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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
förderung derselben nach dem Innern auf der einzigen und ziemlich
steilen Linie über den Pass von Giovi nicht mehr bewältigen konnte.
Der Bau eines neuen Apenninenüberganges, der "Hilfslinie des Giovi-
Passes" (Succursale di Giovi), wurde 1883 begonnen und 1888 vollendet.
Dadurch ist, wie Scherzer schreibt, "ein wesentliches Hinderniss für die
Ausdehnung des Gotthardbahnverkehrs gegen das Mittelmeer beseitigt
und ein neuer wichtiger Factor für den Aufschwung des Hafens von
Genua sowie des italienischen Handels überhaupt geschaffen".

Die Schwierigkeiten, welche bei diesem Bahnbau zu überwinden waren,
charakterisiren deutlich die Lage Genuas, dem die Eisenbahnlinien sich nur durch
Tunnels nähern können.

Die 22.896 m lange Hilfslinie, welche von den alten Stationen von Ronco
im Scriviathale auf der Nordseite und von Rivarolo, der nächsten Station hinter
Sampierdarena von Genua aus, im Thale der Polcevera auf der Südseite des
Apenninenkammes abzweigt, hat über 80 Millionen Lire gekostet, weil nebst dem
8297 m langen Roncotunnel zwei in Curven liegende Brücken über die Polcevera
und die Torbella sowie eine sehr grosse Zahl von Viaducten von theilweise un-
gewöhnlicher Höhe und Länge erbaut werden mussten, wie z. B. der Viaduct Verde,
welches gewaltige Mauerwerk mit doppelter Bogenreihe bis zu 55·9 m über der
Thalsohle sich erhebt, oder der lange Viaduct von Feglino mit 25 Oeffnungen von
je 10 m Lichtweite.

Sollte das Project der auf 95 Millionen Lire veranschlagten
Durchbohrung des Simplon zur Ausführung kommen, so hätte Genua
für seine Verbindung mit Mitteleuropa erreicht, was zu erreichen ist.

Gleichen Schritt mit dem Ausbau der Landverbindungen Genuas
hielt die Vermehrung der von dort ausgehenden Schiffahrtslinien. Die
Gründung der Gesellschaft Florio im Jahre 1872, aus deren Vereini-
gung mit der Gesellschaft Rubattino (Sitz Palermo) 1884 die grosse
Navigazione Generale Italiana hervorging, und 1886 die Wahl Genuas
an Stelle von Triest als Anlaufstation der ostasiatischen und austra-
lischen Linie des Norddeutschen Lloyd sind die wichtigsten Momente
der Geschichte der Schiffahrt von Genua in den letzten Jahrzehnten.

Fügen wir noch hinzu, dass Genua auch ein wichtiger Hafen für
die Auswanderung nach Südamerika geworden, so ist es klar, dass
den neuen grossen Ansprüchen die alten Anlageplätze nicht genügen
konnten, ja öfter wurden die in Ausführung begriffenen Erweiterungs-
bauten von dem neuerdings gestiegenen Verkehre überholt.

Auch die Eisenbahnlinien mussten vervollständigt werden. Man
verband den Ostbahnhof mit dem Westbahnhof durch einen gross-
artigen Tunnel, welcher die ganze Stadt in weitem Bogen umspannt.
Der Tunnel zweigt unterirdisch mit einem Arm zur Hafenstation ab.

Jetzt fehlt noch eine Verbindung der im Westen gelegenen Quais

Das Mittelmeerbecken.
förderung derselben nach dem Innern auf der einzigen und ziemlich
steilen Linie über den Pass von Giovi nicht mehr bewältigen konnte.
Der Bau eines neuen Apenninenüberganges, der „Hilfslinie des Giovi-
Passes“ (Succursale di Giovi), wurde 1883 begonnen und 1888 vollendet.
Dadurch ist, wie Scherzer schreibt, „ein wesentliches Hinderniss für die
Ausdehnung des Gotthardbahnverkehrs gegen das Mittelmeer beseitigt
und ein neuer wichtiger Factor für den Aufschwung des Hafens von
Genua sowie des italienischen Handels überhaupt geschaffen“.

Die Schwierigkeiten, welche bei diesem Bahnbau zu überwinden waren,
charakterisiren deutlich die Lage Genuas, dem die Eisenbahnlinien sich nur durch
Tunnels nähern können.

Die 22.896 m lange Hilfslinie, welche von den alten Stationen von Ronco
im Scriviathale auf der Nordseite und von Rivarolo, der nächsten Station hinter
Sampierdarena von Genua aus, im Thale der Polcevera auf der Südseite des
Apenninenkammes abzweigt, hat über 80 Millionen Lire gekostet, weil nebst dem
8297 m langen Roncotunnel zwei in Curven liegende Brücken über die Polcevera
und die Torbella sowie eine sehr grosse Zahl von Viaducten von theilweise un-
gewöhnlicher Höhe und Länge erbaut werden mussten, wie z. B. der Viaduct Verde,
welches gewaltige Mauerwerk mit doppelter Bogenreihe bis zu 55·9 m über der
Thalsohle sich erhebt, oder der lange Viaduct von Feglino mit 25 Oeffnungen von
je 10 m Lichtweite.

