tönend klingt. An die Kasbah schliesst sich in nordöstlicher Richtung die eigentliche "Stadt", Medina genannt, an. Diese Stadt zerfällt wieder in zwei Theile, von denen der eine die Werkstätten, Waaren- räume und Comptoirs, der andere die eigentlichen Wohnhäuser in sich schliesst. In der Medina finden sich auch zwei grosse Marktplätze und die Hauptmoschee des Ortes. Hier wohnen durchwegs Mauren und Araber. Die Strassen, von ziemlicher Breite und für eine orien- talische Stadt auch von auffallender Reinlichkeit, kreuzen sich, der schon erwähnten planmässigen Anlage entsprechend, zumeist im rechten Winkel.
Das dritte Quartier heisst Mellah und ist das Judenviertel. Das- selbe unterscheidet sich durch seine wirre Gestaltung mit engen Gassen und oft sehr ärmlichen Behausungen von den beiden anderen Quartieren und scheint daher bei der Anlage Mogadors nicht in Be- tracht gezogen worden zu sein. Vielmehr verdankt es seine Entste- hung dem allmäligen Zuzuge und dem raschen Wachsthum seiner Inwohner. Man schätzt deren Zahl heute auf 8000, also fast die Hälfte der ganzen Bevölkerung Mogadors. Die Mellah zeigt alle Schattenseiten, durch welche die verschiedenen Ghettos verrufen sind: enge zusammengepferchte Wohnungen, Schmutz, übler Geruch und völliger Mangel jeglicher Zierde. Aber wenn auch die Juden in ganz Marokko trotz ihrer hohen Zahl in den einzelnen Seeplätzen eine gedrückte Stellung einnehmen, so sind sie doch ein höchst wichtiges Element und haben den Handel in ihren Händen.
Die Stadt weist namentlich in den beiden schöneren Theilen recht stattliche Gebäude auf, die soweit sie zu Wohnstätten dienen, meist ein oder zwei Stockwerke besitzen. Aus der Stadt gelangt man durch verschiedene Thore ins Freie; die Thore aber werden bei Son- nenuntergang mit aller Sorgfalt geschlossen und erst wieder geöffnet, wenn die Sonne aufgeht.
Befestigungswerke sind in grösserer Zahl vorhanden, jedoch alle ziemlich verwahrlost. Auf einem Riffe im Südwesten von der Stadt befindet sich ein Thurm, welcher mit dem Lande durch eine steinerne Brücke verbunden ist; überdies liegen gegen die Seeseite zu noch zwei Forts und mehrere Geschützstände, sämmtlich massive Stein- bauten. In der südöstlichen Ecke der Stadtmauer liegt die Marokko- Batterie, in der Nordnordost-Ecke die Dukkalah-Batterie und an der Ostseite der Mauer noch eine Flankenbatterie. Die Geschütze sind sämmtlich glatte Vorderlader, Projectile für dieselben sind angeblich nicht vorhanden! Auch sollen sich in den sechs Batterien der Insel
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Mogador.
tönend klingt. An die Kasbah schliesst sich in nordöstlicher Richtung die eigentliche „Stadt“, Medina genannt, an. Diese Stadt zerfällt wieder in zwei Theile, von denen der eine die Werkstätten, Waaren- räume und Comptoirs, der andere die eigentlichen Wohnhäuser in sich schliesst. In der Medina finden sich auch zwei grosse Marktplätze und die Hauptmoschee des Ortes. Hier wohnen durchwegs Mauren und Araber. Die Strassen, von ziemlicher Breite und für eine orien- talische Stadt auch von auffallender Reinlichkeit, kreuzen sich, der schon erwähnten planmässigen Anlage entsprechend, zumeist im rechten Winkel.
Das dritte Quartier heisst Mellah und ist das Judenviertel. Das- selbe unterscheidet sich durch seine wirre Gestaltung mit engen Gassen und oft sehr ärmlichen Behausungen von den beiden anderen Quartieren und scheint daher bei der Anlage Mogadors nicht in Be- tracht gezogen worden zu sein. Vielmehr verdankt es seine Entste- hung dem allmäligen Zuzuge und dem raschen Wachsthum seiner Inwohner. Man schätzt deren Zahl heute auf 8000, also fast die Hälfte der ganzen Bevölkerung Mogadors. Die Mellah zeigt alle Schattenseiten, durch welche die verschiedenen Ghettos verrufen sind: enge zusammengepferchte Wohnungen, Schmutz, übler Geruch und völliger Mangel jeglicher Zierde. Aber wenn auch die Juden in ganz Marokko trotz ihrer hohen Zahl in den einzelnen Seeplätzen eine gedrückte Stellung einnehmen, so sind sie doch ein höchst wichtiges Element und haben den Handel in ihren Händen.
