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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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La Valetta.
auswandern, weil ihre Heimat zu klein ist. Wir finden die oliven-
farbenen Söhne Maltas als Kaufleute in allen Plätzen des Mittel-
ländischen Meeres, besonders aber in Egypten und Tunis, wo sie zum
Aerger der Briten als "englische Unterthanen" oft den Schutz der
Consuln in Angelegenheiten aufsuchen, die mit unserer Moral nicht
recht vereinbarlich sind. Der maltesische Dialect ist ein verderbtes
Arabisch, die Handelsleute sprechen auch italienisch oder englisch
oder auch beide Sprachen.

Für die Betheiligung La Valettas am Welthandel sind selbst-
verständlich die Engländer entscheidend, die hier einen ihrer grössten
festen Plätze für die Sicherung des Seeweges nach Indien besitzen,
welcher gegenwärtig Gibraltar an Bedeutung weit überragt, weil die
räumliche Ausdehnung der Insel die Concentrirung grösserer Truppen-
massen gestattet, wie wir das im Jahre 1878 gesehen haben, als das
Ministerium Disraeli indische Regimenter nach Malta zog, um mit ihnen
im gegebenen Falle an der Seite der Türken Constantinopel gegen
die Russen zu vertheidigen.

Die officiellen Veröffentlichungen über den Handel umfassen nur
jene Artikel, welche Zöllen unterworfen sind. Aber wir wissen doch,
dass der Durchfuhrhandel, für welchen die Insel Malta im Aus-
lande einstmals so wichtig war, heutigentags beinahe aufgehört hat.
Die Orte an der benachbarten Küste Afrikas, wohin der Transito zu-
meist ging, stehen jetzt überwiegend in directem Verkehre mi[t] [d]em
Auslande. In dem von Jahr zu Jahr sich steigernden Besuche von
Fremden in den Monaten November bis März findet Malta theilweise
Ersatz für den Verlust. Der grösste Theil der 46.844 Passagiere,
welche die Schiffe 1888 nach Malta brachten, besuchte La Valetta
freilich nur für die wenigen Stunden, welche die Schiffe brauchen, um
Kohle aufzunehmen. Den Werth des Goldregens, welchen der Fremden-
verkehr jedem Lande, den er befruchtet, bringt, wissen Regierung
wie Volk von Malta wohl zu würdigen, aber auch zu fördern. Nach
jeder Richtung wurden die Ansprüche des modernen Curortes berück-
sichtigt.

Der Handel zeigt folgende Güterbewegung: Als grossartige Kohlenstation
der Ostindienfahrer und der Kriegsschiffe führt Malta in erster Linie Stein-
kohlen
ein; Cardiff und Newcastle in kleinerem Masse decken den Bedarf; Ein-
fuhr und Reexport 1888 99.116 t. Beim Verladen der Kohle finden 10.000 Menschen
Beschäftigung.

Aus Albanien und Toscana kommen in bedeutenden Mengen Holzkohlen
auf Segelschiffen, aus Fiume Buchen- und Eichendauben und unbehauene Ruder,
aus Triest Tannenbrettchen. Aus den Buchendauben macht man in Malta Fässchen

La Valetta.
auswandern, weil ihre Heimat zu klein ist. Wir finden die oliven-
farbenen Söhne Maltas als Kaufleute in allen Plätzen des Mittel-
ländischen Meeres, besonders aber in Egypten und Tunis, wo sie zum
Aerger der Briten als „englische Unterthanen“ oft den Schutz der
Consuln in Angelegenheiten aufsuchen, die mit unserer Moral nicht
recht vereinbarlich sind. Der maltesische Dialect ist ein verderbtes
Arabisch, die Handelsleute sprechen auch italienisch oder englisch
oder auch beide Sprachen.

Für die Betheiligung La Valettas am Welthandel sind selbst-
verständlich die Engländer entscheidend, die hier einen ihrer grössten
festen Plätze für die Sicherung des Seeweges nach Indien besitzen,
welcher gegenwärtig Gibraltar an Bedeutung weit überragt, weil die
räumliche Ausdehnung der Insel die Concentrirung grösserer Truppen-
massen gestattet, wie wir das im Jahre 1878 gesehen haben, als das
Ministerium Disraeli indische Regimenter nach Malta zog, um mit ihnen
im gegebenen Falle an der Seite der Türken Constantinopel gegen
die Russen zu vertheidigen.

