zur Unsterblichkeit gelangte Figaro, der Barbier von Sevilla, seines heiteren Amtes gewaltet haben. Leider hat Figaro zum Verdrusse der Fremden an jener Stelle keinen Nachfolger gefunden.
Ein Gebäude von kunstvoller Architektonik ist das an der Ost- seite der Kathedrale (1697) erbaute erzbischöfliche Palais. Alle er- wähnten Bauten übertrifft aber an Ausdehnung der berühmte Alcazar, das einstige Schloss der maurischen Könige von Sevilla. Diese Resi- denz -- al Kasr, Haus des Cäsar -- erhebt sich an derselben Stelle, wo einstens der Palast des römischen Prätors stand. Obgleich seit dem X. Jahrhundert wiederholt umgebaut und mit verschiedenen Stylarten angehörenden Zuthaten versehen, ist der Alcazar mit seinen reichbewegten Umrissen, seinem prächtigen architektonischen Schmuck und den seltsamen Cinquecentogärten dennoch ein Bauwerk von hoher Bedeutung und erinnert in vielen seiner Theile an die berühmte Al- hambra von Granada.
Peter der Grausame war es, welcher durch maurische Arbeiter die bewunderungswürdigen Motive dieser grandiosen Königsburg nach Sevilla verpflanzte.
All die herrlichen Bauten, deren wir bisher gedachten, sind denk- würdige Monumente eines geistigen Aufwandes von ungewöhnlicher Aus- dehnung und Dauer und sie rechtfertigen das volksthümliche Sprichwort:
"Quien no ha visto a Sevilla No ha visto maravilla."
(Wer Sevilla nicht sah, Hat kein Wunderding gesehen.)
Wie die nächste Umgebung der Kathedrale an den Kunstsinn weit entfernter Zeitepochen erinnert, so knüpft sich an diese Gegend auch das Gedenken an eine der grössten Verirrungen des Menschen- geschlechtes, mit welchen der Fanatismus des Glaubens die Mensch- heit Jahrhunderte hindurch zu geisseln wusste -- die erschütternde Tragödie des Autodafe! Ausserhalb der Porta S. Fernando lag der grauenvolle Quemadero, der Platz, auf dem die Märtyrer der Inqui- sition den Feuertod erlitten. Die Steinplattform, welche einstens die lodernden Scheiterhaufen trug, ist noch heute sichtbar.
Zu den grössten Gebäuden von Sevilla zählt die bei der letzt- genannten Porta liegende Tabakfabrik, welche 1757 erbaut, nicht weniger als 28 Höfe besitzt und 5000 Frauen und Mädchen be- schäftigt. Hier soll jährlich über eine Million Kilogramm Tabak zu Cigarren, Cigaretten und Schnupftabak verarbeitet werden. Von letzterem gelangte der Spaniol zur Berühmtheit.
Der atlantische Ocean.
zur Unsterblichkeit gelangte Figaro, der Barbier von Sevilla, seines heiteren Amtes gewaltet haben. Leider hat Figaro zum Verdrusse der Fremden an jener Stelle keinen Nachfolger gefunden.
Ein Gebäude von kunstvoller Architektonik ist das an der Ost- seite der Kathedrale (1697) erbaute erzbischöfliche Palais. Alle er- wähnten Bauten übertrifft aber an Ausdehnung der berühmte Alcazar, das einstige Schloss der maurischen Könige von Sevilla. Diese Resi- denz — al Kasr, Haus des Cäsar — erhebt sich an derselben Stelle, wo einstens der Palast des römischen Prätors stand. Obgleich seit dem X. Jahrhundert wiederholt umgebaut und mit verschiedenen Stylarten angehörenden Zuthaten versehen, ist der Alcazar mit seinen reichbewegten Umrissen, seinem prächtigen architektonischen Schmuck und den seltsamen Cinquecentogärten dennoch ein Bauwerk von hoher Bedeutung und erinnert in vielen seiner Theile an die berühmte Al- hambra von Granada.
Peter der Grausame war es, welcher durch maurische Arbeiter die bewunderungswürdigen Motive dieser grandiosen Königsburg nach Sevilla verpflanzte.
