gegenüber dem tropischen Klima von Darien mit seinen Regenmassen nicht zu denken, bis jetzt (Anfang 1891) wird eine Art Polizeiauf- sicht über die Magazine, Werkstätten, kurz über das Inventarium der zu Grunde gegangenen Gesellschaft aus den letzten Vermögens- resten aufgebracht. Daneben verrosten die Maschinen, Wägen, Bagger etc. oder versinken im Schlamme, leichtere Gegenstände werden von den Hochwässern weggeschleppt oder auch gelegentlich gestohlen. Wenn der Canalbau nur bis Ende 1891 unterbrochen bleibt, so kann man alle Maschinen als altes Eisen verkaufen oder besser gesagt ver- schenken. Wie die Dinge in Panama gegenwärtig stehen, scheint es fast zu diesem tragischen Ende kommen zu wollen. Die amerikanische Firma Staven & Comp. hat schon Mitte 1890 ihren Riesenbagger an die Nicaragua-Gesellschaft verkauft und nach Greytown gebracht.
Für die Rettung der Panamacanal-Gesellschaft oder besser ge- sagt für die Rettung der bisher geleisteten, im Dienste der gesammten Menschheit stehenden Arbeiten derselben ist nichts geschehen, als dass die Regierung von Columbia geneigt scheint, den Eröffnungs- termin des Canals hinauszuschieben. Woher aber die fehlende Mil- liarde Francs kommen soll, weiss heute Niemand.
Und doch müsste diese Frage in der kürzesten Zeit entschieden werden, denn schon beginnt der tropische Urwald sein grünes Kleid über die Dämme und Gräben zu ziehen, und im raschen Siegeszuge zurückzuerobern, was ihm die technische Kunst des weissen Mannes für ewig zu entreissen schien. Käme in wenigen Jahren ein Forscher oder Reisender an die Stellen, wo noch 1889 pustende Dampfmaschinen, ächzende Bagger eine neue Welthandelsstrasse gruben, er stünde vor einem undurchdringlichen Urwald, und sein Blick vermöchte nicht einmal mehr die Trace zu erspähen, welche ein genialer Geist diesem neuen Weltwege vorgeschrieben hatte.
Früge sich dieser Wanderer, warum das grösste Bauwerk aller Zeiten halbvollendet im Sumpfe des Urwaldes versinken musste, so würden ihm die Palmen vielleicht zuflüstern: "Es war zu früh ge- boren".
Lesseps und dessen Freunde irrten vielleicht in der Entwicklung des Weltverkehres. Der Panama-Canal ist vielleicht am Ende des XIX. Jahrhunderts noch kein unabweisliches Bedürfniss für den Welt- handel, die Gestadeländer des grossen Oceans sind eben für diese Forderung noch zu wenig entwickelt; wäre die Forderung nach einem Panama-Canal unabweisbar, so würden sich die Mittel zu dessen Her-
Die atlantische Küste von Amerika.
gegenüber dem tropischen Klima von Darien mit seinen Regenmassen nicht zu denken, bis jetzt (Anfang 1891) wird eine Art Polizeiauf- sicht über die Magazine, Werkstätten, kurz über das Inventarium der zu Grunde gegangenen Gesellschaft aus den letzten Vermögens- resten aufgebracht. Daneben verrosten die Maschinen, Wägen, Bagger etc. oder versinken im Schlamme, leichtere Gegenstände werden von den Hochwässern weggeschleppt oder auch gelegentlich gestohlen. Wenn der Canalbau nur bis Ende 1891 unterbrochen bleibt, so kann man alle Maschinen als altes Eisen verkaufen oder besser gesagt ver- schenken. Wie die Dinge in Panama gegenwärtig stehen, scheint es fast zu diesem tragischen Ende kommen zu wollen. Die amerikanische Firma Staven & Comp. hat schon Mitte 1890 ihren Riesenbagger an die Nicaragua-Gesellschaft verkauft und nach Greytown gebracht.
Für die Rettung der Panamacanal-Gesellschaft oder besser ge- sagt für die Rettung der bisher geleisteten, im Dienste der gesammten Menschheit stehenden Arbeiten derselben ist nichts geschehen, als dass die Regierung von Columbia geneigt scheint, den Eröffnungs- termin des Canals hinauszuschieben. Woher aber die fehlende Mil- liarde Francs kommen soll, weiss heute Niemand.
