angeknüpften Handelsbeziehungen gelangte sie zu Reichthum und er- richtete in Beirut, auf Cypern und Majorca, sowie in Tripolis und Tunis Niederlassungen.
Das Bündniss der Genuesen mit Michael Palaelogus zum Sturze des lateinischen Kaiserthums vom Jahre 1261 war ein Meisterzug des damaligen Podesta Martino di Fano und des Capitano del Popolo Guglielmo Boccanegra und erhob mit einem Schlage Genua zum ersten Handelsstaate in der Levante. Als Dank für ihre Hilfe gegen die Venetianer erlangten die Genuesen nicht nur Besitzungen in der Levante, sondern was weit werthvoller war, die Freiheit von allen Abgaben bei Einfuhr und Ausfuhr, bei Kauf und Verkauf; nur mit Salz und Mastix durften sie im griechischen Reiche nicht handeln. Sie erhielten am östlichen Ufer des goldenen Hornes 1267 Galata als Wohnsitz angewiesen. Dort wurden sie von einem eigenen Podesta gerichtet und der Handel ihrer stark befestigten Gemeinde übertraf bald den Constantinopels um das Zehnfache, und um die Mitte des XIV. Jahr- hunderts bezog Constantinopel sein Getreide nur von den Genuesen, welche den Ausgang des Bosporus durch ein Castell versperren konnten. Wir müssen noch heute dem kaufmännischen Geiste der Genuesen unsere Bewunderung zollen, welche bemüht waren, den indischen Handel über Byzanz zu leiten.
Ihre Schiffe befuhren das Kaspische Meer, ihre Kaufleute lenkten den persischen Handel nach Trapezunt und entsandten 1291 eine Handels-Expedition nach Indien. Die Vermittlung des Handels zwischen Syrien-Egypten und dem südlichen Kleinasien blieb noch lange nach den Kreuzzügen in ihren Händen. Aber die Eroberung Constantinopels durch die Türken 1453 brach mit einemmale die Handelsstellung von Genua. Die Stadt war, ungleich Venedig, damals schon lange nicht mehr ein in der Politik wichtiger Factor; unaufhörliche Parteikämpfe zwischen dem Adel und den Popularen hatten die Macht Genuas ge- lähmt. Man suchte sich dadurch zu helfen, dass man, wie in vielen lombardischen Städten, die höchste Würde im Staate des Oefteren Ausländern übertrug, zur Ergänzung des Grossen Rathes aus 90 Namen 5 ausloste, und später an die Stelle der Namen einfach Ziffern setzte. Gleich von Anfang an wurden zahlreiche Wetten auf die Candidaten abgeschlossen. Dies ist der Ursprung des genuesischen Zahlenlottos, welches im XVIII. Jahrhundert in den meisten Staaten Europas ein- geführt war, um die Einnahmen zu erhöhen.
Aber selbst bei diesen politischen Kämpfen verleugnete sich nicht der kaufmännische Geist der Genuesen, die finanziellen Angelegen-
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Genua.
angeknüpften Handelsbeziehungen gelangte sie zu Reichthum und er- richtete in Beirut, auf Cypern und Majorca, sowie in Tripolis und Tunis Niederlassungen.
Das Bündniss der Genuesen mit Michael Palaelogus zum Sturze des lateinischen Kaiserthums vom Jahre 1261 war ein Meisterzug des damaligen Podestà Martino di Fano und des Capitano del Popolo Guglielmo Boccanegra und erhob mit einem Schlage Genua zum ersten Handelsstaate in der Levante. Als Dank für ihre Hilfe gegen die Venetianer erlangten die Genuesen nicht nur Besitzungen in der Levante, sondern was weit werthvoller war, die Freiheit von allen Abgaben bei Einfuhr und Ausfuhr, bei Kauf und Verkauf; nur mit Salz und Mastix durften sie im griechischen Reiche nicht handeln. Sie erhielten am östlichen Ufer des goldenen Hornes 1267 Galata als Wohnsitz angewiesen. Dort wurden sie von einem eigenen Podestà gerichtet und der Handel ihrer stark befestigten Gemeinde übertraf bald den Constantinopels um das Zehnfache, und um die Mitte des XIV. Jahr- hunderts bezog Constantinopel sein Getreide nur von den Genuesen, welche den Ausgang des Bosporus durch ein Castell versperren konnten. Wir müssen noch heute dem kaufmännischen Geiste der Genuesen unsere Bewunderung zollen, welche bemüht waren, den indischen Handel über Byzanz zu leiten.