Die Stadt weist namentlich in den beiden schöneren Theilen recht stattliche Gebäude auf, die soweit sie zu Wohnstätten dienen, meist ein oder zwei Stockwerke besitzen. Aus der Stadt gelangt man durch verschiedene Thore ins Freie; die Thore aber werden bei Son- nenuntergang mit aller Sorgfalt geschlossen und erst wieder geöffnet, wenn die Sonne aufgeht.
Befestigungswerke sind in grösserer Zahl vorhanden, jedoch alle ziemlich verwahrlost. Auf einem Riffe im Südwesten von der Stadt befindet sich ein Thurm, welcher mit dem Lande durch eine steinerne Brücke verbunden ist; überdies liegen gegen die Seeseite zu noch zwei Forts und mehrere Geschützstände, sämmtlich massive Stein- bauten. In der südöstlichen Ecke der Stadtmauer liegt die Marokko- Batterie, in der Nordnordost-Ecke die Dukkalah-Batterie und an der Ostseite der Mauer noch eine Flankenbatterie. Die Geschütze sind sämmtlich glatte Vorderlader, Projectile für dieselben sind angeblich nicht vorhanden! Auch sollen sich in den sechs Batterien der Insel
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Mogador.
tönend klingt. An die Kasbah schliesst sich in nordöstlicher Richtung
die eigentliche „Stadt“, Medina genannt, an. Diese Stadt zerfällt
wieder in zwei Theile, von denen der eine die Werkstätten, Waaren-
räume und Comptoirs, der andere die eigentlichen Wohnhäuser in
sich schliesst. In der Medina finden sich auch zwei grosse Marktplätze
und die Hauptmoschee des Ortes. Hier wohnen durchwegs Mauren
und Araber. Die Strassen, von ziemlicher Breite und für eine orien-
talische Stadt auch von auffallender Reinlichkeit, kreuzen sich, der
schon erwähnten planmässigen Anlage entsprechend, zumeist im rechten
Winkel.
Das dritte Quartier heisst Mellah und ist das Judenviertel. Das-
selbe unterscheidet sich durch seine wirre Gestaltung mit engen
Gassen und oft sehr ärmlichen Behausungen von den beiden anderen
Quartieren und scheint daher bei der Anlage Mogadors nicht in Be-
tracht gezogen worden zu sein. Vielmehr verdankt es seine Entste-
hung dem allmäligen Zuzuge und dem raschen Wachsthum seiner
Inwohner. Man schätzt deren Zahl heute auf 8000, also fast die
Hälfte der ganzen Bevölkerung Mogadors. Die Mellah zeigt alle
Schattenseiten, durch welche die verschiedenen Ghettos verrufen sind:
enge zusammengepferchte Wohnungen, Schmutz, übler Geruch und
völliger Mangel jeglicher Zierde. Aber wenn auch die Juden in ganz
Marokko trotz ihrer hohen Zahl in den einzelnen Seeplätzen eine
gedrückte Stellung einnehmen, so sind sie doch ein höchst wichtiges
Element und haben den Handel in ihren Händen.
Die Stadt weist namentlich in den beiden schöneren Theilen
recht stattliche Gebäude auf, die soweit sie zu Wohnstätten dienen,
meist ein oder zwei Stockwerke besitzen. Aus der Stadt gelangt man
durch verschiedene Thore ins Freie; die Thore aber werden bei Son-
nenuntergang mit aller Sorgfalt geschlossen und erst wieder geöffnet,
wenn die Sonne aufgeht.
Befestigungswerke sind in grösserer Zahl vorhanden, jedoch alle
ziemlich verwahrlost. Auf einem Riffe im Südwesten von der Stadt
befindet sich ein Thurm, welcher mit dem Lande durch eine steinerne
Brücke verbunden ist; überdies liegen gegen die Seeseite zu noch
zwei Forts und mehrere Geschützstände, sämmtlich massive Stein-
bauten. In der südöstlichen Ecke der Stadtmauer liegt die Marokko-
Batterie, in der Nordnordost-Ecke die Dukkalah-Batterie und an der
Ostseite der Mauer noch eine Flankenbatterie. Die Geschütze sind
sämmtlich glatte Vorderlader, Projectile für dieselben sind angeblich
nicht vorhanden! Auch sollen sich in den sechs Batterien der Insel
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/747>, abgerufen am 22.11.2024.
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