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Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.

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[Beginn Spaltensatz] man ihre Arme nennen, und zwey Zangen mit zwey Klauen, welche krumm sind, und zu Ende des Kopfes mit ihren Gelencken angehencket sind; damit tödten sie die Mücken und ander Gewürm, das sie verzehren wollen, indem der Mund gerade drunter steht: sie haben auch an iedem Beine zwey kleine Klauen, und etwas schwammichtes zwischen zwey kleinen Muscheln, sonder zweiffel zu dem Ende, damit sie auch über glatte Dinge behende lauffen können.

Der andere Theil des Spinnencörpers hängt nur vermittelst eines kleinen Fadens an dem ersten, und ist blos mit einer gantz dünnen Haut überzogen, auf welcher ein gantzer Hauffen allerhand farbiger Haare zu befinden: er begreifft den Rücken, den Bauch, die Geburtsglieder und den Arsch.

Der Arsch ist derjenige Ort, daraus die Spinnen ihren Faden ziehen: um denselbigen herum stehen fünff kleine Wärtzlein, die solte man für soviel Löchlein halten, dadurch der Faden muß gezogen werden. Diese Wärtzlein haben ihre Mäuslein und darunter eines, das sie zusammen ziehet; so sind auch annoch deren zwey ein wenig hineinwärts zu sehen, und mitten zwischen heraus gehen viel Fäden, bald mehr, bald weniger. Deren wissen sich die Spinnen auf eine gantz besondere Weise und mechanische Art zu bedienen, wann sie von einem Ort zum andern wollen: sie hängen sich an einen dererselben und richten den Kopf nach dem Winde. Viel andere lassen sie aus ihrem Arsche fahren, die fliegen als wie Dräte herum: wann dann der Wind, der sie immer länger und länger ziehet, sie von ohngefehr an etwas veste macht, so empfinden sie es alsofort durch dessen wiederstreben, indem sie fort für fort mit ihren Füssen an diesen Fäden ziehen, und bedienen sich also dieser Brücke dahin zu kommen, allwo der Faden sich hat angehänget. Wann aber die Fäden nichts antreffen, daran sie sich anhängen können, so lassen sie immer noch mehr Fäden fahren, bis daß die Länge dererselben und die Macht des Windes, der dieselben treibt, die Schwere ihres Leibes überwieget, und sie verspüren, daß sie mit Macht gezogen werden. Sodann reissen sie den ersten Faden, an den sie sich haben gehange, entzwey, und lassen sich durch den Wind hintreiben, wo derselbe will, schweben also auf dem Rücken, in der Luft, und sperren die Beine von einander. Auf diese beyden Arten kommen sie über die Wege, über die grösten Strassen, und über die Flüsse. Die Fäden lassen sich gantz leichtlich haspeln, oder auf einander winden, wann sie etwan eines Fusses lang sind, ob es schon scheinet, als wenn nur ein Faden wäre: wie dann der Herr Bon versichert, daß er ihrer bis auf zwantzig von einander gesondert habe, wann sie sind aus dem Loch gekommen. Das ist noch etwas gantz besonders dran, daß dieser Wurm den Faden so gar leicht auf alle Seiten weiß zu wenden; und das geschicht, vermittelst der so vielen Ringelein, die daran an einander treffen, welche ihnen auch hauptsächlich nöthig sind, daß sie die Fäden spinnen können; deren es zwey Sorten bey dem Weiblein giebt; wiewol der Herr Bon meinet, es sey dieses Gewürme Zwitterart, indem er iedesmahl bey den Spinnen, welche Eyer legen, die Zeichen männlichen Geschlechts angetroffen.

Der erste Faden, den die Spinnen spinnen, ist gar schwach, und dienet nur zu ihrem Netze, darinne sich [Spaltenumbruch] die Fliegen fangen. Der andere ist um ein gutes stärcker als der erste, darein verwickeln sie die Eyer, die dann vor Frost und vor den Würmen sicher sind, die sie sonst fressen möchten. Diese letztern Fäden sind gantz linde um die Eyerlein herum gezogen, und haben die Gestalt als wie die Häuslein von den Seidenwürmern, wann man sie zugerichtet und mit den Fingern weich gemachet hat, damit man sie auf eine Spindel winden möge. Die Eyerlein der Spinnen sehen, wann sie annoch frisch sind, weiß, und werden schwärtzlicht, wann sie eine zeitlang an der Luft gelegen haben. Vielleicht möchte man auch solche Spinnenhäuslein finden, die von mehr als einer Farbe und von bessern Faden sind, insonderheit von den Tarantulen: nur daß die Seltsamkeit die Probe zu beschwerlich machen dürffte: deshalben man sich nur zu den gemeinen Spinnen halten muß, die kurtze Beine haben, und sich an solchen Orten finden lassen, die frey vom Winde und vom Regen sind, als wie in Languedoc, Provence und Italien. Doch in America, auf S. Domingo finden sich die Spinnen, welche einen guten Faden oder Seide geben, in grösserer Menge. Der Herr Bon hat eine grosse Menge dieser Häuslein in Languedoc zusammen suchen lassen, und Wege und Mittel gefunden, Seide von Spinnen zu bereiten, welche der gemeinen Seide an Schönheit nichts nachgiebt, und alle Farben gern annimmt, wie dann auch Zeuge draus verfertigt werden können, inmassen Strümpfe und Handschuhe draus gemachet worden, welche wir zu Paris gesehen und in Händen gehabt.

