daher nur immer zwischen Ebbe und Flut auf etwa 4 Stunden ge- öffnet bleiben und geschlossen werden müssen, wenn die Ebbe zu tief oder die Flut zu hoch wird. Die Verwüstungen, welche die Sturmfluten der Nordsee in den Kirchspielen von Brunsbüttel und Büsum anrichteten, mahnen zur Vorsicht. Zweimal schon wurden Bruns- büttel und Büsum von den heranstürmenden Hochfluten verschlungen.
Die Schleussenanlagen an den Endpunkten des Canals werden gewaltige Werke sein, welche Kammern von 360 m Länge und 60 m Breite erhalten sollen.
Auch die Schleusse bei Holtenau ist ein bedeutender Kunstbau, der im Stande sein muss, die Wassermassen einer Sturmflut abzu- halten, denn auch die Ostsee hat, wie der November 1872 besonders in Erinnerung brachte, ihre verheerenden Hochfluten. Nach den Auf- zeichnungen der Wasserstände in Holtenau wird die Schleusse dort nur etwa 25 Tage im Jahre geschlossen bleiben, so oft nämlich der Wasserstand einen halben Meter über oder unter den mittleren Wasser- stand steigt oder fällt.
Von der Grossartigkeit der Schleussen wird man sich eine Vor- stellung bilden, wenn wir erwähnen, dass zur Auf- und Ausmauerung der Schleussenkammer rund 50 Millionen Ziegel erforderlich sind.
Vor den Schleussen werden durch Dammbauten geeignete Vor- häfen gebaut.
Die Kosten des Canals sind mit 156 Millionen Mark veran- schlagt, welche der Reichstag bereits bewilligte. Hievon übernahm Preussen 50 Millionen, weil der Canal durch sein Gebiet geht.
Gegenwärtig wird auf der ganzen Linie rüstig gearbeitet, und ist Hoffnung vorhanden, den Canal, eines der grossartigsten Culturwerke des Deutschen Reiches, im Jahre 1895 zu vollenden. Den Lauf des Canals haben wir auf unserem Plane eingezeichnet.
Der Nord-Ostseecanal wird jedoch, wie so manches Verkehrsmittel, welches seine Entstehung dem Gotte Mars verdankt, auch dem Gotte Mercur dienen, denn der Canal wird die Fahrt von Kiel nach Hamburg um 425 Seemeilen, nach London aber um 239 Seemeilen abkürzen. Gegenüber den nördlichen Nordseehäfen Englands ist jedoch der Vor- theil der neuen Wasserstrasse kein erheblicher.
Es wird erwartet, dass der ganze Verkehr nach den nord- deutschen Küsten, nach Holland, Belgien und dem englischen Canal den Weg durch den Nord-Ostseecanal nehmen werde. Wir haben bereits bei Korinth und Suez erwähnt, dass ausser der Zeitersparniss auch die Verminderung des Risicos und die geringere Versicherungs-
Der atlantische Ocean.
daher nur immer zwischen Ebbe und Flut auf etwa 4 Stunden ge- öffnet bleiben und geschlossen werden müssen, wenn die Ebbe zu tief oder die Flut zu hoch wird. Die Verwüstungen, welche die Sturmfluten der Nordsee in den Kirchspielen von Brunsbüttel und Büsum anrichteten, mahnen zur Vorsicht. Zweimal schon wurden Bruns- büttel und Büsum von den heranstürmenden Hochfluten verschlungen.
Die Schleussenanlagen an den Endpunkten des Canals werden gewaltige Werke sein, welche Kammern von 360 m Länge und 60 m Breite erhalten sollen.
Auch die Schleusse bei Holtenau ist ein bedeutender Kunstbau, der im Stande sein muss, die Wassermassen einer Sturmflut abzu- halten, denn auch die Ostsee hat, wie der November 1872 besonders in Erinnerung brachte, ihre verheerenden Hochfluten. Nach den Auf- zeichnungen der Wasserstände in Holtenau wird die Schleusse dort nur etwa 25 Tage im Jahre geschlossen bleiben, so oft nämlich der Wasserstand einen halben Meter über oder unter den mittleren Wasser- stand steigt oder fällt.
