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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Afrika.
rationellen Ausnützung des Bodens die Rede. Man besitzt eigentlich
nur Handelsstationen, an denen der Waarenumschlag, zumeist noch
in der primitiven Form des Tauschgeschäftes, sich vollzieht. Der
Europäer, insoweit er nicht zu den wenigen Organen der Colonial-
regierung zählt, ist Kaufmann, und schon das überall vorfindliche
Institut der Factoreien zeigt, dass in dem Waarentausch der Schwer-
punkt der Thätigkeit liegt. Es ist dies eine Einrichtung, welche in
anderen colonialen Ländern schon lange der Vergangenheit angehört.
Aber auch in der Factorei hat der Europäer nicht das Gefühl, dass
seine Leistung der Colonie angehört. Er betrachtet sich stets als einen
Fremdling, welcher nur so lange in dem ihn wenig anmuthenden
Lande verbleibt, als es sein Dienstverhältniss oder sein geschäftliches
Interesse erheischt, und welcher die Stunde segnet, in der er Ab-
schied nehmen kann. Auch dieser Umstand hindert die Festigung
der Verhältnisse. Nicht für die Colonie und ihre Angelegenheiten, nur
für das Geschäft, welches man dort hat, gibt es Interesse. Es ist
aber begreiflich, dass dem nicht anders sein kann. Vom ersten Tage
an fühlt der Europäer, dass er dem höchst ungesunden Klima als
einer feindlichen Macht gegenübersteht, welche in heimtückischer Art
seine Existenz zu untergraben bemüht ist. Fort und fort ist er ge-
zwungen, mit peinlicher Genauigkeit die Regeln der örtlichen Hygiene
zu beobachten. Weicht er davon ab, dann muss er es nur zu rasch
und in oft unheilbarer Weise büssen. Diese Momente zwingen den
Weissen, sich nur der Leitung der Geschäfte und der Beaufsichtigung
der Arbeiten zu widmen, jede andere Thätigkeit aber den Schwarzen
zu überlassen.

Man bewegt sich in Westafrika eigentlich in einem Zirkel. Nur
wenn es gelingen würde, im Kampfe mit der übermächtigen Natur
einigermassen die Oberhand zu gewinnen, also namentlich durch
Rodung und Cultivirung des Bodens in ausgedehntem Masse, könnte
man auf eine allmälige Besserung der Lebensverhältnisse rechnen; um
aber zu diesem Ende zu gelangen, bedarf man der Kräfte, welche die
erforderlichen kolossalen Arbeiten bewältigen. Bisher gestatten die
gemachten Erfahrungen es nicht, auf kräftige und willige Unter-
stützung durch die Eingebornen zu rechnen, und es ist immer noch
die Frage, ob es gelingen wird, aus dieser verwickelten Sachlage
einen befriedigenden Ausweg zu finden. Es ist daher erklärlich, dass
auch im Senegalgebiete nur Rohproducte den Gegenstand des Exportes
bilden, und zwar Rohproducte, die nicht erst durch eine organisirte
Thätigkeit gewonnen werden müssen.


Die atlantische Küste von Afrika.
rationellen Ausnützung des Bodens die Rede. Man besitzt eigentlich
nur Handelsstationen, an denen der Waarenumschlag, zumeist noch
in der primitiven Form des Tauschgeschäftes, sich vollzieht. Der
Europäer, insoweit er nicht zu den wenigen Organen der Colonial-
regierung zählt, ist Kaufmann, und schon das überall vorfindliche
Institut der Factoreien zeigt, dass in dem Waarentausch der Schwer-
punkt der Thätigkeit liegt. Es ist dies eine Einrichtung, welche in
anderen colonialen Ländern schon lange der Vergangenheit angehört.
Aber auch in der Factorei hat der Europäer nicht das Gefühl, dass
seine Leistung der Colonie angehört. Er betrachtet sich stets als einen
Fremdling, welcher nur so lange in dem ihn wenig anmuthenden
Lande verbleibt, als es sein Dienstverhältniss oder sein geschäftliches
Interesse erheischt, und welcher die Stunde segnet, in der er Ab-
schied nehmen kann. Auch dieser Umstand hindert die Festigung
der Verhältnisse. Nicht für die Colonie und ihre Angelegenheiten, nur
für das Geschäft, welches man dort hat, gibt es Interesse. Es ist
aber begreiflich, dass dem nicht anders sein kann. Vom ersten Tage
an fühlt der Europäer, dass er dem höchst ungesunden Klima als
einer feindlichen Macht gegenübersteht, welche in heimtückischer Art
seine Existenz zu untergraben bemüht ist. Fort und fort ist er ge-
zwungen, mit peinlicher Genauigkeit die Regeln der örtlichen Hygiene
zu beobachten. Weicht er davon ab, dann muss er es nur zu rasch
und in oft unheilbarer Weise büssen. Diese Momente zwingen den
Weissen, sich nur der Leitung der Geschäfte und der Beaufsichtigung
der Arbeiten zu widmen, jede andere Thätigkeit aber den Schwarzen
zu überlassen.

