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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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schnitten wurde. Der letzteren nördlichster Punkt war das Thor des
Mondes, der südlichste das Thor der Sonne. Im Kreuzungspunkte
beider Strassen (innerhalb der Bastionen des Rosetta-Thores) lag der
herrliche Alexanderplatz mit dem Tetrapylon. Bis zu diesem reichte
der breite Einschnitt des südlichen Mareotis- oder Limnaeus-Hafens
der Stadt, der jetzt mit der ganzen Pracht seiner Umgebung ver-
schwunden ist.

Am westlichsten Ende der Meson Pedion-Strasse, ungefähr an
der Stelle des jetzigen Bauholz- und Wollquais, mündete der natür-
liche Canal, der den Mareotis-See mit dem Meere verband und die
Grenze zwischen Libyen und Egypten bildete. Dieser Canal besass
nahe der Mündung in das Meer eine kreisrunde Erweiterung, das
Ciborium, welches noch im Mittelalter erhalten war.

Alexander der Grosse war 331 v. Chr. der Gründer der Stadt
und Deinocrates aus Rhodus der Ingenieur und Architekt, nach dessen
Plane ein Fischerdorf in eine Weltstadt verwandelt wurde. Die geniale
Schöpfung des grossen Makedoniers wurde nicht nur der Angelpunkt,
um den sich der Handel zweier Welttheile drehte, sie wurde das
London jener fernen Zeiten. Schien die Anlage an der Lagune selbst
gefährlich, so wusste Deinocrates der Gefahr den Stachel zu nehmen.
Die Lage der Stadt an der westlichsten Erstreckung des Nildeltas
sollte den neuen Hafen vor der Versandung bewahren, eine Voraussicht,
die sich wohl bewährte.

Durchaus regelmässig angelegt, mit prächtigen Bauwerken ge-
ziert und zum Hauptsitz der Gelehrsamkeit geworden, war Alexandria
in seiner Glanzperiode eine der volkreichsten und mächtigsten Städte
der Welt. Strabo schildert unter anderem die am Meson Pedion ge-
legene, ein Stadium (185 m) lange Säulenhalle des Gymnasion mit den
herrlichen Hainen und der künstlichen Anhöhe des Paneums als den
Glanzpunkt Alexandrias. Inmitten derselben Anlagen war auch das
Dicasterium, und im Stadttheile Bruchium erhob sich das berühmte
Museum, das die grosse alexandrinische Bibliothek enthielt, die Ptolo-
mäus Lagi begründete und Philadelphus katalogisiren liess. Unter
letzterem wird ihr Bestand auf 400.000 Rollen geschätzt, und als
während der römischen Bürgerkriege ein Theil der Sammlung durch
Cäsar's Schuld abbrannte, mag sie wohl 700.000 Rollen gezählt
haben. Auch eine zweite Bibliothek, die berühmte Pergamenische
Büchersammlung von 200.000 Bänden, welche der Serapistempel
(Serapeum) am Südwestrande der Stadt enthielt, ward im Jahre 389
n. Chr. bei der Erstürmung des Tempels durch die Christen unter

Alexandria.
schnitten wurde. Der letzteren nördlichster Punkt war das Thor des
Mondes, der südlichste das Thor der Sonne. Im Kreuzungspunkte
beider Strassen (innerhalb der Bastionen des Rosetta-Thores) lag der
herrliche Alexanderplatz mit dem Tetrapylon. Bis zu diesem reichte
der breite Einschnitt des südlichen Mareotis- oder Limnaeus-Hafens
der Stadt, der jetzt mit der ganzen Pracht seiner Umgebung ver-
schwunden ist.

Am westlichsten Ende der Meson Pedion-Strasse, ungefähr an
der Stelle des jetzigen Bauholz- und Wollquais, mündete der natür-
liche Canal, der den Mareotis-See mit dem Meere verband und die
Grenze zwischen Libyen und Egypten bildete. Dieser Canal besass
nahe der Mündung in das Meer eine kreisrunde Erweiterung, das
Ciborium, welches noch im Mittelalter erhalten war.

Alexander der Grosse war 331 v. Chr. der Gründer der Stadt
und Deinocrates aus Rhodus der Ingenieur und Architekt, nach dessen
Plane ein Fischerdorf in eine Weltstadt verwandelt wurde. Die geniale
Schöpfung des grossen Makedoniers wurde nicht nur der Angelpunkt,
um den sich der Handel zweier Welttheile drehte, sie wurde das
London jener fernen Zeiten. Schien die Anlage an der Lagune selbst
gefährlich, so wusste Deinocrates der Gefahr den Stachel zu nehmen.
Die Lage der Stadt an der westlichsten Erstreckung des Nildeltas
sollte den neuen Hafen vor der Versandung bewahren, eine Voraussicht,
die sich wohl bewährte.

