So sieht es heute auf Rhodos aus, diesem "verarmten Edel- boden", der einst das Herz des Welthandels war.
Als das grosse Erdbeben von 227 v. Chr. die Häuser von Rho- dus in Trümmer gelegt, ihre Schiffslager verwüstet hatte, da stockte der ganze Handel des östlichen Mittelmeeres, alle Staaten waren finanziell in Mitleidenschaft gezogen und Fürsten und Städte des Ostens und Westens wetteiferten, den Wiederaufbau der in den Staub ge- sunkenen Stadt zu fördern. Grossartig sind die Gaben an Geld, Ge- treide, Holz und Metallen gewesen, die von allen Seiten zuströmten, sie machen uns klar, wie reich die damalige griechische Welt, wie riesig der Handelsumsatz gewesen sein muss, den Rhodos vermittelte und den die auswärtigen Fürsten um so hohes Geld sichern wollten.
Der heutige Handel von Rhodos ist bescheidener und betrug in dem gün- stigen Jahre 1888 5,755.620 Francs in der Einfuhr und 3,205.550 Francs in der Ausfuhr.
Schwämme bilden den Haupttheil der Ausfuhr (1888 2 Millionen Francs), sie bestimmen die Höhe derselben und werden insbesondere nach Marseille und Triest verschickt. Die Bodenproduction liefert namhafte Erträge, doch werden nur Zwiebeln, Gemüse und Honig ausgeführt. Vallonea, Sesam, Koraköl und Zie- genfelle kommen von den Küsten des benachbarten Anatolien.
Die Hauptartikel der Einfuhr: Manufacte (1888 1·8 Millionen Francs), Eisenblech (0·9 Millionen Francs), Glaswaare, Zucker, Kaffee, kommen aus Oester- reich-Ungarn.
Rhodos steht in telegraphischer Verbindung mit dem Festlande und mit Kreta und wird von den Schiffen des österreichisch-ungarischen Lloyd auf der Linie Constantinopel--Alexandria angelaufen.
Unter dem Meridian von Rhodos biegt die Küste Kleinasiens nach Osten um. Vielfach reichen die Berge des Taurus bis hart ans Ufer; auf ihnen findet man noch ganze Wälder der echten Ceder, die im Libanon auszusterben scheint. Von dem Dampfschiffe aus, das nach Mersina steuert, kann man mit dem Fernrohr deutlich alle Ein- zelnheiten der interessanten Küstenstrecke, des alten Kilikiens er- kennen, dessen Bewohner als kühne Seeräuber durch Jahrzehnte das römische Weltreich in Athem hielten. Am zweiten Tage nach dem Verlassen von Rhodos passirt man die herrlichen Ruinen von Pom- pejopolis mit ihrem aus 50 korinthischen Säulen bestehenden Porti- cus, der von der Stadt zum Meere herabführte, und erreicht gegen Mittag die in einer niedrigen, zum Theile sumpfigen Ebene gelegene Stadt Mersina, von deren Rhede uns eine 67 km lange Eisenbahn in 2 Stunden 40 Minuten über Tarsus nach Adana bringt. Früher ein unbekannter Ort, zählt jetzt Mersina 12--15.000 Einwohner. Eine Verlängerung der Eisenbahn nach Aintab würde auch den Handel
Rhodos.
So sieht es heute auf Rhodos aus, diesem „verarmten Edel- boden“, der einst das Herz des Welthandels war.
Als das grosse Erdbeben von 227 v. Chr. die Häuser von Rho- dus in Trümmer gelegt, ihre Schiffslager verwüstet hatte, da stockte der ganze Handel des östlichen Mittelmeeres, alle Staaten waren finanziell in Mitleidenschaft gezogen und Fürsten und Städte des Ostens und Westens wetteiferten, den Wiederaufbau der in den Staub ge- sunkenen Stadt zu fördern. Grossartig sind die Gaben an Geld, Ge- treide, Holz und Metallen gewesen, die von allen Seiten zuströmten, sie machen uns klar, wie reich die damalige griechische Welt, wie riesig der Handelsumsatz gewesen sein muss, den Rhodos vermittelte und den die auswärtigen Fürsten um so hohes Geld sichern wollten.
Der heutige Handel von Rhodos ist bescheidener und betrug in dem gün- stigen Jahre 1888 5,755.620 Francs in der Einfuhr und 3,205.550 Francs in der Ausfuhr.
Schwämme bilden den Haupttheil der Ausfuhr (1888 2 Millionen Francs), sie bestimmen die Höhe derselben und werden insbesondere nach Marseille und Triest verschickt. Die Bodenproduction liefert namhafte Erträge, doch werden nur Zwiebeln, Gemüse und Honig ausgeführt. Vallonea, Sesam, Koraköl und Zie- genfelle kommen von den Küsten des benachbarten Anatolien.
