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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
Kriegen Englands in Indien darstellen. Der Gouverneur besitzt über-
dies noch in Guindy, einem in nächster Nähe der Stadt gelegenen
Orte, eine schöne Villa mit einem prächtigen Parke, der seines hohen
und reichhaltigen Wildstandes wegen bekannt ist, und hat auch einen
Landsitz in den Nilgiri-Bergen.

Der alte Palast des Nabobs von Carnatic liegt östlich vom Re-
gierungspalaste an der Beach in Triplicane. Er besitzt einen 30 m
hohen Thurm, von welchem aus man die ganze Stadt zu übersehen
vermag. Der älteste Theil dieses Palastes, in dem gegenwärtig
eine Ingenieurschule untergebracht ist, schliesst sich unmittelbar an
den Thurm an. Alle anderen Bauten sind neueren Ursprunges und
in sarazenischem Style erbaut. Das grosse Thor, das den Eingang
zu dem ganzen Complexe bildet und Makkah Gate genannt wird,
wurde durch den Nabob Azim Jah erbaut.

Der Club von Madras, der als ältester englischer Club Indiens
auch als dessen vornehmster gilt, besitzt ebenso gefällig als praktisch
angelegte Baulichkeiten, die westlich von der Vorstadt Pudupak in
einem ausgedehnten Parke liegen. Abgesehen von zahlreichen, mit
auserlesenem Comfort eingerichteten Speise- und Lesezimmern finden
sich hier noch eine reichhaltige Bibliothek, eine Anzahl von Wohn-
zimmern für zeitweilige Gäste, sowie ein grosses gedecktes Schwimm-
bad nebst sonstigen Badeanlagen.

Madras besitzt eine grosse Anzahl von Schulen, darunter auch
eine ziemlich gut besuchte Universität, welche sämmtlich für die Ein-
geborenen errichtet worden sind; doch ist es auch hier, wie im
übrigen Indien, in hohem Masse auffallend, dass die Mohammedaner
jeder höheren Schulbildung ausweichen und sich mit dem mangelhaften
Unterrichte ihrer Moscheeschulen begnügen. Die Zahl der Gotteshäuser
ist gross, doch sind die letzteren zumeist kleine und unbedeutende
Bauwerke. Im Fort liegt die St. Mary's Church, welche zahlreiche Grab-
male in der Geschichte Indiens bekannter Personen, meistens höherer
Officiere, enthält. Das hervorragendste dieser Denkmale ist jenes
des rühmlichst bekannten Missionärs Schwartz, das aus weissem
Marmor kunstvoll gemeisselt ist. Am Mount Road liegt die St. Georges-
Kathedrale, deren Aeusseres nicht besonders anziehend ist. Im
Inneren derselben jedoch finden wir hohe massige Säulen, hübsche
Verzierungen aus dem marmorartigen indischen Mörtel "Chunam",
und eine grosse Anzahl von Gedenktafeln und Grabdenkmalen.
Von den sonstigen Kirchen sind hervorzuheben die zwischen Vepery
und Chintadripet liegende schottische St. Andrew's Church, die ka-

Der indische Ocean.
Kriegen Englands in Indien darstellen. Der Gouverneur besitzt über-
dies noch in Guindy, einem in nächster Nähe der Stadt gelegenen
Orte, eine schöne Villa mit einem prächtigen Parke, der seines hohen
und reichhaltigen Wildstandes wegen bekannt ist, und hat auch einen
Landsitz in den Nilgiri-Bergen.

Der alte Palast des Nabobs von Carnatic liegt östlich vom Re-
gierungspalaste an der Beach in Triplicane. Er besitzt einen 30 m
hohen Thurm, von welchem aus man die ganze Stadt zu übersehen
vermag. Der älteste Theil dieses Palastes, in dem gegenwärtig
eine Ingenieurschule untergebracht ist, schliesst sich unmittelbar an
den Thurm an. Alle anderen Bauten sind neueren Ursprunges und
in sarazenischem Style erbaut. Das grosse Thor, das den Eingang
zu dem ganzen Complexe bildet und Makkah Gate genannt wird,
wurde durch den Nabob Azim Jah erbaut.

Der Club von Madras, der als ältester englischer Club Indiens
auch als dessen vornehmster gilt, besitzt ebenso gefällig als praktisch
angelegte Baulichkeiten, die westlich von der Vorstadt Pudupak in
einem ausgedehnten Parke liegen. Abgesehen von zahlreichen, mit
auserlesenem Comfort eingerichteten Speise- und Lesezimmern finden
sich hier noch eine reichhaltige Bibliothek, eine Anzahl von Wohn-
zimmern für zeitweilige Gäste, sowie ein grosses gedecktes Schwimm-
bad nebst sonstigen Badeanlagen.

