Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


dachte, war der erste Sturm der Leidenschaft vor
diesmal vorbei. Die Periode der Entwürfe
nahm schon ihren Anfang.

Wie ich im Vorsaale herumschwankte, hört'
ich, daß meine Wache vor der Thür schnarchte.
Jch habe nie einen Menschen so beneidet, als die-
sen Trabanten. Wenn er auch liebt, so kann er
doch schnarchen, dacht' ich. Jch habe ein Herz,
und bin ein Fürst; -- das ist mein Unglük! --
wie soll ich meinen Hunger nach Empfindung
stillen! -- mein Mädchen nimmt man mir! --
und kein Fürst hatte jemals einen Freund. Ach!
wer an der Brust eines Freundes liegt, vergesse
doch im Glük der Elenden nicht, und weihe
guten Fürsten zuweilen eine Zähre.

Diese Betrachtungen führten mich auf ei-
nen Entwurf. Was hält dich ab, fiel mir bey,
entführe sie, und verbirg dich mit ihr in einen
Winkel der Erde. Wirf deinen Purpur ab, und
lass' ihn den ersten Narren aufnehmen, der ihn
findet.

Nur über die Zeit, wenn dieses geschehen
solte, war ich nicht eins; -- zuweilen dacht' ich,
um meinen Vater Gram zu ersparen, bis auf
eine gewisse Periode zu warten. -- Sie verste-
hen mich, -- aber meistens deucht' es mich bis
Morgen schon zu lange.



dachte, war der erſte Sturm der Leidenſchaft vor
diesmal vorbei. Die Periode der Entwuͤrfe
nahm ſchon ihren Anfang.

Wie ich im Vorſaale herumſchwankte, hoͤrt’
ich, daß meine Wache vor der Thuͤr ſchnarchte.
Jch habe nie einen Menſchen ſo beneidet, als die-
ſen Trabanten. Wenn er auch liebt, ſo kann er
doch ſchnarchen, dacht’ ich. Jch habe ein Herz,
und bin ein Fuͤrſt; — das iſt mein Ungluͤk! —
wie ſoll ich meinen Hunger nach Empfindung
ſtillen! — mein Maͤdchen nimmt man mir! —
und kein Fuͤrſt hatte jemals einen Freund. Ach!
wer an der Bruſt eines Freundes liegt, vergeſſe
doch im Gluͤk der Elenden nicht, und weihe
guten Fuͤrſten zuweilen eine Zaͤhre.

Dieſe Betrachtungen fuͤhrten mich auf ei-
nen Entwurf. Was haͤlt dich ab, fiel mir bey,
entfuͤhre ſie, und verbirg dich mit ihr in einen
Winkel der Erde. Wirf deinen Purpur ab, und
laſſ’ ihn den erſten Narren aufnehmen, der ihn
findet.

Nur uͤber die Zeit, wenn dieſes geſchehen
ſolte, war ich nicht eins; — zuweilen dacht’ ich,
um meinen Vater Gram zu erſparen, bis auf
eine gewiſſe Periode zu warten. — Sie verſte-
hen mich, — aber meiſtens deucht’ es mich bis
Morgen ſchon zu lange.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#JUL">
            <p><pb facs="#f0013" n="9"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dachte, war der er&#x017F;te Sturm der Leiden&#x017F;chaft vor<lb/>
diesmal vorbei. Die Periode der Entwu&#x0364;rfe<lb/>
nahm &#x017F;chon ihren Anfang.</p><lb/>
            <p>Wie ich im Vor&#x017F;aale herum&#x017F;chwankte, ho&#x0364;rt&#x2019;<lb/>
ich, daß meine Wache vor der Thu&#x0364;r &#x017F;chnarchte.<lb/>
Jch habe nie einen Men&#x017F;chen &#x017F;o beneidet, als die-<lb/>
&#x017F;en Trabanten. Wenn er auch liebt, &#x017F;o kann er<lb/>
doch &#x017F;chnarchen, dacht&#x2019; ich. Jch habe ein Herz,<lb/>
und bin ein Fu&#x0364;r&#x017F;t; &#x2014; das i&#x017F;t mein Unglu&#x0364;k! &#x2014;<lb/>
wie &#x017F;oll ich meinen Hunger nach Empfindung<lb/>
&#x017F;tillen! &#x2014; mein Ma&#x0364;dchen nimmt man mir! &#x2014;<lb/>
und kein Fu&#x0364;r&#x017F;t hatte jemals einen Freund. Ach!<lb/>
wer an der Bru&#x017F;t eines Freundes liegt, verge&#x017F;&#x017F;e<lb/>
doch im Glu&#x0364;k der Elenden nicht, und weihe<lb/>
guten Fu&#x0364;r&#x017F;ten zuweilen eine Za&#x0364;hre.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Betrachtungen fu&#x0364;hrten mich auf ei-<lb/>
nen Entwurf. Was ha&#x0364;lt dich ab, fiel mir bey,<lb/>
entfu&#x0364;hre &#x017F;ie, und verbirg dich mit ihr in einen<lb/>
Winkel der Erde. Wirf deinen Purpur ab, und<lb/>
la&#x017F;&#x017F;&#x2019; ihn den er&#x017F;ten Narren aufnehmen, der ihn<lb/>
findet.</p><lb/>
            <p>Nur u&#x0364;ber die Zeit, wenn die&#x017F;es ge&#x017F;chehen<lb/>
&#x017F;olte, war ich nicht eins; &#x2014; zuweilen dacht&#x2019; ich,<lb/>
um meinen Vater Gram zu er&#x017F;paren, bis auf<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Periode zu warten. &#x2014; Sie ver&#x017F;te-<lb/>
hen mich, &#x2014; aber mei&#x017F;tens deucht&#x2019; es mich bis<lb/>
Morgen &#x017F;chon zu lange.</p><lb/>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0013] dachte, war der erſte Sturm der Leidenſchaft vor diesmal vorbei. Die Periode der Entwuͤrfe nahm ſchon ihren Anfang. Wie ich im Vorſaale herumſchwankte, hoͤrt’ ich, daß meine Wache vor der Thuͤr ſchnarchte. Jch habe nie einen Menſchen ſo beneidet, als die- ſen Trabanten. Wenn er auch liebt, ſo kann er doch ſchnarchen, dacht’ ich. Jch habe ein Herz, und bin ein Fuͤrſt; — das iſt mein Ungluͤk! — wie ſoll ich meinen Hunger nach Empfindung ſtillen! — mein Maͤdchen nimmt man mir! — und kein Fuͤrſt hatte jemals einen Freund. Ach! wer an der Bruſt eines Freundes liegt, vergeſſe doch im Gluͤk der Elenden nicht, und weihe guten Fuͤrſten zuweilen eine Zaͤhre. Dieſe Betrachtungen fuͤhrten mich auf ei- nen Entwurf. Was haͤlt dich ab, fiel mir bey, entfuͤhre ſie, und verbirg dich mit ihr in einen Winkel der Erde. Wirf deinen Purpur ab, und laſſ’ ihn den erſten Narren aufnehmen, der ihn findet. Nur uͤber die Zeit, wenn dieſes geſchehen ſolte, war ich nicht eins; — zuweilen dacht’ ich, um meinen Vater Gram zu erſparen, bis auf eine gewiſſe Periode zu warten. — Sie verſte- hen mich, — aber meiſtens deucht’ es mich bis Morgen ſchon zu lange.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/13
Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/13>, abgerufen am 23.11.2024.