Südlich von der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul, zwischen dem Ocean, dem La Plata und dem Uruguayflusse liegt ein von der Natur reich bedachtes Land, die Republica oriental dal Uruguay. Dieses war ursprünglich eine spanische Colonie und hat viel und oft unter den rivalisirenden Bestrebungen der grossen Nachbarstaaten, den Eroberungsgelüsten europäischer Grossmächte und den eigenen politischen Leidenschaften gelitten.
Zabala, Vicekönig von Buenos-Aires, erbaute 1717 an der Stelle der jetzigen Stadt ein Fort, 1726 wurden die ersten Colonisten aus Andalusien und den cana- rischen Inseln daselbst angesiedelt, doch verging mehr als ein halbes Jahrhundert, ehe die Niederlassung vom Staate als Seehafen erklärt wurde und in die Privi- legien und Rechte eines solchen eintrat.
Im Jahre 1780 besass Montevideo 6400 Einwohner, zwölf Jahre später be- trug schon der Werth der Einfuhr an drei und der der Ausfuhr über vier Mil- lionen Dollars, welche Ziffern die Wohlstandszunahme der Stadt am deutlichsten illustriren.
Als im Jahre 1806 der alte und schwache Vicekönig Sobremonte die Stadt Buenos-Aires den englischen Land- und Seetruppen übergab, die nach der Erobe- rung des Caplandes einen Kriegszug auf eigene Faust gegen die spanische Nieder- lassung am La Plata unternahmen, sammelte der spanische Fregattencapitän Juan Santiago de Liniers eine ansehnliche Streitmacht in dem von den Engländern un- beachtet gebliebenen Montevideo und zwang dieselben zum Abzuge. Zum Vice- könig ernannt, schlug er im folgenden Jahre einen erneuerten Kriegszug der Engländer ruhmvoll zurück.
Zehn Jahre später, am 9. Juli 1816, nach manchen unglücklichen Missver- ständnissen, denen auch der tapfere und verdiente Liniers zum Opfer fiel, und nach blutigen Kämpfen erklärten die zu Tucuman versammelten Deputirten der Banda oriental, d. h. des Landes an der Ostseite des Flusses, die Unabhängigkeit des Landes als neubegründete Republik, deren Hauptstadt Montevideo wurde.
Als Uruguay 1821 unter dem Namen Cisplatina dem brasilianischen Kaiser- reiche als Provinz einverleibt wurde, befreite der "Zug der Dreiunddreissig" unter der Führung des argentinischen Obersten Juan Antonio Laval vier Jahre später das Land von der brasilianisch-portugiesischen Herrschaft. Zahlreiche Namen in Montevideo erinnern an das denkwürdige Unternehmen Laval's, dem ein langwieriger
35*
Montevideo.
Südlich von der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul, zwischen dem Ocean, dem La Plata und dem Uruguayflusse liegt ein von der Natur reich bedachtes Land, die Republica oriental dal Uruguay. Dieses war ursprünglich eine spanische Colonie und hat viel und oft unter den rivalisirenden Bestrebungen der grossen Nachbarstaaten, den Eroberungsgelüsten europäischer Grossmächte und den eigenen politischen Leidenschaften gelitten.
Zabala, Vicekönig von Buenos-Aires, erbaute 1717 an der Stelle der jetzigen Stadt ein Fort, 1726 wurden die ersten Colonisten aus Andalusien und den cana- rischen Inseln daselbst angesiedelt, doch verging mehr als ein halbes Jahrhundert, ehe die Niederlassung vom Staate als Seehafen erklärt wurde und in die Privi- legien und Rechte eines solchen eintrat.
Im Jahre 1780 besass Montevideo 6400 Einwohner, zwölf Jahre später be- trug schon der Werth der Einfuhr an drei und der der Ausfuhr über vier Mil- lionen Dollars, welche Ziffern die Wohlstandszunahme der Stadt am deutlichsten illustriren.
