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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.

Die Bewohner Massauas sind zumeist Eingeborene, nur wenige
Araber, Nubier, Hindus und Griechen haben sich dort niedergelassen;
neuestens ziehen auch Italiener den Spuren der eigenen Truppen
nach. Seit es den Italienern gelang, auf dem kühleren, gesunderen
Hochplateau von Keren festen Fuss zu fassen, haben sich deren Aus-
sichten, den Handel Abessiniens wenigstens zum Theile in die Hände
zu bekommen, wesentlich gebessert. In Italien selbst sind die An-
sichten über das ganze Unternehmen getheilt. Nicht Wenige erblicken
darin mehr ein wenig überlegtes Wagniss, als den Anfang einer
hoffnungsvollen colonialen Politik. Ja es erscheint selbst noch gar
nicht ausgemacht, ob gerade Massaua der richtige Punkt sei, um
dort ein Emporium für den abessinischen Handel zu schaffen.

Ein Moment lässt sich freilich nicht verkennen, und in dessen
Beachtung liegt überhaupt die Hoffnung, welche Italien an diesen
Besitz knüpfen darf, mit dem es wenigstens eine erste Etape ge-
wonnen hat. Ganz Ostafrika ist in dem letzten Decennium aus seiner
bisherigen Abgeschlossenheit und Verschlossenheit herausgehoben
worden, und zahlreiche Bestrebungen sind thätig, um dort, wie es
bereits in anderen Theilen des Erdballes der Fall ist, die Fäden aus-
zulegen, welche auch Ostafrika dem Culturleben nahe bringen sollen.
Es steht eine harte und mühselige Arbeit bevor, und manche Zeit
wird vergehen, bis man am Ziele steht; aber der Anfang ist einmal
gemacht, und die Mittel, welche heute durch die Technik gegeben
sind und welche das früher so hindernde Moment der mangelhaften
Communication überwinden können, gewährleisten den Fortgang des
begonnenen Werkes.

Von einem eigentlichen Aussenhandel Massauas kann man seit
der Besetzung dieses Hafens durch die Italiener wohl nicht sprechen.
Seit dem mehrjährigen Kriege mit den Abessiniern beziehen diese
ihren Bedarf an europäischen Waaren über Obock, den Haupthafen
eines kleinen von Frankreich besetzten Küstenstriches, den die Fran-
zosen als Deportationsplatz für die Verbrecher aus Algier, respective
Tunis benützen. Die abessinischen Producte gelangen gleichfalls über
Obock im Süden und über Suakin im Norden zur Ausfuhr. Ehemals
spielte in dem Exporte von Massaua abessinischer Kaffee, welcher
wegen seiner vorzüglichen Qualität beliebt war und bei den Orientalen
als dem Mokkakaffee gleichwerthig erklärt wurde, eine grosse Rolle.

Gegenwärtig können Perlmutterschalen als der wichtigste Ausfuhrartikel
Massauas angesehen werden. Namentlich sind es Dscheddahfischer, welche, wahr-
scheinlich der besseren Verwerthung halber, der Mehrzahl nach ihre Beute mit

Der indische Ocean.

Die Bewohner Massauas sind zumeist Eingeborene, nur wenige
Araber, Nubier, Hindus und Griechen haben sich dort niedergelassen;
neuestens ziehen auch Italiener den Spuren der eigenen Truppen
nach. Seit es den Italienern gelang, auf dem kühleren, gesunderen
Hochplateau von Keren festen Fuss zu fassen, haben sich deren Aus-
sichten, den Handel Abessiniens wenigstens zum Theile in die Hände
zu bekommen, wesentlich gebessert. In Italien selbst sind die An-
sichten über das ganze Unternehmen getheilt. Nicht Wenige erblicken
darin mehr ein wenig überlegtes Wagniss, als den Anfang einer
hoffnungsvollen colonialen Politik. Ja es erscheint selbst noch gar
nicht ausgemacht, ob gerade Massaua der richtige Punkt sei, um
dort ein Emporium für den abessinischen Handel zu schaffen.

Ein Moment lässt sich freilich nicht verkennen, und in dessen
Beachtung liegt überhaupt die Hoffnung, welche Italien an diesen
Besitz knüpfen darf, mit dem es wenigstens eine erste Etape ge-
wonnen hat. Ganz Ostafrika ist in dem letzten Decennium aus seiner
bisherigen Abgeschlossenheit und Verschlossenheit herausgehoben
worden, und zahlreiche Bestrebungen sind thätig, um dort, wie es
bereits in anderen Theilen des Erdballes der Fall ist, die Fäden aus-
zulegen, welche auch Ostafrika dem Culturleben nahe bringen sollen.
Es steht eine harte und mühselige Arbeit bevor, und manche Zeit
wird vergehen, bis man am Ziele steht; aber der Anfang ist einmal
gemacht, und die Mittel, welche heute durch die Technik gegeben
sind und welche das früher so hindernde Moment der mangelhaften
Communication überwinden können, gewährleisten den Fortgang des
begonnenen Werkes.

