breitung der einstige Urwald Raum machen musste. Die ersten Colo- nisten, die als Pionniere des Ackerbaues ins Innere der Insel vor- drangen, hatten unendlich viel durch Ueberfälle von Tigern zu leiden. Von der Nähe der menschlichen Behausungen angelockt, schwammen diese Raubthiere von der benachbarten Halbinsel Malakka über die Enge von Tambrosch und richteten auf Singapore grosse Verheerungen an. Aelteren Angaben zufolge wurden in jener Zeit alljährlich etwa 300 Menschen von Tigern getödtet. Hohe Prämien, die von der eng- lischen Regierung und den Kaufleuten der Stadt für jeden erlegten Tiger ausbezahlt wurden, haben in relativ kurzer Zeit die fast gänz- liche Ausrottung dieses Raubthieres zu Stande gebracht. Heutzutage haben die Ansiedler nur mehr die Einfälle wilder Schweine zu be- kämpfen, welche den Anpflanzungen oft schweren Schaden zufügen.
Am nordöstlichen Ende der Stadt liegt, wie bereits erwähnt, ein malayischer Kampong, ein getreues Abbild der malayischen Ort- schaften Sumatras. Die kleinen Hütten, die auf hohen Holzpfählen erbaut sind, befinden sich an dem bei Fluth überschwemmten Fluss- ufer des Rohore River. Steile Stiegen führen zu einer Plattform, wo- selbst sich der Hauseingang befindet. Die Wohnräume sind durch kleine Fenster nur mässig beleuchtet, doch rein und ordentlich gehalten.
Schon vor geraumer Zeit wurde in der Nähe der Militärstation ein botanischer Garten angelegt, der seinem doppelten Zwecke bestens nachkommt, als Erholungsort und zugleich als wissenschaftliche Ver- suchsstation zu dienen. Dieser Garten hat unter der Leitung des Directors H. J. Murton neuerdings einen bemerkenswerthen Aufschwung genommen. Von den Pflanzen des Gartens sind insbesondere zahl- reiche Palmenarten und der Giftbaum Borneos (Antiaris toxicaria), von dem vor Zeiten so viel gefabelt worden ist, hervorzuheben.
Das Raffles-Museum, errichtet im October 1887, besitzt erst wenig umfangreiche naturhistorische Sammlungen; die Bibliothek zählt 16.000 Bände.
Die Stadt Singapore, der Sitz der Verwaltung und des höchsten Gerichtshofes der englischen Colonie Straits Settlements, zählt 120.000 Einwohner, welche sich zusammensetzen aus Europäern und deren Nachkommen, aus Malayen und Chinesen, die theils eingewandert, theils auf Singapore gebürtige Nachkommen ihrer eingewanderten Väter sind, aus den von der Coromandelküste stammenden Klings, aus Arabern, Armeniern, Parsen, Juden, Birmanen, Siamesen, Bengalesen, Javanen u. a. m.
Die Chinesen, welche derzeit schon mehr als die Hälfte der
Der grosse Ocean.
breitung der einstige Urwald Raum machen musste. Die ersten Colo- nisten, die als Pionniere des Ackerbaues ins Innere der Insel vor- drangen, hatten unendlich viel durch Ueberfälle von Tigern zu leiden. Von der Nähe der menschlichen Behausungen angelockt, schwammen diese Raubthiere von der benachbarten Halbinsel Malakka über die Enge von Tambrosch und richteten auf Singapore grosse Verheerungen an. Aelteren Angaben zufolge wurden in jener Zeit alljährlich etwa 300 Menschen von Tigern getödtet. Hohe Prämien, die von der eng- lischen Regierung und den Kaufleuten der Stadt für jeden erlegten Tiger ausbezahlt wurden, haben in relativ kurzer Zeit die fast gänz- liche Ausrottung dieses Raubthieres zu Stande gebracht. Heutzutage haben die Ansiedler nur mehr die Einfälle wilder Schweine zu be- kämpfen, welche den Anpflanzungen oft schweren Schaden zufügen.
Am nordöstlichen Ende der Stadt liegt, wie bereits erwähnt, ein malayischer Kampong, ein getreues Abbild der malayischen Ort- schaften Sumatras. Die kleinen Hütten, die auf hohen Holzpfählen erbaut sind, befinden sich an dem bei Fluth überschwemmten Fluss- ufer des Rohore River. Steile Stiegen führen zu einer Plattform, wo- selbst sich der Hauseingang befindet. Die Wohnräume sind durch kleine Fenster nur mässig beleuchtet, doch rein und ordentlich gehalten.
