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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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ausgezogen, wann ich sie für glaubwürdig halten können, wie auch aus solcher Leute Reise-Beschreibung, welche sich der Orten nach der wahren Beschaffenheit haben umgethan. Ich bedeute, wie man mit ihrer Wahl verfahren solle, eines ieden Stücks Substantz und woraus es bestehet, zusamt seiner übrigen Beschaffenheit; alles mit einander so kurtz, als es sich immer wollen thun lassen, damit sich doch ein ieder eine gnugsame Einbildung davon machen möge. Auch wird man inne werden, daß ich diejenigen Scribenten angeführet habe, welche von solchen Dingen gehandelt, davon ich hieselbsten rede, und daß ich keinem die gebührende Ehre entziehen wollen.

Alle und iede Materialien werden von den Thieren, Gewächsen und Mineralien genommen. Unter den Thieren werden begriffen gantze Thiere und auch deren Theile, nebst allem, was nur davon kommt, z.E. Haare, Klauen, Hörner, Milch, Blut und Unflat. Unter den Gewächsen sind zu verstehen die Bäume und Sträucher, samt denen übrigen Pflantzen, und was dazu gehöret, als da sind, Wurtzeln, Blüten, Früchte, Samen, Schwämme, Moos, Gummi, Hartz, Pech Terpentin, Balsam. Die Mineralien beschliessen die Metallen, die Mineren, die Marcasiten, die Steine, die Erden und Erdpeich.

Nach der Meinung, welche am wahrscheinlichsten ist und am meisten angenommen wird, so kommen alle Thiere aus Eyern: darinne bleiben sie gleichsam in einem kurtzen Begriffe und in der Enge beschlossen, biß daß des Männleins Samen durch ihre Schale getrungen und sie zur Gnüge ausgebreitet hat, damit sie mögen heraus kriechen. Sodann treten in ihre Adern die zur Nahrung dienlichen Säfte, welche von den Lebens-Geisterlein getrieben werden, und in dem gantzen Umkreis dieser kleinen Cörperlein herum lauffen, sie ernähren und allgemach noch mehr ausdehnen. So gehets mit ihrem Wachsthum her. Weil nun dieser Umlauff im Kreise so gar unzehlich mahl wird wiederhohlet, so werden diese Nahrungs-Säffte dermassen dünne und subtil gemacht, daß sie eine rothe Farbe überkommen und in das Blut verwandelt werden. Diese natürliche Operation kommt mit vielen chymischen Arbeiten trefflich überein, durch welche die schweflichten oder öligen Materien dissolviret oder aufgelöset und subtil gemachet werden, bis daß sie eine rothe Farbe an sich nehmen, da sie doch zuvorhero eine durchaus andere gehabt. Z.E. wann man einen Theil chyli oder auch Milch mit zwey Theilen Weinstein-Oel in einem Kolben kochen lässet, so wird der liquor, der vorher gantz weiß gewesen, roth; die weil das Weinstein-Saltz den fetten Theil subtilisiret, dissolvirt und exaltiret, dieselbe folglich wie in Blut verwandelt hat. Lässet man einen Theil Schwefel mit drey Theilen Weinstein-Saltz in Wasser sieden, so wird der weisse oder gelbe liquor eine rothe Farbe überkommen, nachdem der Schwefel starck zergangen ist. Werden die Schwefel-Blumen mit Terpentin-Spiritus in eine gelinde Wärme gesetzet, so bekommt der liquor gleichfalls eine rothe Farbe.

Der Thiere gantzes Wesen wird durch die unaufhörlichen circulationes dermassen exaltirt und zur Bewegung so geschickt gemacht, daß alles fast, was man von ihnen nimmt, gar flüchtig ist. Doch sind dergleichen Dinge nicht in allen Thieren von gleicher Flüchtigkeit, z.E. die Fische geben weniger flüchtig Saltz als wie die Thiere, welche auf dem Lande leben; vom Scorpion, der Kröte, dem Krebse und dem Frosche bekommt man nicht soviel, wie von der Otter: die Regen-Würmer und Schnecken geben auch nicht also viel, gleich wie die Schlangen; und das Helffenbein giebt noch so wenig, dann das Hirschhorn: und so weiter.

Die so unterschiedenen Grade der Flüchtigkeit in den Thieren und in deren Wesen haben ihnen nicht gar viel von einander unterschiedene Kraft und Wirckung zu wege gebracht: dann, deren Saltz recht flüchtig ist, die pflegen insgemein dem Haupte gut zu seyn und den Schweiß zu erregen; dergleichen sind das Vipern-Saltz, das Saltz vom Menschenhirnschedel, das vom Hirschhorn und Bocks-Blut, und von der Elends-Klaue: dann, wann diese Dinge in den Gedärmen sind erhitzet worden, treiben sie ihr Saltz nach dem Gehirne und durch die Glieder weg. Die aber nicht so flüchtig sind, haben mehrentheils eine eröffnende Kraft, als wie die Keller-Schaben und die Krebse; dieweil das Saltz in diesen Thieren etwas schwerer ist, und sich daher praecipitiren und dem Urin den Weg bereiten muß.

ausgezogen, wann ich sie für glaubwürdig halten können, wie auch aus solcher Leute Reise-Beschreibung, welche sich der Orten nach der wahren Beschaffenheit haben umgethan. Ich bedeute, wie man mit ihrer Wahl verfahren solle, eines ieden Stücks Substantz und woraus es bestehet, zusamt seiner übrigen Beschaffenheit; alles mit einander so kurtz, als es sich immer wollen thun lassen, damit sich doch ein ieder eine gnugsame Einbildung davon machen möge. Auch wird man inne werden, daß ich diejenigen Scribenten angeführet habe, welche von solchen Dingen gehandelt, davon ich hieselbsten rede, und daß ich keinem die gebührende Ehre entziehen wollen.