Ihre Schiffe befuhren das Kaspische Meer, ihre Kaufleute lenkten den persischen Handel nach Trapezunt und entsandten 1291 eine Handels-Expedition nach Indien. Die Vermittlung des Handels zwischen Syrien-Egypten und dem südlichen Kleinasien blieb noch lange nach den Kreuzzügen in ihren Händen. Aber die Eroberung Constantinopels durch die Türken 1453 brach mit einemmale die Handelsstellung von Genua. Die Stadt war, ungleich Venedig, damals schon lange nicht mehr ein in der Politik wichtiger Factor; unaufhörliche Parteikämpfe zwischen dem Adel und den Popularen hatten die Macht Genuas ge- lähmt. Man suchte sich dadurch zu helfen, dass man, wie in vielen lombardischen Städten, die höchste Würde im Staate des Oefteren Ausländern übertrug, zur Ergänzung des Grossen Rathes aus 90 Namen 5 ausloste, und später an die Stelle der Namen einfach Ziffern setzte. Gleich von Anfang an wurden zahlreiche Wetten auf die Candidaten abgeschlossen. Dies ist der Ursprung des genuesischen Zahlenlottos, welches im XVIII. Jahrhundert in den meisten Staaten Europas ein- geführt war, um die Einnahmen zu erhöhen.
Aber selbst bei diesen politischen Kämpfen verleugnete sich nicht der kaufmännische Geist der Genuesen, die finanziellen Angelegen-
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Genua.
angeknüpften Handelsbeziehungen gelangte sie zu Reichthum und er-
richtete in Beirut, auf Cypern und Majorca, sowie in Tripolis und
Tunis Niederlassungen.
Das Bündniss der Genuesen mit Michael Palaelogus zum Sturze
des lateinischen Kaiserthums vom Jahre 1261 war ein Meisterzug
des damaligen Podestà Martino di Fano und des Capitano del Popolo
Guglielmo Boccanegra und erhob mit einem Schlage Genua zum ersten
Handelsstaate in der Levante. Als Dank für ihre Hilfe gegen die
Venetianer erlangten die Genuesen nicht nur Besitzungen in der Levante,
sondern was weit werthvoller war, die Freiheit von allen Abgaben
bei Einfuhr und Ausfuhr, bei Kauf und Verkauf; nur mit Salz und
Mastix durften sie im griechischen Reiche nicht handeln. Sie erhielten
am östlichen Ufer des goldenen Hornes 1267 Galata als Wohnsitz
angewiesen. Dort wurden sie von einem eigenen Podestà gerichtet
und der Handel ihrer stark befestigten Gemeinde übertraf bald den
Constantinopels um das Zehnfache, und um die Mitte des XIV. Jahr-
hunderts bezog Constantinopel sein Getreide nur von den Genuesen,
welche den Ausgang des Bosporus durch ein Castell versperren
konnten. Wir müssen noch heute dem kaufmännischen Geiste der
Genuesen unsere Bewunderung zollen, welche bemüht waren, den
indischen Handel über Byzanz zu leiten.
Ihre Schiffe befuhren das Kaspische Meer, ihre Kaufleute lenkten
den persischen Handel nach Trapezunt und entsandten 1291 eine
Handels-Expedition nach Indien. Die Vermittlung des Handels zwischen
Syrien-Egypten und dem südlichen Kleinasien blieb noch lange nach den
Kreuzzügen in ihren Händen. Aber die Eroberung Constantinopels
durch die Türken 1453 brach mit einemmale die Handelsstellung von
Genua. Die Stadt war, ungleich Venedig, damals schon lange nicht
mehr ein in der Politik wichtiger Factor; unaufhörliche Parteikämpfe
zwischen dem Adel und den Popularen hatten die Macht Genuas ge-
lähmt. Man suchte sich dadurch zu helfen, dass man, wie in vielen
lombardischen Städten, die höchste Würde im Staate des Oefteren
Ausländern übertrug, zur Ergänzung des Grossen Rathes aus 90 Namen
5 ausloste, und später an die Stelle der Namen einfach Ziffern setzte.
Gleich von Anfang an wurden zahlreiche Wetten auf die Candidaten
abgeschlossen. Dies ist der Ursprung des genuesischen Zahlenlottos,
welches im XVIII. Jahrhundert in den meisten Staaten Europas ein-
geführt war, um die Einnahmen zu erhöhen.
Aber selbst bei diesen politischen Kämpfen verleugnete sich nicht
der kaufmännische Geist der Genuesen, die finanziellen Angelegen-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/391>, abgerufen am 23.11.2024.
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