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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.

Die äussersten südlichen Ausläufer des Stadtgebietes von Bang-
kok sind die am Flussufer vorgeschobenen Docks und Werften, so-
wie die Consulate und zwei Forts. Die vor der Stadt ankern-
den Schiffe finden daselbst eine grosse Zahl von Anlegetreppen,
welche fast bei jedem der unmittelbar am Flusse liegenden Häuser
angebracht sind, sowie auch ein reichhaltiges Material von Flottanten
aller Arten und Grössen, die zur Vermittlung des Personen- und
Waarenverkehres zwischen Schiff und Land dienen.

Aus dem kleinen Dörfchen, das sich einst an dieser Stelle befand, ist in-
folge des im Jahre 1769 erfolgten Auflassens der alten Residenzstadt Si Ayo-
Phaya, die derzeit grösste Stadt Hinterindiens entstanden. Der einheimische
Name der ehemaligen Königsstadt ist auf Bangkok übergegangen, das in offi-
ciellen Acten noch jetzt als Li Ayuthia Maha (grosse königliche Stadt der Engel)
bezeichnet wird.

Der mächtige Menamfluss, sowie ein Netz von kleineren Armen
desselben und von Canälen durchziehen als Hauptcommunicationen
die ganze Stadt, die deswegen von Vielen mit Venedig verglichen
wird. An diesen Wasseradern liegen zahllose, unansehnliche Bambus-
hütten als Wohnstätten der ärmeren Bevölkerung; die Häuser der
wohlhabenderen Classen liegen zumeist inmitten von Gärten und sind
aus Holz oder Bambus auf Pfählen erbaut, so dass man zur Veranda
auf einer Treppe emporsteigt. Steinmateriale wird zu Wohnhäusern
nur von den Europäern, und zu den Klöstern und den könig-
lichen Palästen verwendet; alles Uebrige, auch der Bazar, der nicht
auf Pfählen, sondern auf festem Boden erbaut ist, macht keine Aus-
nahme von der allgemeinen Bauart, alle Privatgebäude aus Holz,
vorzugsweise aus Bambus zu construiren.

Unter den Wohnhäusern gibt es hier wie auch in Paklat schwim-
mende, die mitunter sogar ein Stockwerk besitzen; sie werden an ein-
gerammten Pfählen festgebunden und sind gegen das Wasser zu offen.

Diese Häuser gestatten den Besitzern, ihren Wohnort mit Leichtig-
keit zu verändern, indem sie sich mit ihrem Hause einfach durch die
Strömung zu einer passenden und noch unbesetzten Stelle im Flusse
treiben lassen. Diese Wasserwohnungen sind zumeist Werkstätten
oder kleinere Verkaufsläden und tragen daher in hervorragender
Weise dazu bei, den Fluss, auf welchem der ganze Marktverkehr
stattfindet, überaus bunt und rege zu beleben. Diese grosse Rührig-
keit des Verkehres wird nur dann für kurze Zeit gehemmt, wenn ein
Staatsboot (kenntlich an seinem hohen und reichverzierten Buge)
durch die betreffenden Wasserstrassen fährt.

Der Bazar Sampeng wird durch eine gerade und schmale, sehr

Der grosse Ocean.

Die äussersten südlichen Ausläufer des Stadtgebietes von Bang-
kok sind die am Flussufer vorgeschobenen Docks und Werften, so-
wie die Consulate und zwei Forts. Die vor der Stadt ankern-
den Schiffe finden daselbst eine grosse Zahl von Anlegetreppen,
welche fast bei jedem der unmittelbar am Flusse liegenden Häuser
angebracht sind, sowie auch ein reichhaltiges Material von Flottanten
aller Arten und Grössen, die zur Vermittlung des Personen- und
Waarenverkehres zwischen Schiff und Land dienen.

Aus dem kleinen Dörfchen, das sich einst an dieser Stelle befand, ist in-
folge des im Jahre 1769 erfolgten Auflassens der alten Residenzstadt Si Ayo-
Phaya, die derzeit grösste Stadt Hinterindiens entstanden. Der einheimische
Name der ehemaligen Königsstadt ist auf Bangkok übergegangen, das in offi-
ciellen Acten noch jetzt als Li Ayuthia Maha (grosse königliche Stadt der Engel)
bezeichnet wird.