Die officiellen Veröffentlichungen über den Handel umfassen nur
jene Artikel, welche Zöllen unterworfen sind. Aber wir wissen doch,
dass der Durchfuhrhandel, für welchen die Insel Malta im Aus-
lande einstmals so wichtig war, heutigentags beinahe aufgehört hat.
Die Orte an der benachbarten Küste Afrikas, wohin der Transito zu-
meist ging, stehen jetzt überwiegend in directem Verkehre mi[t] [d]em
Auslande. In dem von Jahr zu Jahr sich steigernden Besuche von
Fremden in den Monaten November bis März findet Malta theilweise
Ersatz für den Verlust. Der grösste Theil der 46.844 Passagiere,
welche die Schiffe 1888 nach Malta brachten, besuchte La Valetta
freilich nur für die wenigen Stunden, welche die Schiffe brauchen, um
Kohle aufzunehmen. Den Werth des Goldregens, welchen der Fremden-
verkehr jedem Lande, den er befruchtet, bringt, wissen Regierung
wie Volk von Malta wohl zu würdigen, aber auch zu fördern. Nach
jeder Richtung wurden die Ansprüche des modernen Curortes berück-
sichtigt.

Der Handel zeigt folgende Güterbewegung: Als grossartige Kohlenstation
der Ostindienfahrer und der Kriegsschiffe führt Malta in erster Linie Stein-
kohlen
ein; Cardiff und Newcastle in kleinerem Masse decken den Bedarf; Ein-
fuhr und Reexport 1888 99.116 t. Beim Verladen der Kohle finden 10.000 Menschen
Beschäftigung.

Aus Albanien und Toscana kommen in bedeutenden Mengen Holzkohlen
auf Segelschiffen, aus Fiume Buchen- und Eichendauben und unbehauene Ruder,
aus Triest Tannenbrettchen. Aus den Buchendauben macht man in Malta Fässchen

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[319/0339] La Valetta. auswandern, weil ihre Heimat zu klein ist. Wir finden die oliven- farbenen Söhne Maltas als Kaufleute in allen Plätzen des Mittel- ländischen Meeres, besonders aber in Egypten und Tunis, wo sie zum Aerger der Briten als „englische Unterthanen“ oft den Schutz der Consuln in Angelegenheiten aufsuchen, die mit unserer Moral nicht recht vereinbarlich sind. Der maltesische Dialect ist ein verderbtes Arabisch, die Handelsleute sprechen auch italienisch oder englisch oder auch beide Sprachen. Für die Betheiligung La Valettas am Welthandel sind selbst- verständlich die Engländer entscheidend, die hier einen ihrer grössten festen Plätze für die Sicherung des Seeweges nach Indien besitzen, welcher gegenwärtig Gibraltar an Bedeutung weit überragt, weil die räumliche Ausdehnung der Insel die Concentrirung grösserer Truppen- massen gestattet, wie wir das im Jahre 1878 gesehen haben, als das Ministerium Disraeli indische Regimenter nach Malta zog, um mit ihnen im gegebenen Falle an der Seite der Türken Constantinopel gegen die Russen zu vertheidigen. Die officiellen Veröffentlichungen über den Handel umfassen nur jene Artikel, welche Zöllen unterworfen sind. Aber wir wissen doch, dass der Durchfuhrhandel, für welchen die Insel Malta im Aus- lande einstmals so wichtig war, heutigentags beinahe aufgehört hat. Die Orte an der benachbarten Küste Afrikas, wohin der Transito zu- meist ging, stehen jetzt überwiegend in directem Verkehre mit dem Auslande. In dem von Jahr zu Jahr sich steigernden Besuche von Fremden in den Monaten November bis März findet Malta theilweise Ersatz für den Verlust. Der grösste Theil der 46.844 Passagiere, welche die Schiffe 1888 nach Malta brachten, besuchte La Valetta freilich nur für die wenigen Stunden, welche die Schiffe brauchen, um Kohle aufzunehmen. Den Werth des Goldregens, welchen der Fremden- verkehr jedem Lande, den er befruchtet, bringt, wissen Regierung wie Volk von Malta wohl zu würdigen, aber auch zu fördern. Nach jeder Richtung wurden die Ansprüche des modernen Curortes berück- sichtigt. Der Handel zeigt folgende Güterbewegung: Als grossartige Kohlenstation der Ostindienfahrer und der Kriegsschiffe führt Malta in erster Linie Stein- kohlen ein; Cardiff und Newcastle in kleinerem Masse decken den Bedarf; Ein- fuhr und Reexport 1888 99.116 t. Beim Verladen der Kohle finden 10.000 Menschen Beschäftigung. Aus Albanien und Toscana kommen in bedeutenden Mengen Holzkohlen auf Segelschiffen, aus Fiume Buchen- und Eichendauben und unbehauene Ruder, aus Triest Tannenbrettchen. Aus den Buchendauben macht man in Malta Fässchen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/339>, abgerufen am 24.11.2024.