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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Buenos-Aires.
Tramwaygesellschaften besitzen einen stattlichen Wagenpark, der
selbst gesteigerten Anforderungen des ohnehin sehr lebhaften Verkehres
jederzeit zu genügen im Stande ist. Sie sind eine dringende Noth-
wendigkeit in einer Stadt, welche einen gleichen Flächenraum wie
Paris bedeckt.

Leider führen die zahlreichen Eisenbahnen und Tramways, die
von Buenos-Aires ausstrahlen, in eine landschaftlich ganz unbedeu-
tende Umgebung.

Buenos-Aires ist gemäss seiner geographischen Lage und poli-
tischen Stellung der natürliche Centralpunkt des Handels für
das zweitgrösste Reich Südamerikas. Die Stadt beherrscht den Einfuhr-
handel Argentiniens beinahe vollständig. Die Provinzen am oberen
La Plata beziehen ihre Waaren blos zum geringen Theile von
Rosario und anderen Plätzen, zum überwiegenden Theile dagegen
von Buenos-Aires, und der ganze Süden und der ganze Osten sind
ausschliesslich auf Buenos-Aires angewiesen. Ueber den Ausfuhrhandel
des Landes hat es keine so grosse Gewalt.

Und wenn in wenigen Jahren in schwindelnder Höhe die Tunnels
durch die Anden vollendet und das noch fehlende Stück der Eisen-
bahnverbindung zwischen Mendoza in Argentinien und Santiago de
Chile hergestellt sein wird, dann wird Buenos-Aires auch für die
Westküste Südamerikas ein wichtiger Hafen sein und eine stattliche
Zahl jener Schiffe an seinen Ufern sehen, die jetzt um die Südspitze
des Continentes fahren, ohne hier anzulegen.

Heute beeinflussen den Handel dieses Hafens nur die Ver-
hältnisse des eigenen Landes, dessen fruchtbarster und daher am
dichtesten bewohnter Theil in der Breite von Buenos-Aires liegt. Man
darf die günstigen Bedingungen, welche Ackerbau und Viehzucht in
diesem Streifen vorfinden, nicht in den übrigen Gebieten der Argenti-
nischen Republik erwarten und, auf dieses Trugbild gestützt, nicht
hoffen, dass Argentinien und damit der Handel von Buenos-Aires den
kühnen Flug nehmen werden, den wir bei den Vereinigten Staaten
von Amerika und bei seiner Metropole New-York staunend be-
wundern.

Als 1879 die Indianer endlich unschädlich gemacht waren und
mit der erlangten Sicherheit Menschen und Capital ins Land wan-
derten, da sagten sich die Argentinier: "Für uns ist der Tag erst
angebrochen." Aber eine immer rücksichtsloser auftretende Specu-
lation bemächtigte sich der Ländereien, welche geeignet waren, die
europäischen Einwanderer aufzunehmen, und trieb die Preise derselben

Buenos-Aires.
Tramwaygesellschaften besitzen einen stattlichen Wagenpark, der
selbst gesteigerten Anforderungen des ohnehin sehr lebhaften Verkehres
jederzeit zu genügen im Stande ist. Sie sind eine dringende Noth-
wendigkeit in einer Stadt, welche einen gleichen Flächenraum wie
Paris bedeckt.

Leider führen die zahlreichen Eisenbahnen und Tramways, die
von Buenos-Aires ausstrahlen, in eine landschaftlich ganz unbedeu-
tende Umgebung.

Buenos-Aires ist gemäss seiner geographischen Lage und poli-
tischen Stellung der natürliche Centralpunkt des Handels für
das zweitgrösste Reich Südamerikas. Die Stadt beherrscht den Einfuhr-
handel Argentiniens beinahe vollständig. Die Provinzen am oberen
La Plata beziehen ihre Waaren blos zum geringen Theile von
Rosario und anderen Plätzen, zum überwiegenden Theile dagegen
von Buenos-Aires, und der ganze Süden und der ganze Osten sind
ausschliesslich auf Buenos-Aires angewiesen. Ueber den Ausfuhrhandel
des Landes hat es keine so grosse Gewalt.

