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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
der etwas unbequemen Weise ins Freie zu strecken, sondern vielmehr
die Unmöglichkeit, einen anderen Platz für sie zu finden. Als Ver-
treter der Macht gegen die im Flussgebiete zuweilen noch heutzutage
mit Erfolg erscheinenden Piraten figuriren einige Kriegsdschunken,
die durch ihre grosse Zahl von Geschützen und den reichlichen
Schmuck von Flaggen und Wimpeln auffallen, deren Bedeutung dem
Fremden ein Räthsel bleibt.

Die Stadt Canton hat noch gegenwärtig ihren rein chinesischen
Charakter in ausgesprochener Weise beibehalten. Die Doppelthürme
der im Weichbilde der Stadt stehenden katholischen Kirche, welche
alle übrigen Bauwerke bei weitem überragen und daher den ankom-
menden Schiffen zuerst in Sicht kommen, heben sich von dem wohl
ausgebreiteten, aber in seiner Gleichförmigkeit unansehnlichen Bilde ab,
das die Stadt dem Beschauer zeigt. Sowie die meisten chinesischen
Städte, wird auch Canton von einer, wegen der grossen Ausbreitung
der Stadt fast 10 Kilometer langen Ringmauer umgeben. Chine-
sischen Angriffswaffen gegenüber ist diese Mauer, in Verbindung mit
dem vorliegenden und theilweise unter Wasser stehenden Festungs-
graben ein ausreichender Schutz für die Stadt, da sie fast durch-
gehends über 12 m hoch und auf der an 7 m breiten Krone mit
zahlreichen durch eine crenelirte Brustwehr maskirten Geschützen be-
setzt ist. Modernen Angriffsmitteln aber würde sie umsoweniger einen
Widerstand leisten können, als der Zustand ihrer Geschütze ein
äusserst verwahrloster ist.

Der dem Flussufer zugekehrte Stadttheil führt den Namen Neu-
Canton und ist durch eine zum Flusse parallel laufende Mauer mit
breitem Wassergraben von der landwärts gelegenen, mehr als fünf Sechstel
des Gesammtareals einnehmenden alten Tartarenstadt geschieden. Zwölf
Thore, von welchen drei auf die letzterwähnte Scheidemauer und vier
auf die dem Flusse zugewendete Seite Neu-Cantons entfallen, ermög-
lichen den Verkehr.

Die Tartarenstadt und Neu-Canton sind in ihrem Wesen von
einander sehr verschieden, die erstere hat nur in ihrem südlichen
Theil durch die dichte Gruppirung von Bauten ein ausgesprochenes
Stadtgepräge, während der grösste Theil des von der Ringmauer um-
schlossenen Areals noch Ackerland ist. Grosse öffentliche Gebäude
und Anstalten nebst einer namhaften Zahl von Tempelbauten liegen
innerhalb desselben zerstreut. Sie kennzeichnen sich weniger durch
ihre Architektonik, als durch die Ausdehnung ihrer Anlage. Endlose
mit Pallisaden oder Mauerwerk abgeschlossene Gänge führen zu

Der grosse Ocean.
der etwas unbequemen Weise ins Freie zu strecken, sondern vielmehr
die Unmöglichkeit, einen anderen Platz für sie zu finden. Als Ver-
treter der Macht gegen die im Flussgebiete zuweilen noch heutzutage
mit Erfolg erscheinenden Piraten figuriren einige Kriegsdschunken,
die durch ihre grosse Zahl von Geschützen und den reichlichen
Schmuck von Flaggen und Wimpeln auffallen, deren Bedeutung dem
Fremden ein Räthsel bleibt.

Die Stadt Canton hat noch gegenwärtig ihren rein chinesischen
Charakter in ausgesprochener Weise beibehalten. Die Doppelthürme
der im Weichbilde der Stadt stehenden katholischen Kirche, welche
alle übrigen Bauwerke bei weitem überragen und daher den ankom-
menden Schiffen zuerst in Sicht kommen, heben sich von dem wohl
ausgebreiteten, aber in seiner Gleichförmigkeit unansehnlichen Bilde ab,
das die Stadt dem Beschauer zeigt. Sowie die meisten chinesischen
Städte, wird auch Canton von einer, wegen der grossen Ausbreitung
der Stadt fast 10 Kilometer langen Ringmauer umgeben. Chine-
sischen Angriffswaffen gegenüber ist diese Mauer, in Verbindung mit
dem vorliegenden und theilweise unter Wasser stehenden Festungs-
graben ein ausreichender Schutz für die Stadt, da sie fast durch-
gehends über 12 m hoch und auf der an 7 m breiten Krone mit
zahlreichen durch eine crenelirte Brustwehr maskirten Geschützen be-
setzt ist. Modernen Angriffsmitteln aber würde sie umsoweniger einen
Widerstand leisten können, als der Zustand ihrer Geschütze ein
äusserst verwahrloster ist.