Sollte das Project der auf 95 Millionen Lire veranschlagten
Durchbohrung des Simplon zur Ausführung kommen, so hätte Genua
für seine Verbindung mit Mitteleuropa erreicht, was zu erreichen ist.

Gleichen Schritt mit dem Ausbau der Landverbindungen Genuas
hielt die Vermehrung der von dort ausgehenden Schiffahrtslinien. Die
Gründung der Gesellschaft Florio im Jahre 1872, aus deren Vereini-
gung mit der Gesellschaft Rubattino (Sitz Palermo) 1884 die grosse
Navigazione Generale Italiana hervorging, und 1886 die Wahl Genuas
an Stelle von Triest als Anlaufstation der ostasiatischen und austra-
lischen Linie des Norddeutschen Lloyd sind die wichtigsten Momente
der Geschichte der Schiffahrt von Genua in den letzten Jahrzehnten.

Fügen wir noch hinzu, dass Genua auch ein wichtiger Hafen für
die Auswanderung nach Südamerika geworden, so ist es klar, dass
den neuen grossen Ansprüchen die alten Anlageplätze nicht genügen
konnten, ja öfter wurden die in Ausführung begriffenen Erweiterungs-
bauten von dem neuerdings gestiegenen Verkehre überholt.

Auch die Eisenbahnlinien mussten vervollständigt werden. Man
verband den Ostbahnhof mit dem Westbahnhof durch einen gross-
artigen Tunnel, welcher die ganze Stadt in weitem Bogen umspannt.
Der Tunnel zweigt unterirdisch mit einem Arm zur Hafenstation ab.

Jetzt fehlt noch eine Verbindung der im Westen gelegenen Quais

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[374/0394] Das Mittelmeerbecken. förderung derselben nach dem Innern auf der einzigen und ziemlich steilen Linie über den Pass von Giovi nicht mehr bewältigen konnte. Der Bau eines neuen Apenninenüberganges, der „Hilfslinie des Giovi- Passes“ (Succursale di Giovi), wurde 1883 begonnen und 1888 vollendet. Dadurch ist, wie Scherzer schreibt, „ein wesentliches Hinderniss für die Ausdehnung des Gotthardbahnverkehrs gegen das Mittelmeer beseitigt und ein neuer wichtiger Factor für den Aufschwung des Hafens von Genua sowie des italienischen Handels überhaupt geschaffen“. Die Schwierigkeiten, welche bei diesem Bahnbau zu überwinden waren, charakterisiren deutlich die Lage Genuas, dem die Eisenbahnlinien sich nur durch Tunnels nähern können. Die 22.896 m lange Hilfslinie, welche von den alten Stationen von Ronco im Scriviathale auf der Nordseite und von Rivarolo, der nächsten Station hinter Sampierdarena von Genua aus, im Thale der Polcevera auf der Südseite des Apenninenkammes abzweigt, hat über 80 Millionen Lire gekostet, weil nebst dem 8297 m langen Roncotunnel zwei in Curven liegende Brücken über die Polcevera und die Torbella sowie eine sehr grosse Zahl von Viaducten von theilweise un- gewöhnlicher Höhe und Länge erbaut werden mussten, wie z. B. der Viaduct Verde, welches gewaltige Mauerwerk mit doppelter Bogenreihe bis zu 55·9 m über der Thalsohle sich erhebt, oder der lange Viaduct von Feglino mit 25 Oeffnungen von je 10 m Lichtweite. Sollte das Project der auf 95 Millionen Lire veranschlagten Durchbohrung des Simplon zur Ausführung kommen, so hätte Genua für seine Verbindung mit Mitteleuropa erreicht, was zu erreichen ist. Gleichen Schritt mit dem Ausbau der Landverbindungen Genuas hielt die Vermehrung der von dort ausgehenden Schiffahrtslinien. Die Gründung der Gesellschaft Florio im Jahre 1872, aus deren Vereini- gung mit der Gesellschaft Rubattino (Sitz Palermo) 1884 die grosse Navigazione Generale Italiana hervorging, und 1886 die Wahl Genuas an Stelle von Triest als Anlaufstation der ostasiatischen und austra- lischen Linie des Norddeutschen Lloyd sind die wichtigsten Momente der Geschichte der Schiffahrt von Genua in den letzten Jahrzehnten. Fügen wir noch hinzu, dass Genua auch ein wichtiger Hafen für die Auswanderung nach Südamerika geworden, so ist es klar, dass den neuen grossen Ansprüchen die alten Anlageplätze nicht genügen konnten, ja öfter wurden die in Ausführung begriffenen Erweiterungs- bauten von dem neuerdings gestiegenen Verkehre überholt. Auch die Eisenbahnlinien mussten vervollständigt werden. Man verband den Ostbahnhof mit dem Westbahnhof durch einen gross- artigen Tunnel, welcher die ganze Stadt in weitem Bogen umspannt. Der Tunnel zweigt unterirdisch mit einem Arm zur Hafenstation ab. Jetzt fehlt noch eine Verbindung der im Westen gelegenen Quais

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/394>, abgerufen am 23.11.2024.