Von einem eigentlichen Aussenhandel Massauas kann man seit
der Besetzung dieses Hafens durch die Italiener wohl nicht sprechen.
Seit dem mehrjährigen Kriege mit den Abessiniern beziehen diese
ihren Bedarf an europäischen Waaren über Obock, den Haupthafen
eines kleinen von Frankreich besetzten Küstenstriches, den die Fran-
zosen als Deportationsplatz für die Verbrecher aus Algier, respective
Tunis benützen. Die abessinischen Producte gelangen gleichfalls über
Obock im Süden und über Suakin im Norden zur Ausfuhr. Ehemals
spielte in dem Exporte von Massaua abessinischer Kaffee, welcher
wegen seiner vorzüglichen Qualität beliebt war und bei den Orientalen
als dem Mokkakaffee gleichwerthig erklärt wurde, eine grosse Rolle.

Gegenwärtig können Perlmutterschalen als der wichtigste Ausfuhrartikel
Massauas angesehen werden. Namentlich sind es Dscheddahfischer, welche, wahr-
scheinlich der besseren Verwerthung halber, der Mehrzahl nach ihre Beute mit

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[642/0658] Der indische Ocean. Die Bewohner Massauas sind zumeist Eingeborene, nur wenige Araber, Nubier, Hindus und Griechen haben sich dort niedergelassen; neuestens ziehen auch Italiener den Spuren der eigenen Truppen nach. Seit es den Italienern gelang, auf dem kühleren, gesunderen Hochplateau von Keren festen Fuss zu fassen, haben sich deren Aus- sichten, den Handel Abessiniens wenigstens zum Theile in die Hände zu bekommen, wesentlich gebessert. In Italien selbst sind die An- sichten über das ganze Unternehmen getheilt. Nicht Wenige erblicken darin mehr ein wenig überlegtes Wagniss, als den Anfang einer hoffnungsvollen colonialen Politik. Ja es erscheint selbst noch gar nicht ausgemacht, ob gerade Massaua der richtige Punkt sei, um dort ein Emporium für den abessinischen Handel zu schaffen. Ein Moment lässt sich freilich nicht verkennen, und in dessen Beachtung liegt überhaupt die Hoffnung, welche Italien an diesen Besitz knüpfen darf, mit dem es wenigstens eine erste Etape ge- wonnen hat. Ganz Ostafrika ist in dem letzten Decennium aus seiner bisherigen Abgeschlossenheit und Verschlossenheit herausgehoben worden, und zahlreiche Bestrebungen sind thätig, um dort, wie es bereits in anderen Theilen des Erdballes der Fall ist, die Fäden aus- zulegen, welche auch Ostafrika dem Culturleben nahe bringen sollen. Es steht eine harte und mühselige Arbeit bevor, und manche Zeit wird vergehen, bis man am Ziele steht; aber der Anfang ist einmal gemacht, und die Mittel, welche heute durch die Technik gegeben sind und welche das früher so hindernde Moment der mangelhaften Communication überwinden können, gewährleisten den Fortgang des begonnenen Werkes. Von einem eigentlichen Aussenhandel Massauas kann man seit der Besetzung dieses Hafens durch die Italiener wohl nicht sprechen. Seit dem mehrjährigen Kriege mit den Abessiniern beziehen diese ihren Bedarf an europäischen Waaren über Obock, den Haupthafen eines kleinen von Frankreich besetzten Küstenstriches, den die Fran- zosen als Deportationsplatz für die Verbrecher aus Algier, respective Tunis benützen. Die abessinischen Producte gelangen gleichfalls über Obock im Süden und über Suakin im Norden zur Ausfuhr. Ehemals spielte in dem Exporte von Massaua abessinischer Kaffee, welcher wegen seiner vorzüglichen Qualität beliebt war und bei den Orientalen als dem Mokkakaffee gleichwerthig erklärt wurde, eine grosse Rolle. Gegenwärtig können Perlmutterschalen als der wichtigste Ausfuhrartikel Massauas angesehen werden. Namentlich sind es Dscheddahfischer, welche, wahr- scheinlich der besseren Verwerthung halber, der Mehrzahl nach ihre Beute mit

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 642. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/658>, abgerufen am 22.11.2024.