Madras besitzt eine grosse Anzahl von Schulen, darunter auch
eine ziemlich gut besuchte Universität, welche sämmtlich für die Ein-
geborenen errichtet worden sind; doch ist es auch hier, wie im
übrigen Indien, in hohem Masse auffallend, dass die Mohammedaner
jeder höheren Schulbildung ausweichen und sich mit dem mangelhaften
Unterrichte ihrer Moscheeschulen begnügen. Die Zahl der Gotteshäuser
ist gross, doch sind die letzteren zumeist kleine und unbedeutende
Bauwerke. Im Fort liegt die St. Mary’s Church, welche zahlreiche Grab-
male in der Geschichte Indiens bekannter Personen, meistens höherer
Officiere, enthält. Das hervorragendste dieser Denkmale ist jenes
des rühmlichst bekannten Missionärs Schwartz, das aus weissem
Marmor kunstvoll gemeisselt ist. Am Mount Road liegt die St. Georges-
Kathedrale, deren Aeusseres nicht besonders anziehend ist. Im
Inneren derselben jedoch finden wir hohe massige Säulen, hübsche
Verzierungen aus dem marmorartigen indischen Mörtel „Chunam“,
und eine grosse Anzahl von Gedenktafeln und Grabdenkmalen.
Von den sonstigen Kirchen sind hervorzuheben die zwischen Vepery
und Chintadripet liegende schottische St. Andrew’s Church, die ka-

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[568/0584] Der indische Ocean. Kriegen Englands in Indien darstellen. Der Gouverneur besitzt über- dies noch in Guindy, einem in nächster Nähe der Stadt gelegenen Orte, eine schöne Villa mit einem prächtigen Parke, der seines hohen und reichhaltigen Wildstandes wegen bekannt ist, und hat auch einen Landsitz in den Nilgiri-Bergen. Der alte Palast des Nabobs von Carnatic liegt östlich vom Re- gierungspalaste an der Beach in Triplicane. Er besitzt einen 30 m hohen Thurm, von welchem aus man die ganze Stadt zu übersehen vermag. Der älteste Theil dieses Palastes, in dem gegenwärtig eine Ingenieurschule untergebracht ist, schliesst sich unmittelbar an den Thurm an. Alle anderen Bauten sind neueren Ursprunges und in sarazenischem Style erbaut. Das grosse Thor, das den Eingang zu dem ganzen Complexe bildet und Makkah Gate genannt wird, wurde durch den Nabob Azim Jah erbaut. Der Club von Madras, der als ältester englischer Club Indiens auch als dessen vornehmster gilt, besitzt ebenso gefällig als praktisch angelegte Baulichkeiten, die westlich von der Vorstadt Pudupak in einem ausgedehnten Parke liegen. Abgesehen von zahlreichen, mit auserlesenem Comfort eingerichteten Speise- und Lesezimmern finden sich hier noch eine reichhaltige Bibliothek, eine Anzahl von Wohn- zimmern für zeitweilige Gäste, sowie ein grosses gedecktes Schwimm- bad nebst sonstigen Badeanlagen. Madras besitzt eine grosse Anzahl von Schulen, darunter auch eine ziemlich gut besuchte Universität, welche sämmtlich für die Ein- geborenen errichtet worden sind; doch ist es auch hier, wie im übrigen Indien, in hohem Masse auffallend, dass die Mohammedaner jeder höheren Schulbildung ausweichen und sich mit dem mangelhaften Unterrichte ihrer Moscheeschulen begnügen. Die Zahl der Gotteshäuser ist gross, doch sind die letzteren zumeist kleine und unbedeutende Bauwerke. Im Fort liegt die St. Mary’s Church, welche zahlreiche Grab- male in der Geschichte Indiens bekannter Personen, meistens höherer Officiere, enthält. Das hervorragendste dieser Denkmale ist jenes des rühmlichst bekannten Missionärs Schwartz, das aus weissem Marmor kunstvoll gemeisselt ist. Am Mount Road liegt die St. Georges- Kathedrale, deren Aeusseres nicht besonders anziehend ist. Im Inneren derselben jedoch finden wir hohe massige Säulen, hübsche Verzierungen aus dem marmorartigen indischen Mörtel „Chunam“, und eine grosse Anzahl von Gedenktafeln und Grabdenkmalen. Von den sonstigen Kirchen sind hervorzuheben die zwischen Vepery und Chintadripet liegende schottische St. Andrew’s Church, die ka-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/584>, abgerufen am 22.11.2024.