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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Chinesische Häfen.
jedoch wurde jede weitere Verhandlung abgelehnt und nach Ueber-
windung des chinesischen Heeres bis unter die Mauern von Peking vor-
gedrungen. Nach abermaligen fruchtlosen Verhandlungen wurden die
Feindseligkeiten am 6. October wieder eröffnet, der ausserhalb der Stadt
gelegene Sommerpalast des Kaisers gestürmt und geplündert, und die
Uebergabe eines Stadtthores bei Androhung des Bombardements ge-
fordert. Das entschiedene Auftreten der Verbündeten bewog die
Chinesen, nunmehr den Forderungen ein willfähriges Gehör zu
schenken. Die Thore Pekings wurden geöffnet und von den Fremden
besetzt. Der Friedensschluss aber und die Unterzeichnung des neuen
Vertrages konnten erst erreicht werden, als der Sommerpalast in
Brand gesteckt und die Besetzung des Kaiserpalastes in Aussicht
gestellt worden war. Am 24. October 1860 endlich wurde in
Peking in feierlicher Weise die Convention unterzeichnet und die
Ratification des Vertrages von 1858 mit den Engländern und den
Franzosen vorgenommen. Nach Bestätigung der Convention durch den
Kaiser von China, der sich während dieser Zeit auf seinem Jagd-
schloss in der Tartarei aufgehalten hatte, räumten die fremden
Truppen Peking und alle übrigen besetzten Orte und zogen sich nach
Hongkong zurück, die Gesandten aber bezogen ihre Wohnungen in
der Hauptstadt.

Durch besondere Handelsverträge wurden diese Vorrechte der
Engländer und Franzosen auf die übrigen europäischen und die
amerikanischen Staaten sowie Japan ausgedehnt.

England und Frankreich arbeiteten auch nach diesen Erfolgen
unausgesetzt an der weiteren handelspolitischen Erschliessung von
China. Ihr Hauptaugenmerk war auf die Provinz Yünnan gerichtet,
die an Indien grenzt.

Die Ermordung eines englischen Reisenden (Margary), der trotz
des Abrathens der chinesischen Behörden seinen Weg durch die
Grenzlandschaften von Yünnan nach Bhamo fortsetzte, gab den Eng-
ländern den Vorwand zu neuen Verhandlungen, deren Ergebniss der
Vertrag von Tschifu (13. September 1876) war. Doch erlangten
sie die Ratificirung erst am 6. Mai 1886, nachdem sie den Frieden
zwischen China und Frankreich wegen Tongking vermittelt, das früher
an China Tribut gezahlt hatte und jetzt von Frankreich erobert wurde.

Durch diesen Vertrag wurden neuerdings mehrere Häfen dem
Verkehr geöffnet, worunter Itschang am Yangtsekiang besonders
werthvoll war. Und selbst das noch weiter oberhalb gelegene
Tschungking sollte in dem Augenblicke Vertragshafen sein, als man

Chinesische Häfen.
jedoch wurde jede weitere Verhandlung abgelehnt und nach Ueber-
windung des chinesischen Heeres bis unter die Mauern von Peking vor-
gedrungen. Nach abermaligen fruchtlosen Verhandlungen wurden die
Feindseligkeiten am 6. October wieder eröffnet, der ausserhalb der Stadt
gelegene Sommerpalast des Kaisers gestürmt und geplündert, und die
Uebergabe eines Stadtthores bei Androhung des Bombardements ge-
fordert. Das entschiedene Auftreten der Verbündeten bewog die
Chinesen, nunmehr den Forderungen ein willfähriges Gehör zu
schenken. Die Thore Pekings wurden geöffnet und von den Fremden
besetzt. Der Friedensschluss aber und die Unterzeichnung des neuen
Vertrages konnten erst erreicht werden, als der Sommerpalast in
Brand gesteckt und die Besetzung des Kaiserpalastes in Aussicht
gestellt worden war. Am 24. October 1860 endlich wurde in
Peking in feierlicher Weise die Convention unterzeichnet und die
Ratification des Vertrages von 1858 mit den Engländern und den
Franzosen vorgenommen. Nach Bestätigung der Convention durch den
Kaiser von China, der sich während dieser Zeit auf seinem Jagd-
schloss in der Tartarei aufgehalten hatte, räumten die fremden
Truppen Peking und alle übrigen besetzten Orte und zogen sich nach
Hongkong zurück, die Gesandten aber bezogen ihre Wohnungen in
der Hauptstadt.

