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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Genua.
Veränderung ihres Seehandels erinnerte sich die Stadt des grossen
Bürgers Columbus und widmete ihm ein Denkmal, das seit 1862 in
den prächtigen Palmenanlagen der Piazza Acquaverde nächst dem
Westbahnhofe sich erhebt. Ganz aus Marmor bestehend, hat das Mo-
nument einen reichen figuralen Schmuck, vier allegorische Gestalten:
die Religion, Klugheit, Wissenschaft und Stärke, umgeben den mit
Schiffsschnäbeln gezierten Sockel, auf welchem die markante Gestalt
Colons neben einer knienden Amorette sich erhebt. "A Cristoforo
Colombo la patria" und "Divinato un mondo lo avvinse di perenni
benefizi all' antico" lautet die Inschrift des Denkmals.

Die tiefeingeschnittene Bucht von Genua, einer der Hauptstützpunkte der
ligurischen Freibeuterei, war schon in uralter Zeit den griechischen Seefahrern
wohlbekannt. Im III. Jahrhunderte v. Chr. hatten die Römer den Fuss hieher-
gesetzt und ihre Municipalverfassung eingeführt; von hier bekämpften sie die
Ligurer, um sich die längs der Küste nach Spanien führende Militärstrasse zu
sichern.

Mit der Einwanderung germanischer Völker nach Italien entwickelte sich
auch hier das Feudalsystem, und noch im XI. Jahrhunderte sahen die Genuesen
innerhalb der Mauern ihrer Stadt die Markgrafen aus dem obertinischen Haus
zu Gerichte sitzen.

Erst kurz vor dem ersten Kreuzzuge gelang es Genua, die communale
Selbstregierung zu erringen; die freien Bürger der Stadt schlossen sich zu einer
politischen Association "Compagna" unter selbstgewählten Consuln zusammen und
beseitigten alle widerstrebenden Gewalthaber und Parteien. Fast zur selben Zeit
erkämpfte sich Genua im Bunde mit Pisa die freie Bahn für seinen Seehandel,
und die nordafrikanischen Araber, welche 935 Genua angefallen und ausgeplündert
hatten, wurden in ihrem eigenen Lande angegriffen.

Jetzt aber werden aus den Bundesgenossen Rivalen; fast 200 Jahre währte
das Ringen der beiden Handelsstädte Genua und Pisa, bis in der blutigen Ent-
scheidungsschlacht bei den Sandbänken von Meloria nächst Livorno 6. August 1284
Pisa für immer unterliegt.

Diese Kämpfe fallen also in die Zeit der Kreuzzüge, in welchen Genua
durch die Unterstützung der Paläologen gegen das lateinische Kaiserreich (1261),
welches die Venetianer in Constantinopel 1204 aufgerichtet hatten, Smyrna, weit-
läufigen Besitz auf den griechischen Inseln und in der Krim gewann. Im Jahre
1300 erwarb es von Pisa die Insel Corsica. Dieser Meeresherrschaft konnte nur
Venedig ein Gegengewicht bieten, und die Uebermacht Genuas in der Levante
musste zum erbitterten Kampfe mit diesem führen.

Vom Jahre 1257 bis 1380 währte das Ringen um die Herrschaft im Mittel-
meere. Schon war die genuesische Flotte in das adriatische Meer, den Golfo
veneziano, eingedrungen und bedrohte die Lagunenstadt, als die Venetianer in der
Seeschlacht bei Chioggia 1380 mit entscheidendem Siege die Suprematie der
kampfesmuthigen, aber durch den Parteihader der Guelfen und Ghibellinen sehr
erschöpften Rivalin zertrümmerten. Der Glanz Venedigs stieg, jener Genuas aber
neigte sich der Verdunklung entgegen; Genua verlor allmälig seine griechischen
Besitzungen und sank im letzten Viertel des XIV. Jahrhunderts von seiner stolzen

Genua.
Veränderung ihres Seehandels erinnerte sich die Stadt des grossen
Bürgers Columbus und widmete ihm ein Denkmal, das seit 1862 in
den prächtigen Palmenanlagen der Piazza Acquaverde nächst dem
Westbahnhofe sich erhebt. Ganz aus Marmor bestehend, hat das Mo-
nument einen reichen figuralen Schmuck, vier allegorische Gestalten:
die Religion, Klugheit, Wissenschaft und Stärke, umgeben den mit
Schiffsschnäbeln gezierten Sockel, auf welchem die markante Gestalt
Colons neben einer knienden Amorette sich erhebt. „A Cristoforo
Colombo la patria“ und „Divinato un mondo lo avvinse di perenni
benefizi all’ antico“ lautet die Inschrift des Denkmals.

Die tiefeingeschnittene Bucht von Genua, einer der Hauptstützpunkte der
ligurischen Freibeuterei, war schon in uralter Zeit den griechischen Seefahrern
wohlbekannt. Im III. Jahrhunderte v. Chr. hatten die Römer den Fuss hieher-
gesetzt und ihre Municipalverfassung eingeführt; von hier bekämpften sie die
Ligurer, um sich die längs der Küste nach Spanien führende Militärstrasse zu
sichern.

Mit der Einwanderung germanischer Völker nach Italien entwickelte sich
auch hier das Feudalsystem, und noch im XI. Jahrhunderte sahen die Genuesen
innerhalb der Mauern ihrer Stadt die Markgrafen aus dem obertinischen Haus
zu Gerichte sitzen.

Erst kurz vor dem ersten Kreuzzuge gelang es Genua, die communale
Selbstregierung zu erringen; die freien Bürger der Stadt schlossen sich zu einer
politischen Association „Compagna“ unter selbstgewählten Consuln zusammen und
beseitigten alle widerstrebenden Gewalthaber und Parteien. Fast zur selben Zeit
erkämpfte sich Genua im Bunde mit Pisa die freie Bahn für seinen Seehandel,
und die nordafrikanischen Araber, welche 935 Genua angefallen und ausgeplündert
hatten, wurden in ihrem eigenen Lande angegriffen.