Schon vor geraumer Zeit wurde in der Nähe der Militärstation ein botanischer Garten angelegt, der seinem doppelten Zwecke bestens nachkommt, als Erholungsort und zugleich als wissenschaftliche Ver- suchsstation zu dienen. Dieser Garten hat unter der Leitung des Directors H. J. Murton neuerdings einen bemerkenswerthen Aufschwung genommen. Von den Pflanzen des Gartens sind insbesondere zahl- reiche Palmenarten und der Giftbaum Borneos (Antiaris toxicaria), von dem vor Zeiten so viel gefabelt worden ist, hervorzuheben.
Das Raffles-Museum, errichtet im October 1887, besitzt erst wenig umfangreiche naturhistorische Sammlungen; die Bibliothek zählt 16.000 Bände.
Die Stadt Singapore, der Sitz der Verwaltung und des höchsten Gerichtshofes der englischen Colonie Straits Settlements, zählt 120.000 Einwohner, welche sich zusammensetzen aus Europäern und deren Nachkommen, aus Malayen und Chinesen, die theils eingewandert, theils auf Singapore gebürtige Nachkommen ihrer eingewanderten Väter sind, aus den von der Coromandelküste stammenden Klings, aus Arabern, Armeniern, Parsen, Juden, Birmanen, Siamesen, Bengalesen, Javanen u. a. m.
Die Chinesen, welche derzeit schon mehr als die Hälfte der
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Der grosse Ocean.
breitung der einstige Urwald Raum machen musste. Die ersten Colo-
nisten, die als Pionniere des Ackerbaues ins Innere der Insel vor-
drangen, hatten unendlich viel durch Ueberfälle von Tigern zu leiden.
Von der Nähe der menschlichen Behausungen angelockt, schwammen
diese Raubthiere von der benachbarten Halbinsel Malakka über die
Enge von Tambrosch und richteten auf Singapore grosse Verheerungen
an. Aelteren Angaben zufolge wurden in jener Zeit alljährlich etwa
300 Menschen von Tigern getödtet. Hohe Prämien, die von der eng-
lischen Regierung und den Kaufleuten der Stadt für jeden erlegten
Tiger ausbezahlt wurden, haben in relativ kurzer Zeit die fast gänz-
liche Ausrottung dieses Raubthieres zu Stande gebracht. Heutzutage
haben die Ansiedler nur mehr die Einfälle wilder Schweine zu be-
kämpfen, welche den Anpflanzungen oft schweren Schaden zufügen.
Am nordöstlichen Ende der Stadt liegt, wie bereits erwähnt,
ein malayischer Kampong, ein getreues Abbild der malayischen Ort-
schaften Sumatras. Die kleinen Hütten, die auf hohen Holzpfählen
erbaut sind, befinden sich an dem bei Fluth überschwemmten Fluss-
ufer des Rohore River. Steile Stiegen führen zu einer Plattform, wo-
selbst sich der Hauseingang befindet. Die Wohnräume sind durch
kleine Fenster nur mässig beleuchtet, doch rein und ordentlich gehalten.
Schon vor geraumer Zeit wurde in der Nähe der Militärstation
ein botanischer Garten angelegt, der seinem doppelten Zwecke bestens
nachkommt, als Erholungsort und zugleich als wissenschaftliche Ver-
suchsstation zu dienen. Dieser Garten hat unter der Leitung des
Directors H. J. Murton neuerdings einen bemerkenswerthen Aufschwung
genommen. Von den Pflanzen des Gartens sind insbesondere zahl-
reiche Palmenarten und der Giftbaum Borneos (Antiaris toxicaria),
von dem vor Zeiten so viel gefabelt worden ist, hervorzuheben.
Das Raffles-Museum, errichtet im October 1887, besitzt erst
wenig umfangreiche naturhistorische Sammlungen; die Bibliothek
zählt 16.000 Bände.
Die Stadt Singapore, der Sitz der Verwaltung und des höchsten
Gerichtshofes der englischen Colonie Straits Settlements, zählt 120.000
Einwohner, welche sich zusammensetzen aus Europäern und deren
Nachkommen, aus Malayen und Chinesen, die theils eingewandert,
theils auf Singapore gebürtige Nachkommen ihrer eingewanderten
Väter sind, aus den von der Coromandelküste stammenden Klings, aus
Arabern, Armeniern, Parsen, Juden, Birmanen, Siamesen, Bengalesen,
Javanen u. a. m.
Die Chinesen, welche derzeit schon mehr als die Hälfte der
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/536>, abgerufen am 22.11.2024.
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