Durch besondere Handelsverträge wurden diese Vorrechte der
Engländer und Franzosen auf die übrigen europäischen und die
amerikanischen Staaten sowie Japan ausgedehnt.

England und Frankreich arbeiteten auch nach diesen Erfolgen
unausgesetzt an der weiteren handelspolitischen Erschliessung von
China. Ihr Hauptaugenmerk war auf die Provinz Yünnan gerichtet,
die an Indien grenzt.

Die Ermordung eines englischen Reisenden (Margary), der trotz
des Abrathens der chinesischen Behörden seinen Weg durch die
Grenzlandschaften von Yünnan nach Bhamo fortsetzte, gab den Eng-
ländern den Vorwand zu neuen Verhandlungen, deren Ergebniss der
Vertrag von Tschifu (13. September 1876) war. Doch erlangten
sie die Ratificirung erst am 6. Mai 1886, nachdem sie den Frieden
zwischen China und Frankreich wegen Tongking vermittelt, das früher
an China Tribut gezahlt hatte und jetzt von Frankreich erobert wurde.

Durch diesen Vertrag wurden neuerdings mehrere Häfen dem
Verkehr geöffnet, worunter Itschang am Yangtsekiang besonders
werthvoll war. Und selbst das noch weiter oberhalb gelegene
Tschungking sollte in dem Augenblicke Vertragshafen sein, als man

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[391/0407] Chinesische Häfen. jedoch wurde jede weitere Verhandlung abgelehnt und nach Ueber- windung des chinesischen Heeres bis unter die Mauern von Peking vor- gedrungen. Nach abermaligen fruchtlosen Verhandlungen wurden die Feindseligkeiten am 6. October wieder eröffnet, der ausserhalb der Stadt gelegene Sommerpalast des Kaisers gestürmt und geplündert, und die Uebergabe eines Stadtthores bei Androhung des Bombardements ge- fordert. Das entschiedene Auftreten der Verbündeten bewog die Chinesen, nunmehr den Forderungen ein willfähriges Gehör zu schenken. Die Thore Pekings wurden geöffnet und von den Fremden besetzt. Der Friedensschluss aber und die Unterzeichnung des neuen Vertrages konnten erst erreicht werden, als der Sommerpalast in Brand gesteckt und die Besetzung des Kaiserpalastes in Aussicht gestellt worden war. Am 24. October 1860 endlich wurde in Peking in feierlicher Weise die Convention unterzeichnet und die Ratification des Vertrages von 1858 mit den Engländern und den Franzosen vorgenommen. Nach Bestätigung der Convention durch den Kaiser von China, der sich während dieser Zeit auf seinem Jagd- schloss in der Tartarei aufgehalten hatte, räumten die fremden Truppen Peking und alle übrigen besetzten Orte und zogen sich nach Hongkong zurück, die Gesandten aber bezogen ihre Wohnungen in der Hauptstadt. Durch besondere Handelsverträge wurden diese Vorrechte der Engländer und Franzosen auf die übrigen europäischen und die amerikanischen Staaten sowie Japan ausgedehnt. England und Frankreich arbeiteten auch nach diesen Erfolgen unausgesetzt an der weiteren handelspolitischen Erschliessung von China. Ihr Hauptaugenmerk war auf die Provinz Yünnan gerichtet, die an Indien grenzt. Die Ermordung eines englischen Reisenden (Margary), der trotz des Abrathens der chinesischen Behörden seinen Weg durch die Grenzlandschaften von Yünnan nach Bhamo fortsetzte, gab den Eng- ländern den Vorwand zu neuen Verhandlungen, deren Ergebniss der Vertrag von Tschifu (13. September 1876) war. Doch erlangten sie die Ratificirung erst am 6. Mai 1886, nachdem sie den Frieden zwischen China und Frankreich wegen Tongking vermittelt, das früher an China Tribut gezahlt hatte und jetzt von Frankreich erobert wurde. Durch diesen Vertrag wurden neuerdings mehrere Häfen dem Verkehr geöffnet, worunter Itschang am Yangtsekiang besonders werthvoll war. Und selbst das noch weiter oberhalb gelegene Tschungking sollte in dem Augenblicke Vertragshafen sein, als man

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/407>, abgerufen am 22.11.2024.