Alle und iede Materialien werden von den Thieren, Gewächsen und Mineralien genommen. Unter den Thieren werden begriffen gantze Thiere und auch deren Theile, nebst allem, was nur davon kommt, z.E. Haare, Klauen, Hörner, Milch, Blut und Unflat. Unter den Gewächsen sind zu verstehen die Bäume und Sträucher, samt denen übrigen Pflantzen, und was dazu gehöret, als da sind, Wurtzeln, Blüten, Früchte, Samen, Schwämme, Moos, Gummi, Hartz, Pech Terpentin, Balsam. Die Mineralien beschliessen die Metallen, die Mineren, die Marcasiten, die Steine, die Erden und Erdpeich.

Nach der Meinung, welche am wahrscheinlichsten ist und am meisten angenommen wird, so kommen alle Thiere aus Eyern: darinne bleiben sie gleichsam in einem kurtzen Begriffe und in der Enge beschlossen, biß daß des Männleins Samen durch ihre Schale getrungen und sie zur Gnüge ausgebreitet hat, damit sie mögen heraus kriechen. Sodann treten in ihre Adern die zur Nahrung dienlichen Säfte, welche von den Lebens-Geisterlein getrieben werden, und in dem gantzen Umkreis dieser kleinen Cörperlein herum lauffen, sie ernähren und allgemach noch mehr ausdehnen. So gehets mit ihrem Wachsthum her. Weil nun dieser Umlauff im Kreise so gar unzehlich mahl wird wiederhohlet, so werden diese Nahrungs-Säffte dermassen dünne und subtil gemacht, daß sie eine rothe Farbe überkommen und in das Blut verwandelt werden. Diese natürliche Operation kommt mit vielen chymischen Arbeiten trefflich überein, durch welche die schweflichten oder öligen Materien dissolviret oder aufgelöset und subtil gemachet werden, bis daß sie eine rothe Farbe an sich nehmen, da sie doch zuvorhero eine durchaus andere gehabt. Z.E. wann man einen Theil chyli oder auch Milch mit zwey Theilen Weinstein-Oel in einem Kolben kochen lässet, so wird der liquor, der vorher gantz weiß gewesen, roth; die weil das Weinstein-Saltz den fetten Theil subtilisiret, dissolvirt und exaltiret, dieselbe folglich wie in Blut verwandelt hat. Lässet man einen Theil Schwefel mit drey Theilen Weinstein-Saltz in Wasser sieden, so wird der weisse oder gelbe liquor eine rothe Farbe überkommen, nachdem der Schwefel starck zergangen ist. Werden die Schwefel-Blumen mit Terpentin-Spiritus in eine gelinde Wärme gesetzet, so bekommt der liquor gleichfalls eine rothe Farbe.

Der Thiere gantzes Wesen wird durch die unaufhörlichen circulationes dermassen exaltirt und zur Bewegung so geschickt gemacht, daß alles fast, was man von ihnen nimmt, gar flüchtig ist. Doch sind dergleichen Dinge nicht in allen Thieren von gleicher Flüchtigkeit, z.E. die Fische geben weniger flüchtig Saltz als wie die Thiere, welche auf dem Lande leben; vom Scorpion, der Kröte, dem Krebse und dem Frosche bekommt man nicht soviel, wie von der Otter: die Regen-Würmer und Schnecken geben auch nicht also viel, gleich wie die Schlangen; und das Helffenbein giebt noch so wenig, dann das Hirschhorn: und so weiter.

Die so unterschiedenen Grade der Flüchtigkeit in den Thieren und in deren Wesen haben ihnen nicht gar viel von einander unterschiedene Kraft und Wirckung zu wege gebracht: dann, deren Saltz recht flüchtig ist, die pflegen insgemein dem Haupte gut zu seyn und den Schweiß zu erregen; dergleichen sind das Vipern-Saltz, das Saltz vom Menschenhirnschedel, das vom Hirschhorn und Bocks-Blut, und von der Elends-Klaue: dann, wann diese Dinge in den Gedärmen sind erhitzet worden, treiben sie ihr Saltz nach dem Gehirne und durch die Glieder weg. Die aber nicht so flüchtig sind, haben mehrentheils eine eröffnende Kraft, als wie die Keller-Schaben und die Krebse; dieweil das Saltz in diesen Thieren etwas schwerer ist, und sich daher præcipitiren und dem Urin den Weg bereiten muß.