Jetzt aber werden aus den Bundesgenossen Rivalen; fast 200 Jahre währte
das Ringen der beiden Handelsstädte Genua und Pisa, bis in der blutigen Ent-
scheidungsschlacht bei den Sandbänken von Meloria nächst Livorno 6. August 1284
Pisa für immer unterliegt.

Diese Kämpfe fallen also in die Zeit der Kreuzzüge, in welchen Genua
durch die Unterstützung der Paläologen gegen das lateinische Kaiserreich (1261),
welches die Venetianer in Constantinopel 1204 aufgerichtet hatten, Smyrna, weit-
läufigen Besitz auf den griechischen Inseln und in der Krim gewann. Im Jahre
1300 erwarb es von Pisa die Insel Corsica. Dieser Meeresherrschaft konnte nur
Venedig ein Gegengewicht bieten, und die Uebermacht Genuas in der Levante
musste zum erbitterten Kampfe mit diesem führen.

Vom Jahre 1257 bis 1380 währte das Ringen um die Herrschaft im Mittel-
meere. Schon war die genuesische Flotte in das adriatische Meer, den Golfo
veneziano, eingedrungen und bedrohte die Lagunenstadt, als die Venetianer in der
Seeschlacht bei Chioggia 1380 mit entscheidendem Siege die Suprematie der
kampfesmuthigen, aber durch den Parteihader der Guelfen und Ghibellinen sehr
erschöpften Rivalin zertrümmerten. Der Glanz Venedigs stieg, jener Genuas aber
neigte sich der Verdunklung entgegen; Genua verlor allmälig seine griechischen
Besitzungen und sank im letzten Viertel des XIV. Jahrhunderts von seiner stolzen

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[365/0385] Genua. Veränderung ihres Seehandels erinnerte sich die Stadt des grossen Bürgers Columbus und widmete ihm ein Denkmal, das seit 1862 in den prächtigen Palmenanlagen der Piazza Acquaverde nächst dem Westbahnhofe sich erhebt. Ganz aus Marmor bestehend, hat das Mo- nument einen reichen figuralen Schmuck, vier allegorische Gestalten: die Religion, Klugheit, Wissenschaft und Stärke, umgeben den mit Schiffsschnäbeln gezierten Sockel, auf welchem die markante Gestalt Colons neben einer knienden Amorette sich erhebt. „A Cristoforo Colombo la patria“ und „Divinato un mondo lo avvinse di perenni benefizi all’ antico“ lautet die Inschrift des Denkmals. Die tiefeingeschnittene Bucht von Genua, einer der Hauptstützpunkte der ligurischen Freibeuterei, war schon in uralter Zeit den griechischen Seefahrern wohlbekannt. Im III. Jahrhunderte v. Chr. hatten die Römer den Fuss hieher- gesetzt und ihre Municipalverfassung eingeführt; von hier bekämpften sie die Ligurer, um sich die längs der Küste nach Spanien führende Militärstrasse zu sichern. Mit der Einwanderung germanischer Völker nach Italien entwickelte sich auch hier das Feudalsystem, und noch im XI. Jahrhunderte sahen die Genuesen innerhalb der Mauern ihrer Stadt die Markgrafen aus dem obertinischen Haus zu Gerichte sitzen. Erst kurz vor dem ersten Kreuzzuge gelang es Genua, die communale Selbstregierung zu erringen; die freien Bürger der Stadt schlossen sich zu einer politischen Association „Compagna“ unter selbstgewählten Consuln zusammen und beseitigten alle widerstrebenden Gewalthaber und Parteien. Fast zur selben Zeit erkämpfte sich Genua im Bunde mit Pisa die freie Bahn für seinen Seehandel, und die nordafrikanischen Araber, welche 935 Genua angefallen und ausgeplündert hatten, wurden in ihrem eigenen Lande angegriffen. Jetzt aber werden aus den Bundesgenossen Rivalen; fast 200 Jahre währte das Ringen der beiden Handelsstädte Genua und Pisa, bis in der blutigen Ent- scheidungsschlacht bei den Sandbänken von Meloria nächst Livorno 6. August 1284 Pisa für immer unterliegt. Diese Kämpfe fallen also in die Zeit der Kreuzzüge, in welchen Genua durch die Unterstützung der Paläologen gegen das lateinische Kaiserreich (1261), welches die Venetianer in Constantinopel 1204 aufgerichtet hatten, Smyrna, weit- läufigen Besitz auf den griechischen Inseln und in der Krim gewann. Im Jahre 1300 erwarb es von Pisa die Insel Corsica. Dieser Meeresherrschaft konnte nur Venedig ein Gegengewicht bieten, und die Uebermacht Genuas in der Levante musste zum erbitterten Kampfe mit diesem führen. Vom Jahre 1257 bis 1380 währte das Ringen um die Herrschaft im Mittel- meere. Schon war die genuesische Flotte in das adriatische Meer, den Golfo veneziano, eingedrungen und bedrohte die Lagunenstadt, als die Venetianer in der Seeschlacht bei Chioggia 1380 mit entscheidendem Siege die Suprematie der kampfesmuthigen, aber durch den Parteihader der Guelfen und Ghibellinen sehr erschöpften Rivalin zertrümmerten. Der Glanz Venedigs stieg, jener Genuas aber neigte sich der Verdunklung entgegen; Genua verlor allmälig seine griechischen Besitzungen und sank im letzten Viertel des XIV. Jahrhunderts von seiner stolzen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/385>, abgerufen am 24.11.2024.