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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
gebrochene Taiping-Revolution hatte ein offenes Feld für ihr Be-
streben gefunden. Die Rebellen brachten binnen kurzer Zeit einen
grossen Theil des Reiches unter ihre Herrschaft und riefen ihr Ober-
haupt zum Kaiser aus.

Trotzdem ignorirte die kaiserliche Regierung in Peking scheinbar
die Wegnahme Cantons durch die vereinigten Engländer und Fran-
zosen (December 1857) und unternahm nichts, um den Forderungen
der Fremden nachzukommen und sie dergestalt zur Herausgabe der
Stadt zu bewegen. Solchem Starrsinn gegenüber musste man sich zu
einem Angriffe auf Peking selbst entschliessen. Die vereinigte englisch-
französische Escadre nahm die die Mündung des Peiho beherrschenden
Forts nach kurzem Kampfe (20. Mai 1858) und ihre Truppen trafen
alle Anstalten in Peking einzurücken. Dieses Vorgehen hatte den
Erfolg, dass sich in Tientsin chinesische Würdenträger einfanden,
die sich auf Grund ihrer vom Kaiser erhaltenen Vollmachten zu
Verhandlungen bereit erklärten. Letztere, an welchen auch Vertreter
der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Russlands theilnahmen,
zogen sich sehr in die Länge, führten aber (26. Juni 1858) doch zum
Abschlusse des Vertrages von Tientsin, infolge dessen nebst den
bereits für den fremden Handel freigegebenen Häfen noch Niutschuan,
Tschifu, Thaiwan (Formosa), Schatou und Kiungtschou und am
Yangtsekiang zunächst nur Tschinkiang geöffnet und die Regelung
der Zölle und Abgaben sichergestellt wurde.

In diesen Plätzen nehmen die britischen Unterthanen besondere
Stadtviertel ein, welche das Recht der Selbstverwaltung besitzen; sie
haben ihre eigenen Kirchen, Schulen, Spitäler und Friedhöfe und
unterstehen der Gerichtsbarkeit ihrer eigenen Richter.

Der Artikel 51 des Vertrages aber setzte ferner fest, dass das
Zeichen "I", welches Barbaren bedeutet, im ganzen chinesischen
Reiche in officiellen Documenten unter keiner Bedingung mehr an-
gewendet werden dürfe.

Jedoch auch der Ratification dieses Vertrages suchten die chinesi-
schen Behörden unter allerlei Vorwänden auszuweichen und neue
Verhandlungen in Schanghai, also weit entfernt von Peking zu
eröffnen.

Da verbündeten sich England und Frankreich zu einem ent-
scheidenden Schlage auf Peking. Sie landeten mit 18.000 Mann
bei dem Taku-Fort und drangen landwärts bis über Tientsin vor.
In nächster Nähe von Peking gelang es der Ueberredungskunst
der Chinesen nochmals, die Fremden zu täuschen und aufzuhalten. Bald

Der grosse Ocean.
gebrochene Taiping-Revolution hatte ein offenes Feld für ihr Be-
streben gefunden. Die Rebellen brachten binnen kurzer Zeit einen
grossen Theil des Reiches unter ihre Herrschaft und riefen ihr Ober-
haupt zum Kaiser aus.

Trotzdem ignorirte die kaiserliche Regierung in Peking scheinbar
die Wegnahme Cantons durch die vereinigten Engländer und Fran-
zosen (December 1857) und unternahm nichts, um den Forderungen
der Fremden nachzukommen und sie dergestalt zur Herausgabe der
Stadt zu bewegen. Solchem Starrsinn gegenüber musste man sich zu
einem Angriffe auf Peking selbst entschliessen. Die vereinigte englisch-
französische Escadre nahm die die Mündung des Peiho beherrschenden
Forts nach kurzem Kampfe (20. Mai 1858) und ihre Truppen trafen
alle Anstalten in Peking einzurücken. Dieses Vorgehen hatte den
Erfolg, dass sich in Tientsin chinesische Würdenträger einfanden,
die sich auf Grund ihrer vom Kaiser erhaltenen Vollmachten zu
Verhandlungen bereit erklärten. Letztere, an welchen auch Vertreter
der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Russlands theilnahmen,
zogen sich sehr in die Länge, führten aber (26. Juni 1858) doch zum
Abschlusse des Vertrages von Tientsin, infolge dessen nebst den
bereits für den fremden Handel freigegebenen Häfen noch Niutschuan,
Tschifu, Thaiwan (Formosa), Schatou und Kiungtschou und am
Yangtsekiang zunächst nur Tschinkiang geöffnet und die Regelung
der Zölle und Abgaben sichergestellt wurde.

