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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
zeit ist das ganze weitausgedehnte Lagunengebiet in einen grossen
See verwandelt, dessen ruhige Fläche Venedig, seine Vorstädte sowie
die zahlreichen in der Umgebung zerstreut liegenden Klöster, Kirchen
und andere Baulichkeiten als Inseln und Eilande höchst malerisch
beleben; den Lauf der zahlreichen Canäle markiren aber dunkle oft
seltsam gruppirte Holzpfähle, die eine auffallende Charakteristik des
fesselnden Lagunengebildes sind. Bei Ebbe erscheinen hingegen die
trockengelegten, von den Wasserstrassen durchzogenen Sandbänke des
Lagunenplanes (Paludi) als dunkelbraun gefärbte Flächen.

Seit den ältesten Zeiten waren die Venetianer bemüht, das La-
gunengebiet nicht nur gegen die äusseren Sturmfluten zu schützen,
sondern auch die Versandung durch die einmündenden Flüsse abzu-
wenden. Grossartige Canalbauten, wie jene der Brenta, des Bachilione,
Sile u. a., dann eine Anzahl von Schleusenwerken bezweckten die
Ableitung der Hochwässer zu ausserhalb der Lagunen gelegenen
Punkten.

Mit der Canalisation gewann die Republik natürliche Verbindungs-
wege für ihren Handel mit fast allen Provinzen von Oberitalien, wo-
durch in jener sonst so wegearmen Zeit die rasche Ausdehnung und
das Gedeihen seines Handels mit dem Binnenlande erklärt werden kann.

Die Lagunen füllten im Leben der Republik eine ganz besondere
Stellung aus, sie gehörten überhaupt zum Weichbilde der Hauptstadt,
denn auf den Lidi und den anderen Inseln, wie in Venedig selbst
wussten die weitblickenden Lenker des Dogenstaates die grösstmög-
liche Bevölkerung, Reichthum und Behaglichkeit zu vereinigen.

Dorthin strömten die Handelsschätze aus dem reichen Oriente,
und es entstanden in gegenwärtig fast verödeten Orten, wie Oriago,
Mestre, Compalto, Porto Buffoledo, Porto Gruario, bedeutende Stapel-
plätze, wohin Schiffe aller Nationen kamen. So häuften sich fabel-
hafte Reichthümer zu einer Zeit, in der Europa noch in tiefe Barbarei
versunken war, in der Dogenstadt an.

Die äussere Handelspolitik Venedigs bezweckte, die fremden
Völker in ein Abhängigkeitsverhältniss zu drängen. Ein besonderes
Pressionsmittel bildete bis zum Jahre 1500 der Salzhandel. Das in
den strenge bewachten Salinen von Comacchio und Cervia gewonnene
Salz durfte nur dorthin ausgeführt werden, wohin der Senat es be-
stimmte. In ihrem Bestreben, durch den Salzbesitz dominirend aufzu-
treten, vermochten die Venetianer 1381 die Ungarn zur Schliessung
der Salzbergwerke in Croatien gegen eine Entschädigung von jährlich
7000 Goldducaten zu bewegen, und ähnlich verfuhren sie im Frieden

Das Mittelmeerbecken.
zeit ist das ganze weitausgedehnte Lagunengebiet in einen grossen
See verwandelt, dessen ruhige Fläche Venedig, seine Vorstädte sowie
die zahlreichen in der Umgebung zerstreut liegenden Klöster, Kirchen
und andere Baulichkeiten als Inseln und Eilande höchst malerisch
beleben; den Lauf der zahlreichen Canäle markiren aber dunkle oft
seltsam gruppirte Holzpfähle, die eine auffallende Charakteristik des
fesselnden Lagunengebildes sind. Bei Ebbe erscheinen hingegen die
trockengelegten, von den Wasserstrassen durchzogenen Sandbänke des
Lagunenplanes (Paludi) als dunkelbraun gefärbte Flächen.

Seit den ältesten Zeiten waren die Venetianer bemüht, das La-
gunengebiet nicht nur gegen die äusseren Sturmfluten zu schützen,
sondern auch die Versandung durch die einmündenden Flüsse abzu-
wenden. Grossartige Canalbauten, wie jene der Brenta, des Bachilione,
Sile u. a., dann eine Anzahl von Schleusenwerken bezweckten die
Ableitung der Hochwässer zu ausserhalb der Lagunen gelegenen
Punkten.

Mit der Canalisation gewann die Republik natürliche Verbindungs-
wege für ihren Handel mit fast allen Provinzen von Oberitalien, wo-
durch in jener sonst so wegearmen Zeit die rasche Ausdehnung und
das Gedeihen seines Handels mit dem Binnenlande erklärt werden kann.

