Versuche, sich in directe Beziehungen zum Hofe von Peking zu setzen, um daselbst eine Regelung der Zustände zu erlangen, scheiterten an dem Eigendünkel der dortigen Machthaber, denn der Kaiser von China hielt sich für den unumschränkten Herrscher über die ganze Welt und betrachtete die Fremden nur als seinem unnahbaren Throne fernstehendste Unterthanen. Wurde es den fremden Kaufleuten zu arg, so kam es zur zeitweiligen Einstellung des Handels. Der Entfall der Zölle und Abgaben wurde aber am Hofe von Peking missliebig bemerkt, Untersuchungen wurden angeordnet und die Wiederaufnahme des Handels angebahnt, jedoch die Rechtlosigkeit der Fremden wurde nicht beseitigt.
Die vielfachen Reibereien zwischen englischen Kaufleuten und Chinesen, die geringe Achtung, mit der die Engländer im Vergleiche zu den Portugiesen behandelt wurden, und endlich die Sorge um einen jährlichen Handelsumsatz von mehreren Millionen Pfund Sterling drängten die englische Regierung zu entscheidenden Schritten. Im Jahre 1793 erschien Earl Macartney als Gesandter mit einem britischen Kriegs- schiff und zwei Begleitschiffen an der Peiho-Mündung, wurde da- selbst von chinesischen Würdenträgern freundlich empfangen und unter grossem Ceremoniell an den Hof des Kaisers von China ge- leitet. Dort jedoch theilte man ihm in sehr höflicher Weise mit, dass man sich nie und nimmer zur Abschliessung von Handelsverträgen verstehen werde.
Die politischen Ereignisse, welche zu Beginn des XIX. Jahr- hunderts die Grossmächte Europas beschäftigten, tangirten auch den Handel mit China und hatten auf die Niederlassungen daselbst eine bestimmte Rückwirkung. Die Engländer hielten sich berufen, die über- seeischen portugiesischen Besitzungen vor Handstreichen der Fran- zosen zu schützen und besetzten Macao im Jahre 1802 zum ersten und 1808 zum zweiten Male, was die Chinesen als Eingriffe in ihre Oberhoheit ansahen und zum Anlasse nahmen, den Handel mit den Engländern ganz zu sperren.
Erst nach Abberufung der englischen Garnison aus Macao wurde der Handel, aber nur unter erniedrigenden Bedingungen wieder aufgenommen.
Doch erzwangen die Engländer 1814 den ersten Vertrag, als sie sämmtliche englische Handelsfahrzeuge vom Perlflusse zurück- zogen und so die Chinesen mit ihren eigenen Waffen schlugen. Diese verhandelten, und das Ergebniss war die Abschliessung eines vom Vicekönig eigenhändig unterfertigten Vertrages, der den Fremden das
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 49
Chinesische Häfen.
Versuche, sich in directe Beziehungen zum Hofe von Peking zu setzen, um daselbst eine Regelung der Zustände zu erlangen, scheiterten an dem Eigendünkel der dortigen Machthaber, denn der Kaiser von China hielt sich für den unumschränkten Herrscher über die ganze Welt und betrachtete die Fremden nur als seinem unnahbaren Throne fernstehendste Unterthanen. Wurde es den fremden Kaufleuten zu arg, so kam es zur zeitweiligen Einstellung des Handels. Der Entfall der Zölle und Abgaben wurde aber am Hofe von Peking missliebig bemerkt, Untersuchungen wurden angeordnet und die Wiederaufnahme des Handels angebahnt, jedoch die Rechtlosigkeit der Fremden wurde nicht beseitigt.
Die vielfachen Reibereien zwischen englischen Kaufleuten und Chinesen, die geringe Achtung, mit der die Engländer im Vergleiche zu den Portugiesen behandelt wurden, und endlich die Sorge um einen jährlichen Handelsumsatz von mehreren Millionen Pfund Sterling drängten die englische Regierung zu entscheidenden Schritten. Im Jahre 1793 erschien Earl Macartney als Gesandter mit einem britischen Kriegs- schiff und zwei Begleitschiffen an der Peiho-Mündung, wurde da- selbst von chinesischen Würdenträgern freundlich empfangen und unter grossem Ceremoniell an den Hof des Kaisers von China ge- leitet. Dort jedoch theilte man ihm in sehr höflicher Weise mit, dass man sich nie und nimmer zur Abschliessung von Handelsverträgen verstehen werde.
