Neben den humanitären und Kunstbestrebungen ist aber den Annehmlichkeiten des Lebens nicht Abbruch geschehen. Neben schönen in die herrliche Umgebung führenden Promenaden sind auch prachtvolle Gärten im Weichbilde der Stad tvorhanden, deren grösster der sehr besuchte Giardino Acquasola, der reizendste aber der nörd- lich daranschliessende Park Viletta di Negro ist.
Die Stadt verfügt über vier Theater, deren grösstes Carlo Felice zu den bedeutendsten von Italien zählt.
Unregelmässig angelegt, schmiegen sich die meist engen Strassen der Stadt den Unebenheiten des Terrains an, sind daher oft steil verlaufend und durch Treppen, ja auch durch tiefe Risse über- spannende Brücken mit anderen Gassen verbunden. Viele derselben sind für Fuhrwerk gar nicht passirbar und machen zwischen den mitunter siebenstöckigen Häusern den Eindruck dunkler Felsklausen. Dafür bewahren sie in drückender Sommerhitze eine tiefere Temperatur als die breiten Verkehrsadern der Via Balbi und der anderen vor- genannten Palast-Strassen.
Indes ist die von der Börse einwärts führende Via Orefici zwar auch enge, zählt aber zu den glänzendsten Strassen der Stadt.
Das scharf ansteigende Terrain Genuas ist der Grund zur Ent- wicklung einer speciellen Architektur, nämlich der Stiegen, in einer Vollendung und Grossartigkeit, wie sie an keinem zweiten Punkte der Erde entwickelt wurde. Iu Genua findet der Architekt die unver- gleichlichen Muster des Treppenbaues.
Genua, unter 44° 24' nördl. Breite und 8° 54' östl. Länge v. Gr. (Leuchtthurm) gelegen, zählt (Ende 1888) 206.000 Einwohner. Der von der Natur gegebene Raum ist zu enge geworden für die Stadt, den Sitz eines grossen Handels.
Schon unter den Römern war Genua der bedeutendste Handels- platz Liguriens, an seinem trefflichen natürlichen Hafenbecken ver- einigten sich von Norden, Osten und Westen her drei Heerstrassen der Römer. Aber während der ganzen antiken Zeit erlangte die Stadt niemals auch nur annähernd jene Bedeutung, zu der sie im Mittel- alter der Unternehmungsgeist und die Seetüchtigkeit der Bevölkerung Liguriens, die Schlauheit seiner Staatsmänner erhoben hat.
Genua betheiligte sich von Anfang an in hervorragender Weise an den Unternehmungen der christlichen Fürsten, welche das heilige Land zu befreien suchten; es erhielt dadurch einen weiten Spielraum zur Entfaltung der eigenen Macht. Durch die grossen Transportflotten, welche die Republik ausrüstete, noch mehr aber durch die im Orient
Das Mittelmeerbecken.
Neben den humanitären und Kunstbestrebungen ist aber den Annehmlichkeiten des Lebens nicht Abbruch geschehen. Neben schönen in die herrliche Umgebung führenden Promenaden sind auch prachtvolle Gärten im Weichbilde der Stad tvorhanden, deren grösster der sehr besuchte Giardino Acquasola, der reizendste aber der nörd- lich daranschliessende Park Viletta di Negro ist.
Die Stadt verfügt über vier Theater, deren grösstes Carlo Felice zu den bedeutendsten von Italien zählt.
Unregelmässig angelegt, schmiegen sich die meist engen Strassen der Stadt den Unebenheiten des Terrains an, sind daher oft steil verlaufend und durch Treppen, ja auch durch tiefe Risse über- spannende Brücken mit anderen Gassen verbunden. Viele derselben sind für Fuhrwerk gar nicht passirbar und machen zwischen den mitunter siebenstöckigen Häusern den Eindruck dunkler Felsklausen. Dafür bewahren sie in drückender Sommerhitze eine tiefere Temperatur als die breiten Verkehrsadern der Via Balbi und der anderen vor- genannten Palast-Strassen.
Indes ist die von der Börse einwärts führende Via Orefici zwar auch enge, zählt aber zu den glänzendsten Strassen der Stadt.
Das scharf ansteigende Terrain Genuas ist der Grund zur Ent- wicklung einer speciellen Architektur, nämlich der Stiegen, in einer Vollendung und Grossartigkeit, wie sie an keinem zweiten Punkte der Erde entwickelt wurde. Iu Genua findet der Architekt die unver- gleichlichen Muster des Treppenbaues.