In diesen Plätzen nehmen die britischen Unterthanen besondere
Stadtviertel ein, welche das Recht der Selbstverwaltung besitzen; sie
haben ihre eigenen Kirchen, Schulen, Spitäler und Friedhöfe und
unterstehen der Gerichtsbarkeit ihrer eigenen Richter.

Der Artikel 51 des Vertrages aber setzte ferner fest, dass das
Zeichen „I“, welches Barbaren bedeutet, im ganzen chinesischen
Reiche in officiellen Documenten unter keiner Bedingung mehr an-
gewendet werden dürfe.

Jedoch auch der Ratification dieses Vertrages suchten die chinesi-
schen Behörden unter allerlei Vorwänden auszuweichen und neue
Verhandlungen in Schanghai, also weit entfernt von Peking zu
eröffnen.

Da verbündeten sich England und Frankreich zu einem ent-
scheidenden Schlage auf Peking. Sie landeten mit 18.000 Mann
bei dem Taku-Fort und drangen landwärts bis über Tientsin vor.
In nächster Nähe von Peking gelang es der Ueberredungskunst
der Chinesen nochmals, die Fremden zu täuschen und aufzuhalten. Bald

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[390/0406] Der grosse Ocean. gebrochene Taiping-Revolution hatte ein offenes Feld für ihr Be- streben gefunden. Die Rebellen brachten binnen kurzer Zeit einen grossen Theil des Reiches unter ihre Herrschaft und riefen ihr Ober- haupt zum Kaiser aus. Trotzdem ignorirte die kaiserliche Regierung in Peking scheinbar die Wegnahme Cantons durch die vereinigten Engländer und Fran- zosen (December 1857) und unternahm nichts, um den Forderungen der Fremden nachzukommen und sie dergestalt zur Herausgabe der Stadt zu bewegen. Solchem Starrsinn gegenüber musste man sich zu einem Angriffe auf Peking selbst entschliessen. Die vereinigte englisch- französische Escadre nahm die die Mündung des Peiho beherrschenden Forts nach kurzem Kampfe (20. Mai 1858) und ihre Truppen trafen alle Anstalten in Peking einzurücken. Dieses Vorgehen hatte den Erfolg, dass sich in Tientsin chinesische Würdenträger einfanden, die sich auf Grund ihrer vom Kaiser erhaltenen Vollmachten zu Verhandlungen bereit erklärten. Letztere, an welchen auch Vertreter der Vereinigten Staaten von Nordamerika und Russlands theilnahmen, zogen sich sehr in die Länge, führten aber (26. Juni 1858) doch zum Abschlusse des Vertrages von Tientsin, infolge dessen nebst den bereits für den fremden Handel freigegebenen Häfen noch Niutschuan, Tschifu, Thaiwan (Formosa), Schatou und Kiungtschou und am Yangtsekiang zunächst nur Tschinkiang geöffnet und die Regelung der Zölle und Abgaben sichergestellt wurde. In diesen Plätzen nehmen die britischen Unterthanen besondere Stadtviertel ein, welche das Recht der Selbstverwaltung besitzen; sie haben ihre eigenen Kirchen, Schulen, Spitäler und Friedhöfe und unterstehen der Gerichtsbarkeit ihrer eigenen Richter. Der Artikel 51 des Vertrages aber setzte ferner fest, dass das Zeichen „I“, welches Barbaren bedeutet, im ganzen chinesischen Reiche in officiellen Documenten unter keiner Bedingung mehr an- gewendet werden dürfe. Jedoch auch der Ratification dieses Vertrages suchten die chinesi- schen Behörden unter allerlei Vorwänden auszuweichen und neue Verhandlungen in Schanghai, also weit entfernt von Peking zu eröffnen. Da verbündeten sich England und Frankreich zu einem ent- scheidenden Schlage auf Peking. Sie landeten mit 18.000 Mann bei dem Taku-Fort und drangen landwärts bis über Tientsin vor. In nächster Nähe von Peking gelang es der Ueberredungskunst der Chinesen nochmals, die Fremden zu täuschen und aufzuhalten. Bald

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/406>, abgerufen am 22.11.2024.