Der mächtige Menamfluss, sowie ein Netz von kleineren Armen
desselben und von Canälen durchziehen als Hauptcommunicationen
die ganze Stadt, die deswegen von Vielen mit Venedig verglichen
wird. An diesen Wasseradern liegen zahllose, unansehnliche Bambus-
hütten als Wohnstätten der ärmeren Bevölkerung; die Häuser der
wohlhabenderen Classen liegen zumeist inmitten von Gärten und sind
aus Holz oder Bambus auf Pfählen erbaut, so dass man zur Veranda
auf einer Treppe emporsteigt. Steinmateriale wird zu Wohnhäusern
nur von den Europäern, und zu den Klöstern und den könig-
lichen Palästen verwendet; alles Uebrige, auch der Bazar, der nicht
auf Pfählen, sondern auf festem Boden erbaut ist, macht keine Aus-
nahme von der allgemeinen Bauart, alle Privatgebäude aus Holz,
vorzugsweise aus Bambus zu construiren.

Unter den Wohnhäusern gibt es hier wie auch in Paklat schwim-
mende, die mitunter sogar ein Stockwerk besitzen; sie werden an ein-
gerammten Pfählen festgebunden und sind gegen das Wasser zu offen.

Diese Häuser gestatten den Besitzern, ihren Wohnort mit Leichtig-
keit zu verändern, indem sie sich mit ihrem Hause einfach durch die
Strömung zu einer passenden und noch unbesetzten Stelle im Flusse
treiben lassen. Diese Wasserwohnungen sind zumeist Werkstätten
oder kleinere Verkaufsläden und tragen daher in hervorragender
Weise dazu bei, den Fluss, auf welchem der ganze Marktverkehr
stattfindet, überaus bunt und rege zu beleben. Diese grosse Rührig-
keit des Verkehres wird nur dann für kurze Zeit gehemmt, wenn ein
Staatsboot (kenntlich an seinem hohen und reichverzierten Buge)
durch die betreffenden Wasserstrassen fährt.

Der Bazar Sampeng wird durch eine gerade und schmale, sehr

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[474/0490] Der grosse Ocean. Die äussersten südlichen Ausläufer des Stadtgebietes von Bang- kok sind die am Flussufer vorgeschobenen Docks und Werften, so- wie die Consulate und zwei Forts. Die vor der Stadt ankern- den Schiffe finden daselbst eine grosse Zahl von Anlegetreppen, welche fast bei jedem der unmittelbar am Flusse liegenden Häuser angebracht sind, sowie auch ein reichhaltiges Material von Flottanten aller Arten und Grössen, die zur Vermittlung des Personen- und Waarenverkehres zwischen Schiff und Land dienen. Aus dem kleinen Dörfchen, das sich einst an dieser Stelle befand, ist in- folge des im Jahre 1769 erfolgten Auflassens der alten Residenzstadt Si Ayo- Phaya, die derzeit grösste Stadt Hinterindiens entstanden. Der einheimische Name der ehemaligen Königsstadt ist auf Bangkok übergegangen, das in offi- ciellen Acten noch jetzt als Li Ayuthia Maha (grosse königliche Stadt der Engel) bezeichnet wird. Der mächtige Menamfluss, sowie ein Netz von kleineren Armen desselben und von Canälen durchziehen als Hauptcommunicationen die ganze Stadt, die deswegen von Vielen mit Venedig verglichen wird. An diesen Wasseradern liegen zahllose, unansehnliche Bambus- hütten als Wohnstätten der ärmeren Bevölkerung; die Häuser der wohlhabenderen Classen liegen zumeist inmitten von Gärten und sind aus Holz oder Bambus auf Pfählen erbaut, so dass man zur Veranda auf einer Treppe emporsteigt. Steinmateriale wird zu Wohnhäusern nur von den Europäern, und zu den Klöstern und den könig- lichen Palästen verwendet; alles Uebrige, auch der Bazar, der nicht auf Pfählen, sondern auf festem Boden erbaut ist, macht keine Aus- nahme von der allgemeinen Bauart, alle Privatgebäude aus Holz, vorzugsweise aus Bambus zu construiren. Unter den Wohnhäusern gibt es hier wie auch in Paklat schwim- mende, die mitunter sogar ein Stockwerk besitzen; sie werden an ein- gerammten Pfählen festgebunden und sind gegen das Wasser zu offen. Diese Häuser gestatten den Besitzern, ihren Wohnort mit Leichtig- keit zu verändern, indem sie sich mit ihrem Hause einfach durch die Strömung zu einer passenden und noch unbesetzten Stelle im Flusse treiben lassen. Diese Wasserwohnungen sind zumeist Werkstätten oder kleinere Verkaufsläden und tragen daher in hervorragender Weise dazu bei, den Fluss, auf welchem der ganze Marktverkehr stattfindet, überaus bunt und rege zu beleben. Diese grosse Rührig- keit des Verkehres wird nur dann für kurze Zeit gehemmt, wenn ein Staatsboot (kenntlich an seinem hohen und reichverzierten Buge) durch die betreffenden Wasserstrassen fährt. Der Bazar Sampeng wird durch eine gerade und schmale, sehr

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 474. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/490>, abgerufen am 22.11.2024.