All die herrlichen Bauten, deren wir bisher gedachten, sind denk- würdige Monumente eines geistigen Aufwandes von ungewöhnlicher Aus- dehnung und Dauer und sie rechtfertigen das volksthümliche Sprichwort:
„Quien no ha visto á Sevilla No ha visto maravilla.“
(Wer Sevilla nicht sah, Hat kein Wunderding gesehen.)
Wie die nächste Umgebung der Kathedrale an den Kunstsinn weit entfernter Zeitepochen erinnert, so knüpft sich an diese Gegend auch das Gedenken an eine der grössten Verirrungen des Menschen- geschlechtes, mit welchen der Fanatismus des Glaubens die Mensch- heit Jahrhunderte hindurch zu geisseln wusste — die erschütternde Tragödie des Autodafé! Ausserhalb der Porta S. Fernando lag der grauenvolle Quemadero, der Platz, auf dem die Märtyrer der Inqui- sition den Feuertod erlitten. Die Steinplattform, welche einstens die lodernden Scheiterhaufen trug, ist noch heute sichtbar.
Zu den grössten Gebäuden von Sevilla zählt die bei der letzt- genannten Porta liegende Tabakfabrik, welche 1757 erbaut, nicht weniger als 28 Höfe besitzt und 5000 Frauen und Mädchen be- schäftigt. Hier soll jährlich über eine Million Kilogramm Tabak zu Cigarren, Cigaretten und Schnupftabak verarbeitet werden. Von letzterem gelangte der Spaniol zur Berühmtheit.
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Fremden an jener Stelle keinen Nachfolger gefunden.
Ein Gebäude von kunstvoller Architektonik ist das an der Ost-
seite der Kathedrale (1697) erbaute erzbischöfliche Palais. Alle er-
wähnten Bauten übertrifft aber an Ausdehnung der berühmte Alcazar,
das einstige Schloss der maurischen Könige von Sevilla. Diese Resi-
denz — al Kasr, Haus des Cäsar — erhebt sich an derselben Stelle,
wo einstens der Palast des römischen Prätors stand. Obgleich seit
dem X. Jahrhundert wiederholt umgebaut und mit verschiedenen
Stylarten angehörenden Zuthaten versehen, ist der Alcazar mit seinen
reichbewegten Umrissen, seinem prächtigen architektonischen Schmuck
und den seltsamen Cinquecentogärten dennoch ein Bauwerk von hoher
Bedeutung und erinnert in vielen seiner Theile an die berühmte Al-
hambra von Granada.
Peter der Grausame war es, welcher durch maurische Arbeiter
die bewunderungswürdigen Motive dieser grandiosen Königsburg nach
Sevilla verpflanzte.
All die herrlichen Bauten, deren wir bisher gedachten, sind denk-
würdige Monumente eines geistigen Aufwandes von ungewöhnlicher Aus-
dehnung und Dauer und sie rechtfertigen das volksthümliche Sprichwort:
„Quien no ha visto á Sevilla
No ha visto maravilla.“
(Wer Sevilla nicht sah,
Hat kein Wunderding gesehen.)
Wie die nächste Umgebung der Kathedrale an den Kunstsinn
weit entfernter Zeitepochen erinnert, so knüpft sich an diese Gegend
auch das Gedenken an eine der grössten Verirrungen des Menschen-
geschlechtes, mit welchen der Fanatismus des Glaubens die Mensch-
heit Jahrhunderte hindurch zu geisseln wusste — die erschütternde
Tragödie des Autodafé! Ausserhalb der Porta S. Fernando lag der
grauenvolle Quemadero, der Platz, auf dem die Märtyrer der Inqui-
sition den Feuertod erlitten. Die Steinplattform, welche einstens die
lodernden Scheiterhaufen trug, ist noch heute sichtbar.
Zu den grössten Gebäuden von Sevilla zählt die bei der letzt-
genannten Porta liegende Tabakfabrik, welche 1757 erbaut, nicht
weniger als 28 Höfe besitzt und 5000 Frauen und Mädchen be-
schäftigt. Hier soll jährlich über eine Million Kilogramm Tabak zu
Cigarren, Cigaretten und Schnupftabak verarbeitet werden. Von
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/536>, abgerufen am 22.11.2024.
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