Durchaus regelmässig angelegt, mit prächtigen Bauwerken ge-
ziert und zum Hauptsitz der Gelehrsamkeit geworden, war Alexandria
in seiner Glanzperiode eine der volkreichsten und mächtigsten Städte
der Welt. Strabo schildert unter anderem die am Meson Pedion ge-
legene, ein Stadium (185 m) lange Säulenhalle des Gymnasion mit den
herrlichen Hainen und der künstlichen Anhöhe des Paneums als den
Glanzpunkt Alexandrias. Inmitten derselben Anlagen war auch das
Dicasterium, und im Stadttheile Bruchium erhob sich das berühmte
Museum, das die grosse alexandrinische Bibliothek enthielt, die Ptolo-
mäus Lagi begründete und Philadelphus katalogisiren liess. Unter
letzterem wird ihr Bestand auf 400.000 Rollen geschätzt, und als
während der römischen Bürgerkriege ein Theil der Sammlung durch
Cäsar’s Schuld abbrannte, mag sie wohl 700.000 Rollen gezählt
haben. Auch eine zweite Bibliothek, die berühmte Pergamenische
Büchersammlung von 200.000 Bänden, welche der Serapistempel
(Serapeum) am Südwestrande der Stadt enthielt, ward im Jahre 389
n. Chr. bei der Erstürmung des Tempels durch die Christen unter

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[279/0299] Alexandria. schnitten wurde. Der letzteren nördlichster Punkt war das Thor des Mondes, der südlichste das Thor der Sonne. Im Kreuzungspunkte beider Strassen (innerhalb der Bastionen des Rosetta-Thores) lag der herrliche Alexanderplatz mit dem Tetrapylon. Bis zu diesem reichte der breite Einschnitt des südlichen Mareotis- oder Limnaeus-Hafens der Stadt, der jetzt mit der ganzen Pracht seiner Umgebung ver- schwunden ist. Am westlichsten Ende der Meson Pedion-Strasse, ungefähr an der Stelle des jetzigen Bauholz- und Wollquais, mündete der natür- liche Canal, der den Mareotis-See mit dem Meere verband und die Grenze zwischen Libyen und Egypten bildete. Dieser Canal besass nahe der Mündung in das Meer eine kreisrunde Erweiterung, das Ciborium, welches noch im Mittelalter erhalten war. Alexander der Grosse war 331 v. Chr. der Gründer der Stadt und Deinocrates aus Rhodus der Ingenieur und Architekt, nach dessen Plane ein Fischerdorf in eine Weltstadt verwandelt wurde. Die geniale Schöpfung des grossen Makedoniers wurde nicht nur der Angelpunkt, um den sich der Handel zweier Welttheile drehte, sie wurde das London jener fernen Zeiten. Schien die Anlage an der Lagune selbst gefährlich, so wusste Deinocrates der Gefahr den Stachel zu nehmen. Die Lage der Stadt an der westlichsten Erstreckung des Nildeltas sollte den neuen Hafen vor der Versandung bewahren, eine Voraussicht, die sich wohl bewährte. Durchaus regelmässig angelegt, mit prächtigen Bauwerken ge- ziert und zum Hauptsitz der Gelehrsamkeit geworden, war Alexandria in seiner Glanzperiode eine der volkreichsten und mächtigsten Städte der Welt. Strabo schildert unter anderem die am Meson Pedion ge- legene, ein Stadium (185 m) lange Säulenhalle des Gymnasion mit den herrlichen Hainen und der künstlichen Anhöhe des Paneums als den Glanzpunkt Alexandrias. Inmitten derselben Anlagen war auch das Dicasterium, und im Stadttheile Bruchium erhob sich das berühmte Museum, das die grosse alexandrinische Bibliothek enthielt, die Ptolo- mäus Lagi begründete und Philadelphus katalogisiren liess. Unter letzterem wird ihr Bestand auf 400.000 Rollen geschätzt, und als während der römischen Bürgerkriege ein Theil der Sammlung durch Cäsar’s Schuld abbrannte, mag sie wohl 700.000 Rollen gezählt haben. Auch eine zweite Bibliothek, die berühmte Pergamenische Büchersammlung von 200.000 Bänden, welche der Serapistempel (Serapeum) am Südwestrande der Stadt enthielt, ward im Jahre 389 n. Chr. bei der Erstürmung des Tempels durch die Christen unter

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/299>, abgerufen am 22.11.2024.