Die Lagunen füllten im Leben der Republik eine ganz besondere
Stellung aus, sie gehörten überhaupt zum Weichbilde der Hauptstadt,
denn auf den Lidi und den anderen Inseln, wie in Venedig selbst
wussten die weitblickenden Lenker des Dogenstaates die grösstmög-
liche Bevölkerung, Reichthum und Behaglichkeit zu vereinigen.

Dorthin strömten die Handelsschätze aus dem reichen Oriente,
und es entstanden in gegenwärtig fast verödeten Orten, wie Oriago,
Mestre, Compalto, Porto Buffoledo, Porto Gruario, bedeutende Stapel-
plätze, wohin Schiffe aller Nationen kamen. So häuften sich fabel-
hafte Reichthümer zu einer Zeit, in der Europa noch in tiefe Barbarei
versunken war, in der Dogenstadt an.

Die äussere Handelspolitik Venedigs bezweckte, die fremden
Völker in ein Abhängigkeitsverhältniss zu drängen. Ein besonderes
Pressionsmittel bildete bis zum Jahre 1500 der Salzhandel. Das in
den strenge bewachten Salinen von Comacchio und Cervia gewonnene
Salz durfte nur dorthin ausgeführt werden, wohin der Senat es be-
stimmte. In ihrem Bestreben, durch den Salzbesitz dominirend aufzu-
treten, vermochten die Venetianer 1381 die Ungarn zur Schliessung
der Salzbergwerke in Croatien gegen eine Entschädigung von jährlich
7000 Goldducaten zu bewegen, und ähnlich verfuhren sie im Frieden

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[36/0056] Das Mittelmeerbecken. zeit ist das ganze weitausgedehnte Lagunengebiet in einen grossen See verwandelt, dessen ruhige Fläche Venedig, seine Vorstädte sowie die zahlreichen in der Umgebung zerstreut liegenden Klöster, Kirchen und andere Baulichkeiten als Inseln und Eilande höchst malerisch beleben; den Lauf der zahlreichen Canäle markiren aber dunkle oft seltsam gruppirte Holzpfähle, die eine auffallende Charakteristik des fesselnden Lagunengebildes sind. Bei Ebbe erscheinen hingegen die trockengelegten, von den Wasserstrassen durchzogenen Sandbänke des Lagunenplanes (Paludi) als dunkelbraun gefärbte Flächen. Seit den ältesten Zeiten waren die Venetianer bemüht, das La- gunengebiet nicht nur gegen die äusseren Sturmfluten zu schützen, sondern auch die Versandung durch die einmündenden Flüsse abzu- wenden. Grossartige Canalbauten, wie jene der Brenta, des Bachilione, Sile u. a., dann eine Anzahl von Schleusenwerken bezweckten die Ableitung der Hochwässer zu ausserhalb der Lagunen gelegenen Punkten. Mit der Canalisation gewann die Republik natürliche Verbindungs- wege für ihren Handel mit fast allen Provinzen von Oberitalien, wo- durch in jener sonst so wegearmen Zeit die rasche Ausdehnung und das Gedeihen seines Handels mit dem Binnenlande erklärt werden kann. Die Lagunen füllten im Leben der Republik eine ganz besondere Stellung aus, sie gehörten überhaupt zum Weichbilde der Hauptstadt, denn auf den Lidi und den anderen Inseln, wie in Venedig selbst wussten die weitblickenden Lenker des Dogenstaates die grösstmög- liche Bevölkerung, Reichthum und Behaglichkeit zu vereinigen. Dorthin strömten die Handelsschätze aus dem reichen Oriente, und es entstanden in gegenwärtig fast verödeten Orten, wie Oriago, Mestre, Compalto, Porto Buffoledo, Porto Gruario, bedeutende Stapel- plätze, wohin Schiffe aller Nationen kamen. So häuften sich fabel- hafte Reichthümer zu einer Zeit, in der Europa noch in tiefe Barbarei versunken war, in der Dogenstadt an. Die äussere Handelspolitik Venedigs bezweckte, die fremden Völker in ein Abhängigkeitsverhältniss zu drängen. Ein besonderes Pressionsmittel bildete bis zum Jahre 1500 der Salzhandel. Das in den strenge bewachten Salinen von Comacchio und Cervia gewonnene Salz durfte nur dorthin ausgeführt werden, wohin der Senat es be- stimmte. In ihrem Bestreben, durch den Salzbesitz dominirend aufzu- treten, vermochten die Venetianer 1381 die Ungarn zur Schliessung der Salzbergwerke in Croatien gegen eine Entschädigung von jährlich 7000 Goldducaten zu bewegen, und ähnlich verfuhren sie im Frieden

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/56>, abgerufen am 21.11.2024.