Als im Jahre 1806 der alte und schwache Vicekönig Sobremonte die Stadt Buenos-Aires den englischen Land- und Seetruppen übergab, die nach der Erobe- rung des Caplandes einen Kriegszug auf eigene Faust gegen die spanische Nieder- lassung am La Plata unternahmen, sammelte der spanische Fregattencapitän Juan Santiago de Liniers eine ansehnliche Streitmacht in dem von den Engländern un- beachtet gebliebenen Montevideo und zwang dieselben zum Abzuge. Zum Vice- könig ernannt, schlug er im folgenden Jahre einen erneuerten Kriegszug der Engländer ruhmvoll zurück.
Zehn Jahre später, am 9. Juli 1816, nach manchen unglücklichen Missver- ständnissen, denen auch der tapfere und verdiente Liniers zum Opfer fiel, und nach blutigen Kämpfen erklärten die zu Tucuman versammelten Deputirten der Banda oriental, d. h. des Landes an der Ostseite des Flusses, die Unabhängigkeit des Landes als neubegründete Republik, deren Hauptstadt Montevideo wurde.
Als Uruguay 1821 unter dem Namen Cisplatina dem brasilianischen Kaiser- reiche als Provinz einverleibt wurde, befreite der „Zug der Dreiunddreissig“ unter der Führung des argentinischen Obersten Juan Antonio Laval vier Jahre später das Land von der brasilianisch-portugiesischen Herrschaft. Zahlreiche Namen in Montevideo erinnern an das denkwürdige Unternehmen Laval’s, dem ein langwieriger
35*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0291"n="[275]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Montevideo.</hi></head><lb/><p>Südlich von der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul,<lb/>
zwischen dem Ocean, dem La Plata und dem Uruguayflusse liegt<lb/>
ein von der Natur reich bedachtes Land, die Republica oriental<lb/>
dal Uruguay. Dieses war ursprünglich eine spanische Colonie und<lb/>
hat viel und oft unter den rivalisirenden Bestrebungen der grossen<lb/>
Nachbarstaaten, den Eroberungsgelüsten europäischer Grossmächte<lb/>
und den eigenen politischen Leidenschaften gelitten.</p><lb/><p>Zabala, Vicekönig von Buenos-Aires, erbaute 1717 an der Stelle der jetzigen<lb/>
Stadt ein Fort, 1726 wurden die ersten Colonisten aus Andalusien und den cana-<lb/>
rischen Inseln daselbst angesiedelt, doch verging mehr als ein halbes Jahrhundert,<lb/>
ehe die Niederlassung vom Staate als Seehafen erklärt wurde und in die Privi-<lb/>
legien und Rechte eines solchen eintrat.</p><lb/><p>Im Jahre 1780 besass Montevideo 6400 Einwohner, zwölf Jahre später be-<lb/>
trug schon der Werth der Einfuhr an drei und der der Ausfuhr über vier Mil-<lb/>
lionen Dollars, welche Ziffern die Wohlstandszunahme der Stadt am deutlichsten<lb/>
illustriren.</p><lb/><p>Als im Jahre 1806 der alte und schwache Vicekönig Sobremonte die Stadt<lb/>
Buenos-Aires den englischen Land- und Seetruppen übergab, die nach der Erobe-<lb/>
rung des Caplandes einen Kriegszug auf eigene Faust gegen die spanische Nieder-<lb/>
lassung am La Plata unternahmen, sammelte der spanische Fregattencapitän Juan<lb/>
Santiago de Liniers eine ansehnliche Streitmacht in dem von den Engländern un-<lb/>
beachtet gebliebenen Montevideo und zwang dieselben zum Abzuge. Zum Vice-<lb/>
könig ernannt, schlug er im folgenden Jahre einen erneuerten Kriegszug der<lb/>
Engländer ruhmvoll zurück.</p><lb/><p>Zehn Jahre später, am 9. Juli 1816, nach manchen unglücklichen Missver-<lb/>
ständnissen, denen auch der tapfere und verdiente Liniers zum Opfer fiel, und<lb/>
nach blutigen Kämpfen erklärten die zu Tucuman versammelten Deputirten der<lb/>
Banda oriental, d. h. des Landes an der Ostseite des Flusses, die Unabhängigkeit<lb/>
des Landes als neubegründete Republik, deren Hauptstadt Montevideo wurde.</p><lb/><p>Als Uruguay 1821 unter dem Namen Cisplatina dem brasilianischen Kaiser-<lb/>
reiche als Provinz einverleibt wurde, befreite der „Zug der Dreiunddreissig“ unter<lb/>
der Führung des argentinischen Obersten Juan Antonio Laval vier Jahre später<lb/>
das Land von der brasilianisch-portugiesischen Herrschaft. Zahlreiche Namen in<lb/>
Montevideo erinnern an das denkwürdige Unternehmen Laval’s, dem ein langwieriger<lb/><fwplace="bottom"type="sig">35*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[275]/0291]
Montevideo.
