Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Der atlantische Ocean.
minder der auf Amager gelegene Stadttheil Christianshavn sind be-
sonders erwähnenswerth.

Die Regelmässigkeit der Strassenzüge und die nahezu voll-
kommene Ebenheit des Terrains, auf dem die Stadt steht, ermöglichten
den bedeutenden Anforderungen des Verkehrs durch Anlage ausge-
breiteter, vielverzweigter Strassenbahnen volle Rechnung zu tragen.

Kopenhagen ist sehr reich an hervorragenden Bauten, die theils
durch architektonischen, theils durch historischen Werth und nicht
zumindest durch die Reichhaltigkeit der Kunstschätze, die sie bergen,
ein bedeutendes Interesse wachrufen.

Christiansborg, auf der von Canälen umfangenen Schlossinsel
von Christian VI. an Stelle des alten Residenzschlosses erbaut und
nach Zerstörung durch eine Feuersbrunst im Jahre 1794 erneuert herge-
stellt, wurde, wie noch erinnerlich, am 3. October 1884 abermals ein
Raub der Flammen.

Die Brandruine mit den fünf Stockwerke aufweisenden Fronten,
den das Mittelgiebelfeld tragenden Pilastern an der Hauptfacade und
der von 36 dorischen Säulen gebildeten Colonnade an der Rückfront
zeigen die grossen Verhältnisse, in denen das Schloss gehalten, und
die aussergewöhnliche Formenschönheit, mit der es ausgestattet war.

Theilweise gedeckt von der an den linken Flügel der Ruine
angereihten Schlosskirche steht das so sinnreich angelegte Mausoleum
Thorwaldsen's, des grössten Plastikers seit Phidias, dessen Meissel es
in seltener Begabung gelang, die edle Reinheit griechischer Formen-
schönheit, wie sie die Antike in ihren mythologischen Gestalten schuf,
in neuen Formen wieder aufleben zu lassen.

Das Gebäude, das gleichzeitig als Museum der Werke des
Meisters dient und dessen Mausoleum bildet, ist an sich eine Sehens-
würdigkeit, die Architektur ist griechischen und etruskischen Grab-
bauten entlehnt und trägt den Stempel schwermüthigen Ernstes.

Das Museum, welches nebst einer grossen Zahl der eigenen
Schöpfungen Thorwaldsen's, die schon allein durch die vielfältige
Nachbildung, welche sie erfuhren, ihren wahren Werth documentiren,
auch Bilder und Statuen anderer hervorragender Meister, insbesondere
aber sehr werthvolle Antiken birgt, wird dadurch zu einer der her-
vorragendsten Kunstsammlungen der Welt.

An den rechten Flügel des ehemaligen Schlosses schliesst eine
Gruppe umfangreicher Gebäude an, in welcher die Ministerien, die
königliche Bibliothek, das Zeughaus und ähnliche dem öffentlichen
Interesse gewidmete Institutionen untergebracht sind. Dieser gegenüber

Der atlantische Ocean.
minder der auf Amager gelegene Stadttheil Christianshavn sind be-
sonders erwähnenswerth.

Die Regelmässigkeit der Strassenzüge und die nahezu voll-
kommene Ebenheit des Terrains, auf dem die Stadt steht, ermöglichten
den bedeutenden Anforderungen des Verkehrs durch Anlage ausge-
breiteter, vielverzweigter Strassenbahnen volle Rechnung zu tragen.

Kopenhagen ist sehr reich an hervorragenden Bauten, die theils
durch architektonischen, theils durch historischen Werth und nicht
zumindest durch die Reichhaltigkeit der Kunstschätze, die sie bergen,
ein bedeutendes Interesse wachrufen.

Christiansborg, auf der von Canälen umfangenen Schlossinsel
von Christian VI. an Stelle des alten Residenzschlosses erbaut und
nach Zerstörung durch eine Feuersbrunst im Jahre 1794 erneuert herge-
stellt, wurde, wie noch erinnerlich, am 3. October 1884 abermals ein
Raub der Flammen.

