richtet, so dass der Fremde hier ein sehr befriedigendes Unter- kommen finden kann. In der That wird Tanger auch von Fremden, namentlich Engländern, stark besucht. Zunächst bildet die sehr aus- giebige Jagd in der Umgebung einen grossen Anziehungspunkt. Hasen-, Rebhühner und Wildschweine sind in grosser Menge vor- handen. Dann aber hat auch das Klima im Winter grosse Vorzüge, so dass Tanger nicht mit Unrecht als ein sogenannter klimati- scher Curort gepriesen wird. Von November bis Februar beträgt die mittlere Temperatur 19--21° Celsius mit sehr geringen Differenzen bei Tag und bei Nacht. Tanger kann daher in dieser Beziehung bestens mit Madeira und Cairo in Concurrenz treten, wobei demselben noch zugute kommt, das es eine freundliche Umgebung hat und in sehr naher Verbindung mit Europa steht.
Leider ist das Europäerviertel am 13. Juni 1891 vollständig niedergebrannt. Dies wird die Anlage neuer Häuser ausserhalb Tanger begünstigen, da die Europäer das besondere Vorrecht geniessen, in der Nähe der Stadt Grundstücke erwerben zu dürfen.
Bemerkenswerthe oder zierende Baulichkeiten sind keine vor- handen. Weder die sechs Moscheen zeichnen sich aus, noch auch die von spanischen Franziskanern besorgte katholische Kirche, noch auch das übrigens genügend gut eingerichtete Hospital, für dessen Erhal- tung mehrere fremde Regierungen Beiträge leisten.
Die Kasbah, in welcher der Gouverneur seine Wohnung hat, ist ein halbverfallener, wenngleich in tadellos maurischem Style ge- haltener Palast, in dem auch eine Moschee, die Schatzkammer der Provinz und die Gefängnisse sich befinden. In diesen Gefängnissen sieht es abscheulich aus, und nicht selten soll der Fall vorkommen, dass die Häftlinge dort schlechthin des Hungers sterben. Es ist nämlich nicht Brauch, dass die Justizbehörde für deren Verpflegung Sorge trägt. Man überlässt solches den Verwandten oder Freunden des Unglücklichen. Erweisen letztere aber den Liebesdienst nicht oder sind solche überhaupt nicht vorhanden, dann sieht es mit dem Lebens- unterhalte schlimm aus. Recht schlimm steht es aber dort auch mit der Justiz selbst. Einerseits ist dieselbe sehr flau und reicht deren Arm über die Mauern der Stadt nicht hinaus, andererseits ist die Willkür des Richters ebenso gross wie die Härte, ja Grausam- keit der Strafen. Es gibt eigentlich kein positives Recht. Der Richter thut, was ihm beliebt, und wenn er sich um nichts kümmert, so muss man eigentlich über seine Lässigkeit noch froh sein.
Ein entschieden freundlicheres, durch Lebendigkeit und Bunt-
Die atlantische Küste von Afrika.
richtet, so dass der Fremde hier ein sehr befriedigendes Unter- kommen finden kann. In der That wird Tanger auch von Fremden, namentlich Engländern, stark besucht. Zunächst bildet die sehr aus- giebige Jagd in der Umgebung einen grossen Anziehungspunkt. Hasen-, Rebhühner und Wildschweine sind in grosser Menge vor- handen. Dann aber hat auch das Klima im Winter grosse Vorzüge, so dass Tanger nicht mit Unrecht als ein sogenannter klimati- scher Curort gepriesen wird. Von November bis Februar beträgt die mittlere Temperatur 19—21° Celsius mit sehr geringen Differenzen bei Tag und bei Nacht. Tanger kann daher in dieser Beziehung bestens mit Madeira und Cairo in Concurrenz treten, wobei demselben noch zugute kommt, das es eine freundliche Umgebung hat und in sehr naher Verbindung mit Europa steht.
Leider ist das Europäerviertel am 13. Juni 1891 vollständig niedergebrannt. Dies wird die Anlage neuer Häuser ausserhalb Tanger begünstigen, da die Europäer das besondere Vorrecht geniessen, in der Nähe der Stadt Grundstücke erwerben zu dürfen.
Bemerkenswerthe oder zierende Baulichkeiten sind keine vor- handen. Weder die sechs Moscheen zeichnen sich aus, noch auch die von spanischen Franziskanern besorgte katholische Kirche, noch auch das übrigens genügend gut eingerichtete Hospital, für dessen Erhal- tung mehrere fremde Regierungen Beiträge leisten.