Genua, unter 44° 24′ nördl. Breite und 8° 54′ östl. Länge v. Gr. (Leuchtthurm) gelegen, zählt (Ende 1888) 206.000 Einwohner. Der von der Natur gegebene Raum ist zu enge geworden für die Stadt, den Sitz eines grossen Handels.
Schon unter den Römern war Genua der bedeutendste Handels- platz Liguriens, an seinem trefflichen natürlichen Hafenbecken ver- einigten sich von Norden, Osten und Westen her drei Heerstrassen der Römer. Aber während der ganzen antiken Zeit erlangte die Stadt niemals auch nur annähernd jene Bedeutung, zu der sie im Mittel- alter der Unternehmungsgeist und die Seetüchtigkeit der Bevölkerung Liguriens, die Schlauheit seiner Staatsmänner erhoben hat.
Genua betheiligte sich von Anfang an in hervorragender Weise an den Unternehmungen der christlichen Fürsten, welche das heilige Land zu befreien suchten; es erhielt dadurch einen weiten Spielraum zur Entfaltung der eigenen Macht. Durch die grossen Transportflotten, welche die Republik ausrüstete, noch mehr aber durch die im Orient
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Das Mittelmeerbecken.
Neben den humanitären und Kunstbestrebungen ist aber den
Annehmlichkeiten des Lebens nicht Abbruch geschehen. Neben
schönen in die herrliche Umgebung führenden Promenaden sind auch
prachtvolle Gärten im Weichbilde der Stad tvorhanden, deren grösster
der sehr besuchte Giardino Acquasola, der reizendste aber der nörd-
lich daranschliessende Park Viletta di Negro ist.
Die Stadt verfügt über vier Theater, deren grösstes Carlo Felice
zu den bedeutendsten von Italien zählt.
Unregelmässig angelegt, schmiegen sich die meist engen Strassen
der Stadt den Unebenheiten des Terrains an, sind daher oft steil
verlaufend und durch Treppen, ja auch durch tiefe Risse über-
spannende Brücken mit anderen Gassen verbunden. Viele derselben
sind für Fuhrwerk gar nicht passirbar und machen zwischen den
mitunter siebenstöckigen Häusern den Eindruck dunkler Felsklausen.
Dafür bewahren sie in drückender Sommerhitze eine tiefere Temperatur
als die breiten Verkehrsadern der Via Balbi und der anderen vor-
genannten Palast-Strassen.
Indes ist die von der Börse einwärts führende Via Orefici zwar
auch enge, zählt aber zu den glänzendsten Strassen der Stadt.
Das scharf ansteigende Terrain Genuas ist der Grund zur Ent-
wicklung einer speciellen Architektur, nämlich der Stiegen, in einer
Vollendung und Grossartigkeit, wie sie an keinem zweiten Punkte der
Erde entwickelt wurde. Iu Genua findet der Architekt die unver-
gleichlichen Muster des Treppenbaues.
Genua, unter 44° 24′ nördl. Breite und 8° 54′ östl. Länge v. Gr.
(Leuchtthurm) gelegen, zählt (Ende 1888) 206.000 Einwohner. Der
von der Natur gegebene Raum ist zu enge geworden für die Stadt,
den Sitz eines grossen Handels.
Schon unter den Römern war Genua der bedeutendste Handels-
platz Liguriens, an seinem trefflichen natürlichen Hafenbecken ver-
einigten sich von Norden, Osten und Westen her drei Heerstrassen
der Römer. Aber während der ganzen antiken Zeit erlangte die Stadt
niemals auch nur annähernd jene Bedeutung, zu der sie im Mittel-
alter der Unternehmungsgeist und die Seetüchtigkeit der Bevölkerung
Liguriens, die Schlauheit seiner Staatsmänner erhoben hat.
Genua betheiligte sich von Anfang an in hervorragender Weise
an den Unternehmungen der christlichen Fürsten, welche das heilige
Land zu befreien suchten; es erhielt dadurch einen weiten Spielraum
zur Entfaltung der eigenen Macht. Durch die grossen Transportflotten,
welche die Republik ausrüstete, noch mehr aber durch die im Orient
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/390>, abgerufen am 24.11.2024.
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