Man bewegt sich in Westafrika eigentlich in einem Zirkel. Nur
wenn es gelingen würde, im Kampfe mit der übermächtigen Natur
einigermassen die Oberhand zu gewinnen, also namentlich durch
Rodung und Cultivirung des Bodens in ausgedehntem Masse, könnte
man auf eine allmälige Besserung der Lebensverhältnisse rechnen; um
aber zu diesem Ende zu gelangen, bedarf man der Kräfte, welche die
erforderlichen kolossalen Arbeiten bewältigen. Bisher gestatten die
gemachten Erfahrungen es nicht, auf kräftige und willige Unter-
stützung durch die Eingebornen zu rechnen, und es ist immer noch
die Frage, ob es gelingen wird, aus dieser verwickelten Sachlage
einen befriedigenden Ausweg zu finden. Es ist daher erklärlich, dass
auch im Senegalgebiete nur Rohproducte den Gegenstand des Exportes
bilden, und zwar Rohproducte, die nicht erst durch eine organisirte
Thätigkeit gewonnen werden müssen.


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[724/0740] Die atlantische Küste von Afrika. rationellen Ausnützung des Bodens die Rede. Man besitzt eigentlich nur Handelsstationen, an denen der Waarenumschlag, zumeist noch in der primitiven Form des Tauschgeschäftes, sich vollzieht. Der Europäer, insoweit er nicht zu den wenigen Organen der Colonial- regierung zählt, ist Kaufmann, und schon das überall vorfindliche Institut der Factoreien zeigt, dass in dem Waarentausch der Schwer- punkt der Thätigkeit liegt. Es ist dies eine Einrichtung, welche in anderen colonialen Ländern schon lange der Vergangenheit angehört. Aber auch in der Factorei hat der Europäer nicht das Gefühl, dass seine Leistung der Colonie angehört. Er betrachtet sich stets als einen Fremdling, welcher nur so lange in dem ihn wenig anmuthenden Lande verbleibt, als es sein Dienstverhältniss oder sein geschäftliches Interesse erheischt, und welcher die Stunde segnet, in der er Ab- schied nehmen kann. Auch dieser Umstand hindert die Festigung der Verhältnisse. Nicht für die Colonie und ihre Angelegenheiten, nur für das Geschäft, welches man dort hat, gibt es Interesse. Es ist aber begreiflich, dass dem nicht anders sein kann. Vom ersten Tage an fühlt der Europäer, dass er dem höchst ungesunden Klima als einer feindlichen Macht gegenübersteht, welche in heimtückischer Art seine Existenz zu untergraben bemüht ist. Fort und fort ist er ge- zwungen, mit peinlicher Genauigkeit die Regeln der örtlichen Hygiene zu beobachten. Weicht er davon ab, dann muss er es nur zu rasch und in oft unheilbarer Weise büssen. Diese Momente zwingen den Weissen, sich nur der Leitung der Geschäfte und der Beaufsichtigung der Arbeiten zu widmen, jede andere Thätigkeit aber den Schwarzen zu überlassen. Man bewegt sich in Westafrika eigentlich in einem Zirkel. Nur wenn es gelingen würde, im Kampfe mit der übermächtigen Natur einigermassen die Oberhand zu gewinnen, also namentlich durch Rodung und Cultivirung des Bodens in ausgedehntem Masse, könnte man auf eine allmälige Besserung der Lebensverhältnisse rechnen; um aber zu diesem Ende zu gelangen, bedarf man der Kräfte, welche die erforderlichen kolossalen Arbeiten bewältigen. Bisher gestatten die gemachten Erfahrungen es nicht, auf kräftige und willige Unter- stützung durch die Eingebornen zu rechnen, und es ist immer noch die Frage, ob es gelingen wird, aus dieser verwickelten Sachlage einen befriedigenden Ausweg zu finden. Es ist daher erklärlich, dass auch im Senegalgebiete nur Rohproducte den Gegenstand des Exportes bilden, und zwar Rohproducte, die nicht erst durch eine organisirte Thätigkeit gewonnen werden müssen.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/740>, abgerufen am 22.11.2024.