Von der Grossartigkeit der Schleussen wird man sich eine Vor- stellung bilden, wenn wir erwähnen, dass zur Auf- und Ausmauerung der Schleussenkammer rund 50 Millionen Ziegel erforderlich sind.
Vor den Schleussen werden durch Dammbauten geeignete Vor- häfen gebaut.
Die Kosten des Canals sind mit 156 Millionen Mark veran- schlagt, welche der Reichstag bereits bewilligte. Hievon übernahm Preussen 50 Millionen, weil der Canal durch sein Gebiet geht.
Gegenwärtig wird auf der ganzen Linie rüstig gearbeitet, und ist Hoffnung vorhanden, den Canal, eines der grossartigsten Culturwerke des Deutschen Reiches, im Jahre 1895 zu vollenden. Den Lauf des Canals haben wir auf unserem Plane eingezeichnet.
Der Nord-Ostseecanal wird jedoch, wie so manches Verkehrsmittel, welches seine Entstehung dem Gotte Mars verdankt, auch dem Gotte Mercur dienen, denn der Canal wird die Fahrt von Kiel nach Hamburg um 425 Seemeilen, nach London aber um 239 Seemeilen abkürzen. Gegenüber den nördlichen Nordseehäfen Englands ist jedoch der Vor- theil der neuen Wasserstrasse kein erheblicher.
Es wird erwartet, dass der ganze Verkehr nach den nord- deutschen Küsten, nach Holland, Belgien und dem englischen Canal den Weg durch den Nord-Ostseecanal nehmen werde. Wir haben bereits bei Korinth und Suez erwähnt, dass ausser der Zeitersparniss auch die Verminderung des Risicos und die geringere Versicherungs-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0792"n="772"/><fwplace="top"type="header">Der atlantische Ocean.</fw><lb/>
daher nur immer zwischen Ebbe und Flut auf etwa 4 Stunden ge-<lb/>
öffnet bleiben und geschlossen werden müssen, wenn die Ebbe zu<lb/>
tief oder die Flut zu hoch wird. Die Verwüstungen, welche die<lb/>
Sturmfluten der Nordsee in den Kirchspielen von Brunsbüttel und<lb/>
Büsum anrichteten, mahnen zur Vorsicht. Zweimal schon wurden Bruns-<lb/>
büttel und Büsum von den heranstürmenden Hochfluten verschlungen.</p><lb/><p>Die Schleussenanlagen an den Endpunkten des Canals werden<lb/>
gewaltige Werke sein, welche Kammern von 360 <hirendition="#i">m</hi> Länge und 60 <hirendition="#i">m</hi><lb/>
Breite erhalten sollen.</p><lb/><p>Auch die Schleusse bei Holtenau ist ein bedeutender Kunstbau,<lb/>
der im Stande sein muss, die Wassermassen einer Sturmflut abzu-<lb/>
halten, denn auch die Ostsee hat, wie der November 1872 besonders<lb/>
in Erinnerung brachte, ihre verheerenden Hochfluten. Nach den Auf-<lb/>
zeichnungen der Wasserstände in Holtenau wird die Schleusse dort<lb/>
nur etwa 25 Tage im Jahre geschlossen bleiben, so oft nämlich der<lb/>
Wasserstand einen halben Meter über oder unter den mittleren Wasser-<lb/>
stand steigt oder fällt.</p><lb/><p>Von der Grossartigkeit der Schleussen wird man sich eine Vor-<lb/>
stellung bilden, wenn wir erwähnen, dass zur Auf- und Ausmauerung<lb/>
der Schleussenkammer rund 50 Millionen Ziegel erforderlich sind.</p><lb/><p>Vor den Schleussen werden durch Dammbauten geeignete Vor-<lb/>
häfen gebaut.</p><lb/><p>Die Kosten des Canals sind mit 156 Millionen Mark veran-<lb/>
schlagt, welche der Reichstag bereits bewilligte. Hievon übernahm<lb/>
Preussen 50 Millionen, weil der Canal durch sein Gebiet geht.</p><lb/><p>Gegenwärtig wird auf der ganzen Linie rüstig gearbeitet, und ist<lb/>
Hoffnung vorhanden, den Canal, eines der grossartigsten Culturwerke<lb/>
des Deutschen Reiches, im Jahre 1895 zu vollenden. Den Lauf des<lb/>
Canals haben wir auf unserem Plane eingezeichnet.</p><lb/><p>Der Nord-Ostseecanal wird jedoch, wie so manches Verkehrsmittel,<lb/>
welches seine Entstehung dem Gotte Mars verdankt, auch dem Gotte<lb/>
Mercur dienen, denn der Canal wird die Fahrt von Kiel nach Hamburg<lb/>
um 425 Seemeilen, nach London aber um 239 Seemeilen abkürzen.<lb/>
Gegenüber den nördlichen Nordseehäfen Englands ist jedoch der Vor-<lb/>
theil der neuen Wasserstrasse kein erheblicher.</p><lb/><p>Es wird erwartet, dass der ganze Verkehr nach den nord-<lb/>
deutschen Küsten, nach Holland, Belgien und dem englischen Canal<lb/>
den Weg durch den Nord-Ostseecanal nehmen werde. Wir haben<lb/>
bereits bei Korinth und Suez erwähnt, dass ausser der Zeitersparniss<lb/>
auch die Verminderung des Risicos und die geringere Versicherungs-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[772/0792]
Der atlantische Ocean.
