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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Madras.

Wenngleich daher dieser in jeder Beziehung ungesunde und un-
schöne Stadttheil einen möglichst ungünstigen Eindruck hervorzurufen
vermag, so ist es doch immerhin erstaunlich, was hier für schöne
und kräftige Männer und robuste Frauen -- sämmtliche natürlich
dunkelster Hautfarbe -- trotz der schlechten, sumpfigen Luft ge-
deihen.

Am westlichen Ende der Black Town liegen das grosse Hospital
und das prächtige Stationsgebäude der Central Railway, dann folgt
der Cochrane-Canal und diesem der Volksgarten, People's Park.
Letzterer ist eigentlich ein Thiergarten, der zwar einige schöne Thiere
besitzt, dabei aber im Grossen und Ganzen ziemlich verwahrlost er-
scheint.

Westlich und südlich vom People's Park breiten sich die Viertel
Vepery, Parsewakam, Egmore, Chintadripet, Pudupak Triplicane und
St. Thome aus. Letzteres ist das alte Mailapur in den Erzählungen
Marco Polo's. In den vorgenannten Stadtvierteln finden sich zwar
keine Gruppen monumentaler Bauten, wie solche beispielsweise das
Chowringhee-Viertel Calcuttas aufweist, doch sieht man hier hübsche
Villen europäischen Styles und kleine indische Häuser mit bunt an-
gestrichenen Veranden, die oft auf zierlich geschnitzten Säulen ruhen.
Da hier die meisten Gebäude sich inmitten hübscher Gärten befinden,
die von grossen Alleen und Wiesen eingefasst sind, bedeckt die Stadt
ein ausgedehntes Areal (70 km2). Sie besitzt -- die leidige Black
Town natürlich ausgenommen -- das Aussehen eines grossen Parkes,
durch den sich der kleine und unsaubere Coowam-Fluss in trägem
Laufe hinzieht.

Von diesem Flusse zweigt sich bei der Penitentiary, der grossen
Correctionsanstalt, ein Canal ab, der sich unweit der Napier Bridge
wieder mit dem Flusse vereinigt und dergestalt mit dem letzteren
eine Insel bildet, welche einfach "The Island" (die Insel) genannt wird.
Auf der Insel befindet sich gleichfalls ein kleiner Stadttheil, in dessen
Mitte sich das schöne Reiterdenkmal Sir J. Monroe's erhebt, eines
der grössten Staatsmänner Indiens, der als Gouverneur von Madras
1827 der Cholera zum Opfer gefallen ist. Dieses Monument, dessen
Schöpfer der bekannte F. Chantrey ist, verdankt seine Entstehung
einer allgemeinen Subscription.

Das Governement House (Regierungspalais) ist ein sehr hübsches
und bequem eingerichtetes Gebäude, das von einem an seltenen und
schönen Bäumen reichen Garten umgeben ist. Das Innere des Palastes
ist mit werthvollen Gemälden verziert, welche zumeist Scenen aus den

Madras.

Wenngleich daher dieser in jeder Beziehung ungesunde und un-
schöne Stadttheil einen möglichst ungünstigen Eindruck hervorzurufen
vermag, so ist es doch immerhin erstaunlich, was hier für schöne
und kräftige Männer und robuste Frauen — sämmtliche natürlich
dunkelster Hautfarbe — trotz der schlechten, sumpfigen Luft ge-
deihen.

Am westlichen Ende der Black Town liegen das grosse Hospital
und das prächtige Stationsgebäude der Central Railway, dann folgt
der Cochrane-Canal und diesem der Volksgarten, People’s Park.
Letzterer ist eigentlich ein Thiergarten, der zwar einige schöne Thiere
besitzt, dabei aber im Grossen und Ganzen ziemlich verwahrlost er-
scheint.

Westlich und südlich vom People’s Park breiten sich die Viertel
Vepery, Parsewakam, Egmore, Chintadripet, Pudupak Triplicane und
St. Thome aus. Letzteres ist das alte Maïlapur in den Erzählungen
Marco Polo’s. In den vorgenannten Stadtvierteln finden sich zwar
keine Gruppen monumentaler Bauten, wie solche beispielsweise das
Chowringhee-Viertel Calcuttas aufweist, doch sieht man hier hübsche
Villen europäischen Styles und kleine indische Häuser mit bunt an-
gestrichenen Veranden, die oft auf zierlich geschnitzten Säulen ruhen.
Da hier die meisten Gebäude sich inmitten hübscher Gärten befinden,
die von grossen Alleen und Wiesen eingefasst sind, bedeckt die Stadt
ein ausgedehntes Areal (70 km2). Sie besitzt — die leidige Black
Town natürlich ausgenommen — das Aussehen eines grossen Parkes,
durch den sich der kleine und unsaubere Coowam-Fluss in trägem
Laufe hinzieht.