Die Brandruine mit den fünf Stockwerke aufweisenden Fronten,
den das Mittelgiebelfeld tragenden Pilastern an der Hauptfaçade und
der von 36 dorischen Säulen gebildeten Colonnade an der Rückfront
zeigen die grossen Verhältnisse, in denen das Schloss gehalten, und
die aussergewöhnliche Formenschönheit, mit der es ausgestattet war.

Theilweise gedeckt von der an den linken Flügel der Ruine
angereihten Schlosskirche steht das so sinnreich angelegte Mausoleum
Thorwaldsen’s, des grössten Plastikers seit Phidias, dessen Meissel es
in seltener Begabung gelang, die edle Reinheit griechischer Formen-
schönheit, wie sie die Antike in ihren mythologischen Gestalten schuf,
in neuen Formen wieder aufleben zu lassen.

Das Gebäude, das gleichzeitig als Museum der Werke des
Meisters dient und dessen Mausoleum bildet, ist an sich eine Sehens-
würdigkeit, die Architektur ist griechischen und etruskischen Grab-
bauten entlehnt und trägt den Stempel schwermüthigen Ernstes.

Das Museum, welches nebst einer grossen Zahl der eigenen
Schöpfungen Thorwaldsen’s, die schon allein durch die vielfältige
Nachbildung, welche sie erfuhren, ihren wahren Werth documentiren,
auch Bilder und Statuen anderer hervorragender Meister, insbesondere
aber sehr werthvolle Antiken birgt, wird dadurch zu einer der her-
vorragendsten Kunstsammlungen der Welt.

