geduldig auf dem flachen Dache eines der an- stossenden Häuser, von wo aus wir ungestörte Zeugen des Treibens in dem Bazar sein konnten; bald wurde das Gebäude aufgesperrt. Man gelangt über einige Stufen hinan zu dem Thore, oberhalb dem zwei Engel das Wappenschild des Grossmeisters d'Amboise halten; gothische Spitzbogenverzierungen schliessen sich daran an. Der Saal ist gross und in schönen Verhältnissen gebaut, die Fenstereinfassungen sind reich gearbeitet, an den Fensterkreuzen prangt wiederholt die fran- zösische Lilie. Flüchtig besuchen wir eine alte christliche Kirche, die erste katholische, welche in Rhodus gebaut und der heiligen Katha- rina geweiht wurde. Jetzt ist sie in eine Moschee umgewandelt, Kan- duri oder Enderum-Moschee, das ist ,Blut, steh' still', so benannt nach dem Massacre der Türken. Im Innern macht man uns auf einige Gräber und verwischte Inschriften aufmerksam.
"Während wir schon am Heimweg über den Platz gingen, be- gann eine aus zerlumpten und blossfüssigen Individuen zusammen- gestellte Musikbande mit wahrhaft betäubender Energie zu spielen, zumeist fürchterliche, ohrenzerreissende Misstöne hervorbringend, aus denen nur selten Anklänge an den türkischen Marsch herauszuhören waren. Zum Schlusse gingen wir, von einer zahlreichen Bevölkerung und den Schmuckverkäufern verfolgt, in das Lloydsecretariat, um die berühmten, so selten gewordenen Fayencen und Porzellanteller von Rhodus zu sehen. Ich hatte nichts Eiligeres zu thun, als mir zur Ver- vollständigung meiner Sammlung die vier uralten Schüsseln mit gut erhaltener Malerei zu erwerben, welche man uns vorwies. Gegen 12 Uhr, nachdem wir die interessante Stadt ganz durchzogen und alle Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen hatten, schifften wir uns ein."
Das Mittelmeerbecken.
an buntfärbigen Trachten, an eifrigem, fröhlichem Leben. Gebirgs- bewohner aus Kleinasien, wohlhabende Israeliten, auffallend viele Mohren, griechische Schiffer und Handwerker, Albanesen, die ihr ganzes Vermögen an kostbaren Waffen und Stoffen am Körper tragen, griechische Maulthiertreiber arbeiten sich mit ihren beladenen Thieren schreiend, scheltend durch die Menge und drängen sich durch das Gewimmel.
„Nach dem Besuche des Bazars blieb uns noch die Besichtigung des Justizpalastes oder Casteliano übrig, welcher jedoch verschlossen war. Wir warteten geduldig auf dem flachen Dache eines der an- stossenden Häuser, von wo aus wir ungestörte Zeugen des Treibens in dem Bazar sein konnten; bald wurde das Gebäude aufgesperrt. Man gelangt über einige Stufen hinan zu dem Thore, oberhalb dem zwei Engel das Wappenschild des Grossmeisters d’Amboise halten; gothische Spitzbogenverzierungen schliessen sich daran an. Der Saal ist gross und in schönen Verhältnissen gebaut, die Fenstereinfassungen sind reich gearbeitet, an den Fensterkreuzen prangt wiederholt die fran- zösische Lilie. Flüchtig besuchen wir eine alte christliche Kirche, die erste katholische, welche in Rhodus gebaut und der heiligen Katha- rina geweiht wurde. Jetzt ist sie in eine Moschee umgewandelt, Kan- duri oder Enderum-Moschee, das ist ‚Blut, steh’ still‘, so benannt nach dem Massacre der Türken. Im Innern macht man uns auf einige Gräber und verwischte Inschriften aufmerksam.
„Während wir schon am Heimweg über den Platz gingen, be- gann eine aus zerlumpten und blossfüssigen Individuen zusammen- gestellte Musikbande mit wahrhaft betäubender Energie zu spielen, zumeist fürchterliche, ohrenzerreissende Misstöne hervorbringend, aus denen nur selten Anklänge an den türkischen Marsch herauszuhören waren. Zum Schlusse gingen wir, von einer zahlreichen Bevölkerung und den Schmuckverkäufern verfolgt, in das Lloydsecretariat, um die berühmten, so selten gewordenen Fayencen und Porzellanteller von Rhodus zu sehen. Ich hatte nichts Eiligeres zu thun, als mir zur Ver- vollständigung meiner Sammlung die vier uralten Schüsseln mit gut erhaltener Malerei zu erwerben, welche man uns vorwies. Gegen 12 Uhr, nachdem wir die interessante Stadt ganz durchzogen und alle Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen hatten, schifften wir uns ein.“
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Das Mittelmeerbecken.
an buntfärbigen Trachten, an eifrigem, fröhlichem Leben. Gebirgs-
bewohner aus Kleinasien, wohlhabende Israeliten, auffallend viele
Mohren, griechische Schiffer und Handwerker, Albanesen, die ihr
ganzes Vermögen an kostbaren Waffen und Stoffen am Körper tragen,
griechische Maulthiertreiber arbeiten sich mit ihren beladenen Thieren
schreiend, scheltend durch die Menge und drängen sich durch das
Gewimmel.
„Nach dem Besuche des Bazars blieb uns noch die Besichtigung
des Justizpalastes oder Casteliano übrig, welcher jedoch verschlossen
war. Wir warteten geduldig auf dem flachen Dache eines der an-
stossenden Häuser, von wo aus wir ungestörte Zeugen des Treibens
in dem Bazar sein konnten; bald wurde das Gebäude aufgesperrt.
Man gelangt über einige Stufen hinan zu dem Thore, oberhalb dem zwei
Engel das Wappenschild des Grossmeisters d’Amboise halten; gothische
Spitzbogenverzierungen schliessen sich daran an. Der Saal ist gross
und in schönen Verhältnissen gebaut, die Fenstereinfassungen sind
reich gearbeitet, an den Fensterkreuzen prangt wiederholt die fran-
zösische Lilie. Flüchtig besuchen wir eine alte christliche Kirche, die
erste katholische, welche in Rhodus gebaut und der heiligen Katha-
rina geweiht wurde. Jetzt ist sie in eine Moschee umgewandelt, Kan-
duri oder Enderum-Moschee, das ist ‚Blut, steh’ still‘, so benannt nach
dem Massacre der Türken. Im Innern macht man uns auf einige
Gräber und verwischte Inschriften aufmerksam.
„Während wir schon am Heimweg über den Platz gingen, be-
gann eine aus zerlumpten und blossfüssigen Individuen zusammen-
gestellte Musikbande mit wahrhaft betäubender Energie zu spielen,
zumeist fürchterliche, ohrenzerreissende Misstöne hervorbringend, aus
denen nur selten Anklänge an den türkischen Marsch herauszuhören
waren. Zum Schlusse gingen wir, von einer zahlreichen Bevölkerung
und den Schmuckverkäufern verfolgt, in das Lloydsecretariat, um die
berühmten, so selten gewordenen Fayencen und Porzellanteller von
Rhodus zu sehen. Ich hatte nichts Eiligeres zu thun, als mir zur Ver-
vollständigung meiner Sammlung die vier uralten Schüsseln mit gut
erhaltener Malerei zu erwerben, welche man uns vorwies. Gegen
12 Uhr, nachdem wir die interessante Stadt ganz durchzogen und alle
Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen hatten, schifften wir
uns ein.“
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/242>, abgerufen am 23.11.2024.
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