Und doch müsste diese Frage in der kürzesten Zeit entschieden werden, denn schon beginnt der tropische Urwald sein grünes Kleid über die Dämme und Gräben zu ziehen, und im raschen Siegeszuge zurückzuerobern, was ihm die technische Kunst des weissen Mannes für ewig zu entreissen schien. Käme in wenigen Jahren ein Forscher oder Reisender an die Stellen, wo noch 1889 pustende Dampfmaschinen, ächzende Bagger eine neue Welthandelsstrasse gruben, er stünde vor einem undurchdringlichen Urwald, und sein Blick vermöchte nicht einmal mehr die Trace zu erspähen, welche ein genialer Geist diesem neuen Weltwege vorgeschrieben hatte.
Früge sich dieser Wanderer, warum das grösste Bauwerk aller Zeiten halbvollendet im Sumpfe des Urwaldes versinken musste, so würden ihm die Palmen vielleicht zuflüstern: „Es war zu früh ge- boren“.
Lesseps und dessen Freunde irrten vielleicht in der Entwicklung des Weltverkehres. Der Panama-Canal ist vielleicht am Ende des XIX. Jahrhunderts noch kein unabweisliches Bedürfniss für den Welt- handel, die Gestadeländer des grossen Oceans sind eben für diese Forderung noch zu wenig entwickelt; wäre die Forderung nach einem Panama-Canal unabweisbar, so würden sich die Mittel zu dessen Her-
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Die atlantische Küste von Amerika.
gegenüber dem tropischen Klima von Darien mit seinen Regenmassen
nicht zu denken, bis jetzt (Anfang 1891) wird eine Art Polizeiauf-
sicht über die Magazine, Werkstätten, kurz über das Inventarium
der zu Grunde gegangenen Gesellschaft aus den letzten Vermögens-
resten aufgebracht. Daneben verrosten die Maschinen, Wägen, Bagger etc.
oder versinken im Schlamme, leichtere Gegenstände werden von den
Hochwässern weggeschleppt oder auch gelegentlich gestohlen. Wenn
der Canalbau nur bis Ende 1891 unterbrochen bleibt, so kann man
alle Maschinen als altes Eisen verkaufen oder besser gesagt ver-
schenken. Wie die Dinge in Panama gegenwärtig stehen, scheint es
fast zu diesem tragischen Ende kommen zu wollen. Die amerikanische
Firma Staven & Comp. hat schon Mitte 1890 ihren Riesenbagger an
die Nicaragua-Gesellschaft verkauft und nach Greytown gebracht.
Für die Rettung der Panamacanal-Gesellschaft oder besser ge-
sagt für die Rettung der bisher geleisteten, im Dienste der gesammten
Menschheit stehenden Arbeiten derselben ist nichts geschehen, als
dass die Regierung von Columbia geneigt scheint, den Eröffnungs-
termin des Canals hinauszuschieben. Woher aber die fehlende Mil-
liarde Francs kommen soll, weiss heute Niemand.
Und doch müsste diese Frage in der kürzesten Zeit entschieden
werden, denn schon beginnt der tropische Urwald sein grünes Kleid
über die Dämme und Gräben zu ziehen, und im raschen Siegeszuge
zurückzuerobern, was ihm die technische Kunst des weissen Mannes
für ewig zu entreissen schien. Käme in wenigen Jahren ein Forscher
oder Reisender an die Stellen, wo noch 1889 pustende Dampfmaschinen,
ächzende Bagger eine neue Welthandelsstrasse gruben, er stünde vor
einem undurchdringlichen Urwald, und sein Blick vermöchte nicht
einmal mehr die Trace zu erspähen, welche ein genialer Geist diesem
neuen Weltwege vorgeschrieben hatte.
Früge sich dieser Wanderer, warum das grösste Bauwerk aller
Zeiten halbvollendet im Sumpfe des Urwaldes versinken musste, so
würden ihm die Palmen vielleicht zuflüstern: „Es war zu früh ge-
boren“.
Lesseps und dessen Freunde irrten vielleicht in der Entwicklung
des Weltverkehres. Der Panama-Canal ist vielleicht am Ende des
XIX. Jahrhunderts noch kein unabweisliches Bedürfniss für den Welt-
handel, die Gestadeländer des grossen Oceans sind eben für diese
Forderung noch zu wenig entwickelt; wäre die Forderung nach einem
Panama-Canal unabweisbar, so würden sich die Mittel zu dessen Her-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/250>, abgerufen am 24.11.2024.
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