daher nur immer zwischen Ebbe und Flut auf etwa 4 Stunden ge-
öffnet bleiben und geschlossen werden müssen, wenn die Ebbe zu
tief oder die Flut zu hoch wird. Die Verwüstungen, welche die
Sturmfluten der Nordsee in den Kirchspielen von Brunsbüttel und
Büsum anrichteten, mahnen zur Vorsicht. Zweimal schon wurden Bruns-
büttel und Büsum von den heranstürmenden Hochfluten verschlungen.
Die Schleussenanlagen an den Endpunkten des Canals werden
gewaltige Werke sein, welche Kammern von 360 m Länge und 60 m
Breite erhalten sollen.
Auch die Schleusse bei Holtenau ist ein bedeutender Kunstbau,
der im Stande sein muss, die Wassermassen einer Sturmflut abzu-
halten, denn auch die Ostsee hat, wie der November 1872 besonders
in Erinnerung brachte, ihre verheerenden Hochfluten. Nach den Auf-
zeichnungen der Wasserstände in Holtenau wird die Schleusse dort
nur etwa 25 Tage im Jahre geschlossen bleiben, so oft nämlich der
Wasserstand einen halben Meter über oder unter den mittleren Wasser-
stand steigt oder fällt.
Von der Grossartigkeit der Schleussen wird man sich eine Vor-
stellung bilden, wenn wir erwähnen, dass zur Auf- und Ausmauerung
der Schleussenkammer rund 50 Millionen Ziegel erforderlich sind.
Vor den Schleussen werden durch Dammbauten geeignete Vor-
häfen gebaut.
Die Kosten des Canals sind mit 156 Millionen Mark veran-
schlagt, welche der Reichstag bereits bewilligte. Hievon übernahm
Preussen 50 Millionen, weil der Canal durch sein Gebiet geht.
Gegenwärtig wird auf der ganzen Linie rüstig gearbeitet, und ist
Hoffnung vorhanden, den Canal, eines der grossartigsten Culturwerke
des Deutschen Reiches, im Jahre 1895 zu vollenden. Den Lauf des
Canals haben wir auf unserem Plane eingezeichnet.
Der Nord-Ostseecanal wird jedoch, wie so manches Verkehrsmittel,
welches seine Entstehung dem Gotte Mars verdankt, auch dem Gotte
Mercur dienen, denn der Canal wird die Fahrt von Kiel nach Hamburg
um 425 Seemeilen, nach London aber um 239 Seemeilen abkürzen.
Gegenüber den nördlichen Nordseehäfen Englands ist jedoch der Vor-
theil der neuen Wasserstrasse kein erheblicher.
Es wird erwartet, dass der ganze Verkehr nach den nord-
deutschen Küsten, nach Holland, Belgien und dem englischen Canal
den Weg durch den Nord-Ostseecanal nehmen werde. Wir haben
bereits bei Korinth und Suez erwähnt, dass ausser der Zeitersparniss
auch die Verminderung des Risicos und die geringere Versicherungs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/792>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.