Südlich von der brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul,
zwischen dem Ocean, dem La Plata und dem Uruguayflusse liegt
ein von der Natur reich bedachtes Land, die Republica oriental
dal Uruguay. Dieses war ursprünglich eine spanische Colonie und
hat viel und oft unter den rivalisirenden Bestrebungen der grossen
Nachbarstaaten, den Eroberungsgelüsten europäischer Grossmächte
und den eigenen politischen Leidenschaften gelitten.
Zabala, Vicekönig von Buenos-Aires, erbaute 1717 an der Stelle der jetzigen
Stadt ein Fort, 1726 wurden die ersten Colonisten aus Andalusien und den cana-
rischen Inseln daselbst angesiedelt, doch verging mehr als ein halbes Jahrhundert,
ehe die Niederlassung vom Staate als Seehafen erklärt wurde und in die Privi-
legien und Rechte eines solchen eintrat.
Im Jahre 1780 besass Montevideo 6400 Einwohner, zwölf Jahre später be-
trug schon der Werth der Einfuhr an drei und der der Ausfuhr über vier Mil-
lionen Dollars, welche Ziffern die Wohlstandszunahme der Stadt am deutlichsten
illustriren.
Als im Jahre 1806 der alte und schwache Vicekönig Sobremonte die Stadt
Buenos-Aires den englischen Land- und Seetruppen übergab, die nach der Erobe-
rung des Caplandes einen Kriegszug auf eigene Faust gegen die spanische Nieder-
lassung am La Plata unternahmen, sammelte der spanische Fregattencapitän Juan
Santiago de Liniers eine ansehnliche Streitmacht in dem von den Engländern un-
beachtet gebliebenen Montevideo und zwang dieselben zum Abzuge. Zum Vice-
könig ernannt, schlug er im folgenden Jahre einen erneuerten Kriegszug der
Engländer ruhmvoll zurück.
Zehn Jahre später, am 9. Juli 1816, nach manchen unglücklichen Missver-
ständnissen, denen auch der tapfere und verdiente Liniers zum Opfer fiel, und
nach blutigen Kämpfen erklärten die zu Tucuman versammelten Deputirten der
Banda oriental, d. h. des Landes an der Ostseite des Flusses, die Unabhängigkeit
des Landes als neubegründete Republik, deren Hauptstadt Montevideo wurde.
Als Uruguay 1821 unter dem Namen Cisplatina dem brasilianischen Kaiser-
reiche als Provinz einverleibt wurde, befreite der „Zug der Dreiunddreissig“ unter
der Führung des argentinischen Obersten Juan Antonio Laval vier Jahre später
das Land von der brasilianisch-portugiesischen Herrschaft. Zahlreiche Namen in
Montevideo erinnern an das denkwürdige Unternehmen Laval’s, dem ein langwieriger
35*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [275]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/291>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.