Von diesem Flusse zweigt sich bei der Penitentiary, der grossen
Correctionsanstalt, ein Canal ab, der sich unweit der Napier Bridge
wieder mit dem Flusse vereinigt und dergestalt mit dem letzteren
eine Insel bildet, welche einfach „The Island“ (die Insel) genannt wird.
Auf der Insel befindet sich gleichfalls ein kleiner Stadttheil, in dessen
Mitte sich das schöne Reiterdenkmal Sir J. Monroe’s erhebt, eines
der grössten Staatsmänner Indiens, der als Gouverneur von Madras
1827 der Cholera zum Opfer gefallen ist. Dieses Monument, dessen
Schöpfer der bekannte F. Chantrey ist, verdankt seine Entstehung
einer allgemeinen Subscription.

Das Governement House (Regierungspalais) ist ein sehr hübsches
und bequem eingerichtetes Gebäude, das von einem an seltenen und
schönen Bäumen reichen Garten umgeben ist. Das Innere des Palastes
ist mit werthvollen Gemälden verziert, welche zumeist Scenen aus den

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[567/0583] Madras. Wenngleich daher dieser in jeder Beziehung ungesunde und un- schöne Stadttheil einen möglichst ungünstigen Eindruck hervorzurufen vermag, so ist es doch immerhin erstaunlich, was hier für schöne und kräftige Männer und robuste Frauen — sämmtliche natürlich dunkelster Hautfarbe — trotz der schlechten, sumpfigen Luft ge- deihen. Am westlichen Ende der Black Town liegen das grosse Hospital und das prächtige Stationsgebäude der Central Railway, dann folgt der Cochrane-Canal und diesem der Volksgarten, People’s Park. Letzterer ist eigentlich ein Thiergarten, der zwar einige schöne Thiere besitzt, dabei aber im Grossen und Ganzen ziemlich verwahrlost er- scheint. Westlich und südlich vom People’s Park breiten sich die Viertel Vepery, Parsewakam, Egmore, Chintadripet, Pudupak Triplicane und St. Thome aus. Letzteres ist das alte Maïlapur in den Erzählungen Marco Polo’s. In den vorgenannten Stadtvierteln finden sich zwar keine Gruppen monumentaler Bauten, wie solche beispielsweise das Chowringhee-Viertel Calcuttas aufweist, doch sieht man hier hübsche Villen europäischen Styles und kleine indische Häuser mit bunt an- gestrichenen Veranden, die oft auf zierlich geschnitzten Säulen ruhen. Da hier die meisten Gebäude sich inmitten hübscher Gärten befinden, die von grossen Alleen und Wiesen eingefasst sind, bedeckt die Stadt ein ausgedehntes Areal (70 km2). Sie besitzt — die leidige Black Town natürlich ausgenommen — das Aussehen eines grossen Parkes, durch den sich der kleine und unsaubere Coowam-Fluss in trägem Laufe hinzieht. Von diesem Flusse zweigt sich bei der Penitentiary, der grossen Correctionsanstalt, ein Canal ab, der sich unweit der Napier Bridge wieder mit dem Flusse vereinigt und dergestalt mit dem letzteren eine Insel bildet, welche einfach „The Island“ (die Insel) genannt wird. Auf der Insel befindet sich gleichfalls ein kleiner Stadttheil, in dessen Mitte sich das schöne Reiterdenkmal Sir J. Monroe’s erhebt, eines der grössten Staatsmänner Indiens, der als Gouverneur von Madras 1827 der Cholera zum Opfer gefallen ist. Dieses Monument, dessen Schöpfer der bekannte F. Chantrey ist, verdankt seine Entstehung einer allgemeinen Subscription. Das Governement House (Regierungspalais) ist ein sehr hübsches und bequem eingerichtetes Gebäude, das von einem an seltenen und schönen Bäumen reichen Garten umgeben ist. Das Innere des Palastes ist mit werthvollen Gemälden verziert, welche zumeist Scenen aus den

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/583>, abgerufen am 22.11.2024.