Und wenn in wenigen Jahren in schwindelnder Höhe die Tunnels
durch die Anden vollendet und das noch fehlende Stück der Eisen-
bahnverbindung zwischen Mendoza in Argentinien und Santiago de
Chile hergestellt sein wird, dann wird Buenos-Aires auch für die
Westküste Südamerikas ein wichtiger Hafen sein und eine stattliche
Zahl jener Schiffe an seinen Ufern sehen, die jetzt um die Südspitze
des Continentes fahren, ohne hier anzulegen.

Heute beeinflussen den Handel dieses Hafens nur die Ver-
hältnisse des eigenen Landes, dessen fruchtbarster und daher am
dichtesten bewohnter Theil in der Breite von Buenos-Aires liegt. Man
darf die günstigen Bedingungen, welche Ackerbau und Viehzucht in
diesem Streifen vorfinden, nicht in den übrigen Gebieten der Argenti-
nischen Republik erwarten und, auf dieses Trugbild gestützt, nicht
hoffen, dass Argentinien und damit der Handel von Buenos-Aires den
kühnen Flug nehmen werden, den wir bei den Vereinigten Staaten
von Amerika und bei seiner Metropole New-York staunend be-
wundern.

Als 1879 die Indianer endlich unschädlich gemacht waren und
mit der erlangten Sicherheit Menschen und Capital ins Land wan-
derten, da sagten sich die Argentinier: „Für uns ist der Tag erst
angebrochen.“ Aber eine immer rücksichtsloser auftretende Specu-
lation bemächtigte sich der Ländereien, welche geeignet waren, die
europäischen Einwanderer aufzunehmen, und trieb die Preise derselben

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[295/0311] Buenos-Aires. Tramwaygesellschaften besitzen einen stattlichen Wagenpark, der selbst gesteigerten Anforderungen des ohnehin sehr lebhaften Verkehres jederzeit zu genügen im Stande ist. Sie sind eine dringende Noth- wendigkeit in einer Stadt, welche einen gleichen Flächenraum wie Paris bedeckt. Leider führen die zahlreichen Eisenbahnen und Tramways, die von Buenos-Aires ausstrahlen, in eine landschaftlich ganz unbedeu- tende Umgebung. Buenos-Aires ist gemäss seiner geographischen Lage und poli- tischen Stellung der natürliche Centralpunkt des Handels für das zweitgrösste Reich Südamerikas. Die Stadt beherrscht den Einfuhr- handel Argentiniens beinahe vollständig. Die Provinzen am oberen La Plata beziehen ihre Waaren blos zum geringen Theile von Rosario und anderen Plätzen, zum überwiegenden Theile dagegen von Buenos-Aires, und der ganze Süden und der ganze Osten sind ausschliesslich auf Buenos-Aires angewiesen. Ueber den Ausfuhrhandel des Landes hat es keine so grosse Gewalt. Und wenn in wenigen Jahren in schwindelnder Höhe die Tunnels durch die Anden vollendet und das noch fehlende Stück der Eisen- bahnverbindung zwischen Mendoza in Argentinien und Santiago de Chile hergestellt sein wird, dann wird Buenos-Aires auch für die Westküste Südamerikas ein wichtiger Hafen sein und eine stattliche Zahl jener Schiffe an seinen Ufern sehen, die jetzt um die Südspitze des Continentes fahren, ohne hier anzulegen. Heute beeinflussen den Handel dieses Hafens nur die Ver- hältnisse des eigenen Landes, dessen fruchtbarster und daher am dichtesten bewohnter Theil in der Breite von Buenos-Aires liegt. Man darf die günstigen Bedingungen, welche Ackerbau und Viehzucht in diesem Streifen vorfinden, nicht in den übrigen Gebieten der Argenti- nischen Republik erwarten und, auf dieses Trugbild gestützt, nicht hoffen, dass Argentinien und damit der Handel von Buenos-Aires den kühnen Flug nehmen werden, den wir bei den Vereinigten Staaten von Amerika und bei seiner Metropole New-York staunend be- wundern. Als 1879 die Indianer endlich unschädlich gemacht waren und mit der erlangten Sicherheit Menschen und Capital ins Land wan- derten, da sagten sich die Argentinier: „Für uns ist der Tag erst angebrochen.“ Aber eine immer rücksichtsloser auftretende Specu- lation bemächtigte sich der Ländereien, welche geeignet waren, die europäischen Einwanderer aufzunehmen, und trieb die Preise derselben

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/311>, abgerufen am 24.11.2024.