An den rechten Flügel des ehemaligen Schlosses schliesst eine
Gruppe umfangreicher Gebäude an, in welcher die Ministerien, die
königliche Bibliothek, das Zeughaus und ähnliche dem öffentlichen
Interesse gewidmete Institutionen untergebracht sind. Dieser gegenüber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0800" n="780"/><fw place="top" type="header">Der atlantische Ocean.</fw><lb/>
minder der auf Amager gelegene Stadttheil Christianshavn sind be-<lb/>
sonders erwähnenswerth.</p><lb/>
          <p>Die Regelmässigkeit der Strassenzüge und die nahezu voll-<lb/>
kommene Ebenheit des Terrains, auf dem die Stadt steht, ermöglichten<lb/>
den bedeutenden Anforderungen des Verkehrs durch Anlage ausge-<lb/>
breiteter, vielverzweigter Strassenbahnen volle Rechnung zu tragen.</p><lb/>
          <p>Kopenhagen ist sehr reich an hervorragenden Bauten, die theils<lb/>
durch architektonischen, theils durch historischen Werth und nicht<lb/>
zumindest durch die Reichhaltigkeit der Kunstschätze, die sie bergen,<lb/>
ein bedeutendes Interesse wachrufen.</p><lb/>
          <p>Christiansborg, auf der von Canälen umfangenen Schlossinsel<lb/>
von Christian VI. an Stelle des alten Residenzschlosses erbaut und<lb/>
nach Zerstörung durch eine Feuersbrunst im Jahre 1794 erneuert herge-<lb/>
stellt, wurde, wie noch erinnerlich, am 3. October 1884 abermals ein<lb/>
Raub der Flammen.</p><lb/>
          <p>Die Brandruine mit den fünf Stockwerke aufweisenden Fronten,<lb/>
den das Mittelgiebelfeld tragenden Pilastern an der Hauptfaçade und<lb/>
der von 36 dorischen Säulen gebildeten Colonnade an der Rückfront<lb/>
zeigen die grossen Verhältnisse, in denen das Schloss gehalten, und<lb/>
die aussergewöhnliche Formenschönheit, mit der es ausgestattet war.</p><lb/>
          <p>Theilweise gedeckt von der an den linken Flügel der Ruine<lb/>
angereihten Schlosskirche steht das so sinnreich angelegte Mausoleum<lb/>
Thorwaldsen&#x2019;s, des grössten Plastikers seit Phidias, dessen Meissel es<lb/>
in seltener Begabung gelang, die edle Reinheit griechischer Formen-<lb/>
schönheit, wie sie die Antike in ihren mythologischen Gestalten schuf,<lb/>
in neuen Formen wieder aufleben zu lassen.</p><lb/>
          <p>Das Gebäude, das gleichzeitig als Museum der Werke des<lb/>
Meisters dient und dessen Mausoleum bildet, ist an sich eine Sehens-<lb/>
würdigkeit, die Architektur ist griechischen und etruskischen Grab-<lb/>
bauten entlehnt und trägt den Stempel schwermüthigen Ernstes.</p><lb/>
          <p>Das Museum, welches nebst einer grossen Zahl der eigenen<lb/>
Schöpfungen Thorwaldsen&#x2019;s, die schon allein durch die vielfältige<lb/>
Nachbildung, welche sie erfuhren, ihren wahren Werth documentiren,<lb/>
auch Bilder und Statuen anderer hervorragender Meister, insbesondere<lb/>
aber sehr werthvolle Antiken birgt, wird dadurch zu einer der her-<lb/>
vorragendsten Kunstsammlungen der Welt.</p><lb/>
          <p>An den rechten Flügel des ehemaligen Schlosses schliesst eine<lb/>
Gruppe umfangreicher Gebäude an, in welcher die Ministerien, die<lb/>
königliche Bibliothek, das Zeughaus und ähnliche dem öffentlichen<lb/>
Interesse gewidmete Institutionen untergebracht sind. Dieser gegenüber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[780/0800] Der atlantische Ocean. minder der auf Amager gelegene Stadttheil Christianshavn sind be- sonders erwähnenswerth. Die Regelmässigkeit der Strassenzüge und die nahezu voll- kommene Ebenheit des Terrains, auf dem die Stadt steht, ermöglichten den bedeutenden Anforderungen des Verkehrs durch Anlage ausge- breiteter, vielverzweigter Strassenbahnen volle Rechnung zu tragen. Kopenhagen ist sehr reich an hervorragenden Bauten, die theils durch architektonischen, theils durch historischen Werth und nicht zumindest durch die Reichhaltigkeit der Kunstschätze, die sie bergen, ein bedeutendes Interesse wachrufen. Christiansborg, auf der von Canälen umfangenen Schlossinsel von Christian VI. an Stelle des alten Residenzschlosses erbaut und nach Zerstörung durch eine Feuersbrunst im Jahre 1794 erneuert herge- stellt, wurde, wie noch erinnerlich, am 3. October 1884 abermals ein Raub der Flammen. Die Brandruine mit den fünf Stockwerke aufweisenden Fronten, den das Mittelgiebelfeld tragenden Pilastern an der Hauptfaçade und der von 36 dorischen Säulen gebildeten Colonnade an der Rückfront zeigen die grossen Verhältnisse, in denen das Schloss gehalten, und die aussergewöhnliche Formenschönheit, mit der es ausgestattet war. Theilweise gedeckt von der an den linken Flügel der Ruine angereihten Schlosskirche steht das so sinnreich angelegte Mausoleum Thorwaldsen’s, des grössten Plastikers seit Phidias, dessen Meissel es in seltener Begabung gelang, die edle Reinheit griechischer Formen- schönheit, wie sie die Antike in ihren mythologischen Gestalten schuf, in neuen Formen wieder aufleben zu lassen. Das Gebäude, das gleichzeitig als Museum der Werke des Meisters dient und dessen Mausoleum bildet, ist an sich eine Sehens- würdigkeit, die Architektur ist griechischen und etruskischen Grab- bauten entlehnt und trägt den Stempel schwermüthigen Ernstes. Das Museum, welches nebst einer grossen Zahl der eigenen Schöpfungen Thorwaldsen’s, die schon allein durch die vielfältige Nachbildung, welche sie erfuhren, ihren wahren Werth documentiren, auch Bilder und Statuen anderer hervorragender Meister, insbesondere aber sehr werthvolle Antiken birgt, wird dadurch zu einer der her- vorragendsten Kunstsammlungen der Welt. An den rechten Flügel des ehemaligen Schlosses schliesst eine Gruppe umfangreicher Gebäude an, in welcher die Ministerien, die königliche Bibliothek, das Zeughaus und ähnliche dem öffentlichen Interesse gewidmete Institutionen untergebracht sind. Dieser gegenüber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/800
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 780. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/800>, abgerufen am 22.11.2024.