Die politischen Ereignisse, welche zu Beginn des XIX. Jahr- hunderts die Grossmächte Europas beschäftigten, tangirten auch den Handel mit China und hatten auf die Niederlassungen daselbst eine bestimmte Rückwirkung. Die Engländer hielten sich berufen, die über- seeischen portugiesischen Besitzungen vor Handstreichen der Fran- zosen zu schützen und besetzten Macao im Jahre 1802 zum ersten und 1808 zum zweiten Male, was die Chinesen als Eingriffe in ihre Oberhoheit ansahen und zum Anlasse nahmen, den Handel mit den Engländern ganz zu sperren.
Erst nach Abberufung der englischen Garnison aus Macao wurde der Handel, aber nur unter erniedrigenden Bedingungen wieder aufgenommen.
Doch erzwangen die Engländer 1814 den ersten Vertrag, als sie sämmtliche englische Handelsfahrzeuge vom Perlflusse zurück- zogen und so die Chinesen mit ihren eigenen Waffen schlugen. Diese verhandelten, und das Ergebniss war die Abschliessung eines vom Vicekönig eigenhändig unterfertigten Vertrages, der den Fremden das
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 49
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Chinesische Häfen.
Versuche, sich in directe Beziehungen zum Hofe von Peking
zu setzen, um daselbst eine Regelung der Zustände zu erlangen,
scheiterten an dem Eigendünkel der dortigen Machthaber, denn der
Kaiser von China hielt sich für den unumschränkten Herrscher über die
ganze Welt und betrachtete die Fremden nur als seinem unnahbaren
Throne fernstehendste Unterthanen. Wurde es den fremden Kaufleuten
zu arg, so kam es zur zeitweiligen Einstellung des Handels. Der
Entfall der Zölle und Abgaben wurde aber am Hofe von Peking
missliebig bemerkt, Untersuchungen wurden angeordnet und die
Wiederaufnahme des Handels angebahnt, jedoch die Rechtlosigkeit der
Fremden wurde nicht beseitigt.
Die vielfachen Reibereien zwischen englischen Kaufleuten und
Chinesen, die geringe Achtung, mit der die Engländer im Vergleiche
zu den Portugiesen behandelt wurden, und endlich die Sorge um einen
jährlichen Handelsumsatz von mehreren Millionen Pfund Sterling
drängten die englische Regierung zu entscheidenden Schritten. Im Jahre
1793 erschien Earl Macartney als Gesandter mit einem britischen Kriegs-
schiff und zwei Begleitschiffen an der Peiho-Mündung, wurde da-
selbst von chinesischen Würdenträgern freundlich empfangen und
unter grossem Ceremoniell an den Hof des Kaisers von China ge-
leitet. Dort jedoch theilte man ihm in sehr höflicher Weise mit, dass
man sich nie und nimmer zur Abschliessung von Handelsverträgen
verstehen werde.
Die politischen Ereignisse, welche zu Beginn des XIX. Jahr-
hunderts die Grossmächte Europas beschäftigten, tangirten auch den
Handel mit China und hatten auf die Niederlassungen daselbst eine
bestimmte Rückwirkung. Die Engländer hielten sich berufen, die über-
seeischen portugiesischen Besitzungen vor Handstreichen der Fran-
zosen zu schützen und besetzten Macao im Jahre 1802 zum ersten
und 1808 zum zweiten Male, was die Chinesen als Eingriffe in ihre
Oberhoheit ansahen und zum Anlasse nahmen, den Handel mit den
Engländern ganz zu sperren.
Erst nach Abberufung der englischen Garnison aus Macao
wurde der Handel, aber nur unter erniedrigenden Bedingungen wieder
aufgenommen.
Doch erzwangen die Engländer 1814 den ersten Vertrag, als
sie sämmtliche englische Handelsfahrzeuge vom Perlflusse zurück-
zogen und so die Chinesen mit ihren eigenen Waffen schlugen. Diese
verhandelten, und das Ergebniss war die Abschliessung eines vom
Vicekönig eigenhändig unterfertigten Vertrages, der den Fremden das
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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