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[0010] ausgezogen, wann ich sie für glaubwürdig halten können, wie auch aus solcher Leute Reise-Beschreibung, welche sich der Orten nach der wahren Beschaffenheit haben umgethan. Ich bedeute, wie man mit ihrer Wahl verfahren solle, eines ieden Stücks Substantz und woraus es bestehet, zusamt seiner übrigen Beschaffenheit; alles mit einander so kurtz, als es sich immer wollen thun lassen, damit sich doch ein ieder eine gnugsame Einbildung davon machen möge. Auch wird man inne werden, daß ich diejenigen Scribenten angeführet habe, welche von solchen Dingen gehandelt, davon ich hieselbsten rede, und daß ich keinem die gebührende Ehre entziehen wollen. Alle und iede Materialien werden von den Thieren, Gewächsen und Mineralien genommen. Unter den Thieren werden begriffen gantze Thiere und auch deren Theile, nebst allem, was nur davon kommt, z.E. Haare, Klauen, Hörner, Milch, Blut und Unflat. Unter den Gewächsen sind zu verstehen die Bäume und Sträucher, samt denen übrigen Pflantzen, und was dazu gehöret, als da sind, Wurtzeln, Blüten, Früchte, Samen, Schwämme, Moos, Gummi, Hartz, Pech Terpentin, Balsam. Die Mineralien beschliessen die Metallen, die Mineren, die Marcasiten, die Steine, die Erden und Erdpeich. Nach der Meinung, welche am wahrscheinlichsten ist und am meisten angenommen wird, so kommen alle Thiere aus Eyern: darinne bleiben sie gleichsam in einem kurtzen Begriffe und in der Enge beschlossen, biß daß des Männleins Samen durch ihre Schale getrungen und sie zur Gnüge ausgebreitet hat, damit sie mögen heraus kriechen. Sodann treten in ihre Adern die zur Nahrung dienlichen Säfte, welche von den Lebens-Geisterlein getrieben werden, und in dem gantzen Umkreis dieser kleinen Cörperlein herum lauffen, sie ernähren und allgemach noch mehr ausdehnen. So gehets mit ihrem Wachsthum her. Weil nun dieser Umlauff im Kreise so gar unzehlich mahl wird wiederhohlet, so werden diese Nahrungs-Säffte dermassen dünne und subtil gemacht, daß sie eine rothe Farbe überkommen und in das Blut verwandelt werden. Diese natürliche Operation kommt mit vielen chymischen Arbeiten trefflich überein, durch welche die schweflichten oder öligen Materien dissolviret oder aufgelöset und subtil gemachet werden, bis daß sie eine rothe Farbe an sich nehmen, da sie doch zuvorhero eine durchaus andere gehabt. Z.E. wann man einen Theil chyli oder auch Milch mit zwey Theilen Weinstein-Oel in einem Kolben kochen lässet, so wird der liquor, der vorher gantz weiß gewesen, roth; die weil das Weinstein-Saltz den fetten Theil subtilisiret, dissolvirt und exaltiret, dieselbe folglich wie in Blut verwandelt hat. Lässet man einen Theil Schwefel mit drey Theilen Weinstein-Saltz in Wasser sieden, so wird der weisse oder gelbe liquor eine rothe Farbe überkommen, nachdem der Schwefel starck zergangen ist. Werden die Schwefel-Blumen mit Terpentin-Spiritus in eine gelinde Wärme gesetzet, so bekommt der liquor gleichfalls eine rothe Farbe. Der Thiere gantzes Wesen wird durch die unaufhörlichen circulationes dermassen exaltirt und zur Bewegung so geschickt gemacht, daß alles fast, was man von ihnen nimmt, gar flüchtig ist. Doch sind dergleichen Dinge nicht in allen Thieren von gleicher Flüchtigkeit, z.E. die Fische geben weniger flüchtig Saltz als wie die Thiere, welche auf dem Lande leben; vom Scorpion, der Kröte, dem Krebse und dem Frosche bekommt man nicht soviel, wie von der Otter: die Regen-Würmer und Schnecken geben auch nicht also viel, gleich wie die Schlangen; und das Helffenbein giebt noch so wenig, dann das Hirschhorn: und so weiter. Die so unterschiedenen Grade der Flüchtigkeit in den Thieren und in deren Wesen haben ihnen nicht gar viel von einander unterschiedene Kraft und Wirckung zu wege gebracht: dann, deren Saltz recht flüchtig ist, die pflegen insgemein dem Haupte gut zu seyn und den Schweiß zu erregen; dergleichen sind das Vipern-Saltz, das Saltz vom Menschenhirnschedel, das vom Hirschhorn und Bocks-Blut, und von der Elends-Klaue: dann, wann diese Dinge in den Gedärmen sind erhitzet worden, treiben sie ihr Saltz nach dem Gehirne und durch die Glieder weg. Die aber nicht so flüchtig sind, haben mehrentheils eine eröffnende Kraft, als wie die Keller-Schaben und die Krebse; dieweil das Saltz in diesen Thieren etwas schwerer ist, und sich daher præcipitiren und dem Urin den Weg bereiten muß.

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/10>, abgerufen am 21.11.2024.