Der dem Flussufer zugekehrte Stadttheil führt den Namen Neu-
Canton und ist durch eine zum Flusse parallel laufende Mauer mit
breitem Wassergraben von der landwärts gelegenen, mehr als fünf Sechstel
des Gesammtareals einnehmenden alten Tartarenstadt geschieden. Zwölf
Thore, von welchen drei auf die letzterwähnte Scheidemauer und vier
auf die dem Flusse zugewendete Seite Neu-Cantons entfallen, ermög-
lichen den Verkehr.

Die Tartarenstadt und Neu-Canton sind in ihrem Wesen von
einander sehr verschieden, die erstere hat nur in ihrem südlichen
Theil durch die dichte Gruppirung von Bauten ein ausgesprochenes
Stadtgepräge, während der grösste Theil des von der Ringmauer um-
schlossenen Areals noch Ackerland ist. Grosse öffentliche Gebäude
und Anstalten nebst einer namhaften Zahl von Tempelbauten liegen
innerhalb desselben zerstreut. Sie kennzeichnen sich weniger durch
ihre Architektonik, als durch die Ausdehnung ihrer Anlage. Endlose
mit Pallisaden oder Mauerwerk abgeschlossene Gänge führen zu

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[440/0456] Der grosse Ocean. der etwas unbequemen Weise ins Freie zu strecken, sondern vielmehr die Unmöglichkeit, einen anderen Platz für sie zu finden. Als Ver- treter der Macht gegen die im Flussgebiete zuweilen noch heutzutage mit Erfolg erscheinenden Piraten figuriren einige Kriegsdschunken, die durch ihre grosse Zahl von Geschützen und den reichlichen Schmuck von Flaggen und Wimpeln auffallen, deren Bedeutung dem Fremden ein Räthsel bleibt. Die Stadt Canton hat noch gegenwärtig ihren rein chinesischen Charakter in ausgesprochener Weise beibehalten. Die Doppelthürme der im Weichbilde der Stadt stehenden katholischen Kirche, welche alle übrigen Bauwerke bei weitem überragen und daher den ankom- menden Schiffen zuerst in Sicht kommen, heben sich von dem wohl ausgebreiteten, aber in seiner Gleichförmigkeit unansehnlichen Bilde ab, das die Stadt dem Beschauer zeigt. Sowie die meisten chinesischen Städte, wird auch Canton von einer, wegen der grossen Ausbreitung der Stadt fast 10 Kilometer langen Ringmauer umgeben. Chine- sischen Angriffswaffen gegenüber ist diese Mauer, in Verbindung mit dem vorliegenden und theilweise unter Wasser stehenden Festungs- graben ein ausreichender Schutz für die Stadt, da sie fast durch- gehends über 12 m hoch und auf der an 7 m breiten Krone mit zahlreichen durch eine crenelirte Brustwehr maskirten Geschützen be- setzt ist. Modernen Angriffsmitteln aber würde sie umsoweniger einen Widerstand leisten können, als der Zustand ihrer Geschütze ein äusserst verwahrloster ist. Der dem Flussufer zugekehrte Stadttheil führt den Namen Neu- Canton und ist durch eine zum Flusse parallel laufende Mauer mit breitem Wassergraben von der landwärts gelegenen, mehr als fünf Sechstel des Gesammtareals einnehmenden alten Tartarenstadt geschieden. Zwölf Thore, von welchen drei auf die letzterwähnte Scheidemauer und vier auf die dem Flusse zugewendete Seite Neu-Cantons entfallen, ermög- lichen den Verkehr. Die Tartarenstadt und Neu-Canton sind in ihrem Wesen von einander sehr verschieden, die erstere hat nur in ihrem südlichen Theil durch die dichte Gruppirung von Bauten ein ausgesprochenes Stadtgepräge, während der grösste Theil des von der Ringmauer um- schlossenen Areals noch Ackerland ist. Grosse öffentliche Gebäude und Anstalten nebst einer namhaften Zahl von Tempelbauten liegen innerhalb desselben zerstreut. Sie kennzeichnen sich weniger durch ihre Architektonik, als durch die Ausdehnung ihrer Anlage. Endlose mit Pallisaden oder Mauerwerk abgeschlossene Gänge führen zu

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/456>, abgerufen am 22.11.2024.