Die Kasbah, in welcher der Gouverneur seine Wohnung hat, ist ein halbverfallener, wenngleich in tadellos maurischem Style ge- haltener Palast, in dem auch eine Moschee, die Schatzkammer der Provinz und die Gefängnisse sich befinden. In diesen Gefängnissen sieht es abscheulich aus, und nicht selten soll der Fall vorkommen, dass die Häftlinge dort schlechthin des Hungers sterben. Es ist nämlich nicht Brauch, dass die Justizbehörde für deren Verpflegung Sorge trägt. Man überlässt solches den Verwandten oder Freunden des Unglücklichen. Erweisen letztere aber den Liebesdienst nicht oder sind solche überhaupt nicht vorhanden, dann sieht es mit dem Lebens- unterhalte schlimm aus. Recht schlimm steht es aber dort auch mit der Justiz selbst. Einerseits ist dieselbe sehr flau und reicht deren Arm über die Mauern der Stadt nicht hinaus, andererseits ist die Willkür des Richters ebenso gross wie die Härte, ja Grausam- keit der Strafen. Es gibt eigentlich kein positives Recht. Der Richter thut, was ihm beliebt, und wenn er sich um nichts kümmert, so muss man eigentlich über seine Lässigkeit noch froh sein.
Ein entschieden freundlicheres, durch Lebendigkeit und Bunt-
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[742/0758]
Die atlantische Küste von Afrika.
richtet, so dass der Fremde hier ein sehr befriedigendes Unter-
kommen finden kann. In der That wird Tanger auch von Fremden,
namentlich Engländern, stark besucht. Zunächst bildet die sehr aus-
giebige Jagd in der Umgebung einen grossen Anziehungspunkt.
Hasen-, Rebhühner und Wildschweine sind in grosser Menge vor-
handen. Dann aber hat auch das Klima im Winter grosse Vorzüge,
so dass Tanger nicht mit Unrecht als ein sogenannter klimati-
scher Curort gepriesen wird. Von November bis Februar beträgt die
mittlere Temperatur 19—21° Celsius mit sehr geringen Differenzen
bei Tag und bei Nacht. Tanger kann daher in dieser Beziehung
bestens mit Madeira und Cairo in Concurrenz treten, wobei demselben
noch zugute kommt, das es eine freundliche Umgebung hat und in
sehr naher Verbindung mit Europa steht.
Leider ist das Europäerviertel am 13. Juni 1891 vollständig
niedergebrannt. Dies wird die Anlage neuer Häuser ausserhalb Tanger
begünstigen, da die Europäer das besondere Vorrecht geniessen, in
der Nähe der Stadt Grundstücke erwerben zu dürfen.
Bemerkenswerthe oder zierende Baulichkeiten sind keine vor-
handen. Weder die sechs Moscheen zeichnen sich aus, noch auch die
von spanischen Franziskanern besorgte katholische Kirche, noch auch
das übrigens genügend gut eingerichtete Hospital, für dessen Erhal-
tung mehrere fremde Regierungen Beiträge leisten.
Die Kasbah, in welcher der Gouverneur seine Wohnung hat,
ist ein halbverfallener, wenngleich in tadellos maurischem Style ge-
haltener Palast, in dem auch eine Moschee, die Schatzkammer der
Provinz und die Gefängnisse sich befinden. In diesen Gefängnissen
sieht es abscheulich aus, und nicht selten soll der Fall vorkommen,
dass die Häftlinge dort schlechthin des Hungers sterben. Es ist
nämlich nicht Brauch, dass die Justizbehörde für deren Verpflegung
Sorge trägt. Man überlässt solches den Verwandten oder Freunden
des Unglücklichen. Erweisen letztere aber den Liebesdienst nicht oder
sind solche überhaupt nicht vorhanden, dann sieht es mit dem Lebens-
unterhalte schlimm aus. Recht schlimm steht es aber dort auch mit
der Justiz selbst. Einerseits ist dieselbe sehr flau und reicht
deren Arm über die Mauern der Stadt nicht hinaus, andererseits ist
die Willkür des Richters ebenso gross wie die Härte, ja Grausam-
keit der Strafen. Es gibt eigentlich kein positives Recht. Der Richter
thut, was ihm beliebt, und wenn er sich um nichts kümmert, so muss
man eigentlich über seine Lässigkeit noch froh sein.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/758>, abgerufen am 22.11.2024.
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