Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776. Julius. So soll ich es länger ansehn, daß diese Vollkommenheiten im Kloster verwittern, daß jeden Tag der Schmerz neue Anmuth und Reiz von ihr, wie der Sturm die Blüthe von einem Baume abschüttelt! Soll sie noch länger über mich seufzen, und es aus Edelmuth sich verbergen wollen, daß sie es über mich thun! O ie leiser diese versteckten Seufzer im Justinenkloster sind, desto lauter schreyen sie im Ohr der Rache. -- Un- mensch ich seh es an Deiner Kälte, Du wilst mich verlassen! Was sagte ich doch wahr; die Fürsten haben keine Freunde! -- Gut, so geh ich allein. Aspermonte. Jch gehe mit Jhnen. Julius. (umarmt ihn) O so zärtlich haben Sie mich nie an ihr Herz gedrückt -- ich fühl' es schon, daß ich aufgehört habe, ein Fürst zu seyn. Aspermonte. So will ich izt gehn, um unsre An- gelegenheiten zu besorgen -- Vergessen Sie Jh- re Kostbarkeiten nicht, sie müssen Jhren künftigen Unterhalt ausmachen -- Aber wohin denken Sie? Julius. Das überlass' ich Jhnen. Aspermonte. Jch habe einen Freund in ei- nem entfernten Winkel von Deutschland, der uns gern aufnimmt. Julius. So sey Deutschland die Freystadt der Liebe. -- Eilen Sie. Jch will unterdessen auf einen Spazierritt den väterlichen Fluren Lebewohl sagen. Julius. So ſoll ich es laͤnger anſehn, daß dieſe Vollkommenheiten im Kloſter verwittern, daß jeden Tag der Schmerz neue Anmuth und Reiz von ihr, wie der Sturm die Bluͤthe von einem Baume abſchuͤttelt! Soll ſie noch laͤnger uͤber mich ſeufzen, und es aus Edelmuth ſich verbergen wollen, daß ſie es uͤber mich thun! O ie leiſer dieſe verſteckten Seufzer im Juſtinenkloſter ſind, deſto lauter ſchreyen ſie im Ohr der Rache. — Un- menſch ich ſeh es an Deiner Kaͤlte, Du wilſt mich verlaſſen! Was ſagte ich doch wahr; die Fuͤrſten haben keine Freunde! — Gut, ſo geh ich allein. Aſpermonte. Jch gehe mit Jhnen. Julius. (umarmt ihn) O ſo zaͤrtlich haben Sie mich nie an ihr Herz gedruͤckt — ich fuͤhl’ es ſchon, daß ich aufgehoͤrt habe, ein Fuͤrſt zu ſeyn. Aſpermonte. So will ich izt gehn, um unſre An- gelegenheiten zu beſorgen — Vergeſſen Sie Jh- re Koſtbarkeiten nicht, ſie muͤſſen Jhren kuͤnftigen Unterhalt ausmachen — Aber wohin denken Sie? Julius. Das uͤberlaſſ’ ich Jhnen. Aſpermonte. Jch habe einen Freund in ei- nem entfernten Winkel von Deutſchland, der uns gern aufnimmt. Julius. So ſey Deutſchland die Freyſtadt der Liebe. — Eilen Sie. Jch will unterdeſſen auf einen Spazierritt den vaͤterlichen Fluren Lebewohl ſagen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0076" n="72"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>So ſoll ich es laͤnger anſehn, daß<lb/> dieſe Vollkommenheiten im Kloſter verwittern, daß<lb/> jeden Tag der Schmerz neue Anmuth und Reiz<lb/> von ihr, wie der Sturm die Bluͤthe von einem<lb/> Baume abſchuͤttelt! Soll ſie noch laͤnger uͤber<lb/> mich ſeufzen, und es aus Edelmuth ſich verbergen<lb/> wollen, daß ſie es uͤber mich thun! O ie leiſer dieſe<lb/> verſteckten Seufzer im Juſtinenkloſter ſind, deſto<lb/> lauter ſchreyen ſie im Ohr der Rache. — Un-<lb/> menſch ich ſeh es an Deiner Kaͤlte, Du wilſt mich<lb/> verlaſſen! Was ſagte ich doch wahr; die Fuͤrſten<lb/> haben keine Freunde! — Gut, ſo geh ich allein.</p> </sp><lb/> <sp who="#ASP"> <speaker>Aſpermonte.</speaker> <p>Jch gehe mit Jhnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <stage>(umarmt ihn)</stage> <p>O ſo zaͤrtlich haben Sie<lb/> mich nie an ihr Herz gedruͤckt — ich fuͤhl’ es ſchon,<lb/> daß ich aufgehoͤrt habe, ein Fuͤrſt zu ſeyn.</p> </sp><lb/> <sp who="#ASP"> <speaker>Aſpermonte.</speaker> <p>So will ich izt gehn, um unſre An-<lb/> gelegenheiten zu beſorgen — Vergeſſen Sie Jh-<lb/> re Koſtbarkeiten nicht, ſie muͤſſen Jhren kuͤnftigen<lb/> Unterhalt ausmachen — Aber wohin denken Sie?</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>Das uͤberlaſſ’ ich Jhnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ASP"> <speaker>Aſpermonte.</speaker> <p>Jch habe einen Freund in ei-<lb/> nem entfernten Winkel von Deutſchland, der<lb/> uns gern aufnimmt.</p> </sp><lb/> <sp who="#JUL"> <speaker>Julius.</speaker> <p>So ſey Deutſchland die Freyſtadt der<lb/> Liebe. — Eilen Sie. Jch will unterdeſſen auf einen<lb/> Spazierritt den vaͤterlichen Fluren Lebewohl ſagen.</p> </sp> </div><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [72/0076]
Julius. So ſoll ich es laͤnger anſehn, daß
dieſe Vollkommenheiten im Kloſter verwittern, daß
jeden Tag der Schmerz neue Anmuth und Reiz
von ihr, wie der Sturm die Bluͤthe von einem
Baume abſchuͤttelt! Soll ſie noch laͤnger uͤber
mich ſeufzen, und es aus Edelmuth ſich verbergen
wollen, daß ſie es uͤber mich thun! O ie leiſer dieſe
verſteckten Seufzer im Juſtinenkloſter ſind, deſto
lauter ſchreyen ſie im Ohr der Rache. — Un-
menſch ich ſeh es an Deiner Kaͤlte, Du wilſt mich
verlaſſen! Was ſagte ich doch wahr; die Fuͤrſten
haben keine Freunde! — Gut, ſo geh ich allein.
Aſpermonte. Jch gehe mit Jhnen.
Julius. (umarmt ihn) O ſo zaͤrtlich haben Sie
mich nie an ihr Herz gedruͤckt — ich fuͤhl’ es ſchon,
daß ich aufgehoͤrt habe, ein Fuͤrſt zu ſeyn.
Aſpermonte. So will ich izt gehn, um unſre An-
gelegenheiten zu beſorgen — Vergeſſen Sie Jh-
re Koſtbarkeiten nicht, ſie muͤſſen Jhren kuͤnftigen
Unterhalt ausmachen — Aber wohin denken Sie?
Julius. Das uͤberlaſſ’ ich Jhnen.
Aſpermonte. Jch habe einen Freund in ei-
nem entfernten Winkel von Deutſchland, der
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Julius. So ſey Deutſchland die Freyſtadt der
Liebe. — Eilen Sie. Jch will unterdeſſen auf einen
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