Südlich vom 38. Grade nördlicher Breite wird das westameri- kanische Küstengebirge durch einen tiefen Einschnitt, die Bai von San Francisco, unterbrochen.
Die Einfahrt dieser seeartigen grossen Bai bildet ein fünf Meilen langer und eine Meile breiter Canal, der das "Goldene Thor" ("Golden Gate") genannt wird. Wer hinter diesem klangvollen Namen landschaft- liche Reize vermuthet, wird sich durch den Anblick der kahlen und öden, gelblich gefärbten Felsen, welche die Bai einsäumen und keinerlei Spur von Vegetation tragen, sehr enttäuscht finden. Das Be- merkenswertheste des Goldenen Thores sind die Seal Rocks, drei Felsklippen, welche an der Südseite der Canaleinfahrt liegen und im Sommer von einer grossen Zahl Robben bevölkert sind. Diese Thiere geniessen staatlichen Schutz, indem ein Gesetz dieselben vor Nach- stellungen der Jäger sichert.
Die 65 Seemeilen lange und fast ebenso breite Bai, in welche die beiden grossen Flüsse Californiens -- der Sacramento und der San Joaquin -- münden, wird durch zwei Halbinseln gebildet, deren nörd- liche aus schroffen und meist baumlosen Felsen besteht, welche gegen die See steil abfallen. Die südliche Halbinsel ist etwas über 30 km lang, besitzt den Charakter von Dünen und in der Mitte einen bis zu 280 m hohen Sandgebirgsrücken. Auf der östlichen Seite des letzteren und gegen das Ende der Landzunge, also im Innern der Bai, liegt unter 37° 47' nördlicher Breite und 122° 25' westlicher Länge die Stadt San Francisco, die Hauptstadt Californiens.
In der Bai liegen überdies noch mehrere Städte und Ortschaften, sowie drei Inseln: das stark befestigte Alcatraz Island dem goldenen Thore gegenüber, nördlich hievon das gleichfalls befestigte Angel Island und südöstlich von Alcatraz die Insel Yerba Buena. Die ehemals der Schiffahrt gefährliche Untiefe "Blossom Rock" wurde 1870 durch einen deutschen Ingenieur (Oberst J. v. Schmidt) nach Ueberwindung mehrfacher Schwierigkeiten mittelst einer grossen Mine gesprengt.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II Band. 41
San Francisco.
Südlich vom 38. Grade nördlicher Breite wird das westameri- kanische Küstengebirge durch einen tiefen Einschnitt, die Bai von San Francisco, unterbrochen.
Die Einfahrt dieser seeartigen grossen Bai bildet ein fünf Meilen langer und eine Meile breiter Canal, der das „Goldene Thor“ („Golden Gate“) genannt wird. Wer hinter diesem klangvollen Namen landschaft- liche Reize vermuthet, wird sich durch den Anblick der kahlen und öden, gelblich gefärbten Felsen, welche die Bai einsäumen und keinerlei Spur von Vegetation tragen, sehr enttäuscht finden. Das Be- merkenswertheste des Goldenen Thores sind die Seal Rocks, drei Felsklippen, welche an der Südseite der Canaleinfahrt liegen und im Sommer von einer grossen Zahl Robben bevölkert sind. Diese Thiere geniessen staatlichen Schutz, indem ein Gesetz dieselben vor Nach- stellungen der Jäger sichert.
Die 65 Seemeilen lange und fast ebenso breite Bai, in welche die beiden grossen Flüsse Californiens — der Sacramento und der San Joaquin — münden, wird durch zwei Halbinseln gebildet, deren nörd- liche aus schroffen und meist baumlosen Felsen besteht, welche gegen die See steil abfallen. Die südliche Halbinsel ist etwas über 30 km lang, besitzt den Charakter von Dünen und in der Mitte einen bis zu 280 m hohen Sandgebirgsrücken. Auf der östlichen Seite des letzteren und gegen das Ende der Landzunge, also im Innern der Bai, liegt unter 37° 47′ nördlicher Breite und 122° 25′ westlicher Länge die Stadt San Francisco, die Hauptstadt Californiens.
In der Bai liegen überdies noch mehrere Städte und Ortschaften, sowie drei Inseln: das stark befestigte Alcatraz Island dem goldenen Thore gegenüber, nördlich hievon das gleichfalls befestigte Angel Island und südöstlich von Alcatraz die Insel Yerba Buena. Die ehemals der Schiffahrt gefährliche Untiefe „Blossom Rock“ wurde 1870 durch einen deutschen Ingenieur (Oberst J. v. Schmidt) nach Ueberwindung mehrfacher Schwierigkeiten mittelst einer grossen Mine gesprengt.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II Band. 41
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San Francisco.
Südlich vom 38. Grade nördlicher Breite wird das westameri-
kanische Küstengebirge durch einen tiefen Einschnitt, die Bai von San
Francisco, unterbrochen.
Die Einfahrt dieser seeartigen grossen Bai bildet ein fünf Meilen
langer und eine Meile breiter Canal, der das „Goldene Thor“ („Golden
Gate“) genannt wird. Wer hinter diesem klangvollen Namen landschaft-
liche Reize vermuthet, wird sich durch den Anblick der kahlen und
öden, gelblich gefärbten Felsen, welche die Bai einsäumen und
keinerlei Spur von Vegetation tragen, sehr enttäuscht finden. Das Be-
merkenswertheste des Goldenen Thores sind die Seal Rocks, drei
Felsklippen, welche an der Südseite der Canaleinfahrt liegen und im
Sommer von einer grossen Zahl Robben bevölkert sind. Diese Thiere
geniessen staatlichen Schutz, indem ein Gesetz dieselben vor Nach-
stellungen der Jäger sichert.
Die 65 Seemeilen lange und fast ebenso breite Bai, in welche
die beiden grossen Flüsse Californiens — der Sacramento und der San
Joaquin — münden, wird durch zwei Halbinseln gebildet, deren nörd-
liche aus schroffen und meist baumlosen Felsen besteht, welche
gegen die See steil abfallen. Die südliche Halbinsel ist etwas über
30 km lang, besitzt den Charakter von Dünen und in der Mitte einen
bis zu 280 m hohen Sandgebirgsrücken. Auf der östlichen Seite des
letzteren und gegen das Ende der Landzunge, also im Innern der
Bai, liegt unter 37° 47′ nördlicher Breite und 122° 25′ westlicher
Länge die Stadt San Francisco, die Hauptstadt Californiens.
In der Bai liegen überdies noch mehrere Städte und Ortschaften,
sowie drei Inseln: das stark befestigte Alcatraz Island dem goldenen
Thore gegenüber, nördlich hievon das gleichfalls befestigte Angel
Island und südöstlich von Alcatraz die Insel Yerba Buena. Die ehemals
der Schiffahrt gefährliche Untiefe „Blossom Rock“ wurde 1870 durch
einen deutschen Ingenieur (Oberst J. v. Schmidt) nach Ueberwindung
mehrfacher Schwierigkeiten mittelst einer grossen Mine gesprengt.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. [321]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/337>, abgerufen am 24.11.2024.
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