Die Hauptartikel der Einfuhr: Manufacte (1888 1·8 Millionen Francs), Eisenblech (0·9 Millionen Francs), Glaswaare, Zucker, Kaffee, kommen aus Oester- reich-Ungarn.
Rhodos steht in telegraphischer Verbindung mit dem Festlande und mit Kreta und wird von den Schiffen des österreichisch-ungarischen Lloyd auf der Linie Constantinopel—Alexandria angelaufen.
Unter dem Meridian von Rhodos biegt die Küste Kleinasiens nach Osten um. Vielfach reichen die Berge des Taurus bis hart ans Ufer; auf ihnen findet man noch ganze Wälder der echten Ceder, die im Libanon auszusterben scheint. Von dem Dampfschiffe aus, das nach Mersina steuert, kann man mit dem Fernrohr deutlich alle Ein- zelnheiten der interessanten Küstenstrecke, des alten Kilikiens er- kennen, dessen Bewohner als kühne Seeräuber durch Jahrzehnte das römische Weltreich in Athem hielten. Am zweiten Tage nach dem Verlassen von Rhodos passirt man die herrlichen Ruinen von Pom- pejopolis mit ihrem aus 50 korinthischen Säulen bestehenden Porti- cus, der von der Stadt zum Meere herabführte, und erreicht gegen Mittag die in einer niedrigen, zum Theile sumpfigen Ebene gelegene Stadt Mersina, von deren Rhede uns eine 67 km lange Eisenbahn in 2 Stunden 40 Minuten über Tarsus nach Adana bringt. Früher ein unbekannter Ort, zählt jetzt Mersina 12—15.000 Einwohner. Eine Verlängerung der Eisenbahn nach Aintab würde auch den Handel
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Rhodos.
So sieht es heute auf Rhodos aus, diesem „verarmten Edel-
boden“, der einst das Herz des Welthandels war.
Als das grosse Erdbeben von 227 v. Chr. die Häuser von Rho-
dus in Trümmer gelegt, ihre Schiffslager verwüstet hatte, da stockte
der ganze Handel des östlichen Mittelmeeres, alle Staaten waren
finanziell in Mitleidenschaft gezogen und Fürsten und Städte des Ostens
und Westens wetteiferten, den Wiederaufbau der in den Staub ge-
sunkenen Stadt zu fördern. Grossartig sind die Gaben an Geld, Ge-
treide, Holz und Metallen gewesen, die von allen Seiten zuströmten,
sie machen uns klar, wie reich die damalige griechische Welt, wie riesig
der Handelsumsatz gewesen sein muss, den Rhodos vermittelte und den
die auswärtigen Fürsten um so hohes Geld sichern wollten.
Der heutige Handel von Rhodos ist bescheidener und betrug in dem gün-
stigen Jahre 1888 5,755.620 Francs in der Einfuhr und 3,205.550 Francs in der
Ausfuhr.
Schwämme bilden den Haupttheil der Ausfuhr (1888 2 Millionen Francs),
sie bestimmen die Höhe derselben und werden insbesondere nach Marseille und
Triest verschickt. Die Bodenproduction liefert namhafte Erträge, doch werden
nur Zwiebeln, Gemüse und Honig ausgeführt. Vallonea, Sesam, Koraköl und Zie-
genfelle kommen von den Küsten des benachbarten Anatolien.
Die Hauptartikel der Einfuhr: Manufacte (1888 1·8 Millionen Francs),
Eisenblech (0·9 Millionen Francs), Glaswaare, Zucker, Kaffee, kommen aus Oester-
reich-Ungarn.
Rhodos steht in telegraphischer Verbindung mit dem Festlande und mit
Kreta und wird von den Schiffen des österreichisch-ungarischen Lloyd auf der
Linie Constantinopel—Alexandria angelaufen.
Unter dem Meridian von Rhodos biegt die Küste Kleinasiens
nach Osten um. Vielfach reichen die Berge des Taurus bis hart ans
Ufer; auf ihnen findet man noch ganze Wälder der echten Ceder,
die im Libanon auszusterben scheint. Von dem Dampfschiffe aus, das
nach Mersina steuert, kann man mit dem Fernrohr deutlich alle Ein-
zelnheiten der interessanten Küstenstrecke, des alten Kilikiens er-
kennen, dessen Bewohner als kühne Seeräuber durch Jahrzehnte das
römische Weltreich in Athem hielten. Am zweiten Tage nach dem
Verlassen von Rhodos passirt man die herrlichen Ruinen von Pom-
pejopolis mit ihrem aus 50 korinthischen Säulen bestehenden Porti-
cus, der von der Stadt zum Meere herabführte, und erreicht gegen
Mittag die in einer niedrigen, zum Theile sumpfigen Ebene gelegene
Stadt Mersina, von deren Rhede uns eine 67 km lange Eisenbahn
in 2 Stunden 40 Minuten über Tarsus nach Adana bringt. Früher
ein unbekannter Ort, zählt jetzt Mersina 12—15.000 Einwohner. Eine
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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