Wie die Seide von Spinnen zuzurichten.

Nachdem man zwölff bis dreyzehn Untzen Spinnenhäuslein zusammen gebracht hatte, ließ Herr Bon dieselbigen eine zeitlang mit der Hand und einem Stäblein wol zerschlagen, damit der Staub heraus käme, hernach wurden sie so lang mit laulichtem Wasser gewaschen, bis das Wasser nicht mehr trübe wurde. Darauf legte man sie in ein Geschirr mit Wasser, darinne Seiffe, Salpeter und etwas arabisches Gummi zerlassen worden, und ließ alles zusammen zwey bis drey Stunden lang, bey einem gantz geringem Feuer kochen, alsdann wusch man die Häuslein alle wiederum mit laulichtem Wasser aus, damit die Seiffe reine wieder davon käme. Nach diesem wurden sie getreuget, zwischen den Fingern etwas gerieben, damit sie desto besser sich kardätschen liessen, doch musten die Kardätschen zu der Spinnenseide ein gut Theil feiner seyn: durch solches Mittel überkam man eine Seide von einer gantz besondern grauen Farbe, die sich gantz leichte spinnen liesse: der Faden ist gar viel feiner und viel stärcker, weder der von der gemeinen Seide.

Die gröste Schwierigkeit besteht darinne, daß man eine trefflich grosse Menge Spinnenhäuslein haben muß, wann etwas rechtes soll bereitet werden. Herr Bon hat Proben angestellt, um dadurch zu erweisen, wie daß die Spinnen, wegen ihrer Fruchtbarkeit mehr Seide geben könten, als die Seidenwürmer: dann sie vermehren sich ungleich häuffiger, als wie Schmetterlinge von den Seidenwürmern, und eine iede Spinne leget sieben bis acht hundert Eyer, dahingegen ein Seidenwurm nicht über hundert giebet, davon annoch die Helffte abzuziehen, weil dieser Wurm viel Ungelegenheit hat zu erdulten, daher [Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] man ihre Arme nennen, und zwey Zangen mit zwey Klauen, welche krumm sind, und zu Ende des Kopfes mit ihren Gelencken angehencket sind; damit tödten sie die Mücken und ander Gewürm, das sie verzehren wollen, indem der Mund gerade drunter steht: sie haben auch an iedem Beine zwey kleine Klauen, und etwas schwammichtes zwischen zwey kleinen Muscheln, sonder zweiffel zu dem Ende, damit sie auch über glatte Dinge behende lauffen können.

Der andere Theil des Spinnencörpers hängt nur vermittelst eines kleinen Fadens an dem ersten, und ist blos mit einer gantz dünnen Haut überzogen, auf welcher ein gantzer Hauffen allerhand farbiger Haare zu befinden: er begreifft den Rücken, den Bauch, die Geburtsglieder und den Arsch.

Der Arsch ist derjenige Ort, daraus die Spinnen ihren Faden ziehen: um denselbigen herum stehen fünff kleine Wärtzlein, die solte man für soviel Löchlein halten, dadurch der Faden muß gezogen werden. Diese Wärtzlein haben ihre Mäuslein und darunter eines, das sie zusammen ziehet; so sind auch annoch deren zwey ein wenig hineinwärts zu sehen, und mitten zwischen heraus gehen viel Fäden, bald mehr, bald weniger. Deren wissen sich die Spinnen auf eine gantz besondere Weise und mechanische Art zu bedienen, wann sie von einem Ort zum andern wollen: sie hängen sich an einen dererselben und richten den Kopf nach dem Winde. Viel andere lassen sie aus ihrem Arsche fahren, die fliegen als wie Dräte herum: wann dann der Wind, der sie immer länger und länger ziehet, sie von ohngefehr an etwas veste macht, so empfinden sie es alsofort durch dessen wiederstreben, indem sie fort für fort mit ihren Füssen an diesen Fäden ziehen, und bedienen sich also dieser Brücke dahin zu kommen, allwo der Faden sich hat angehänget. Wann aber die Fäden nichts antreffen, daran sie sich anhängen können, so lassen sie immer noch mehr Fäden fahren, bis daß die Länge dererselben und die Macht des Windes, der dieselben treibt, die Schwere ihres Leibes überwieget, und sie verspüren, daß sie mit Macht gezogen werden. Sodann reissen sie den ersten Faden, an den sie sich haben gehangē, entzwey, und lassen sich durch den Wind hintreiben, wo derselbe will, schweben also auf dem Rücken, in der Luft, und sperren die Beine von einander. Auf diese beyden Arten kommen sie über die Wege, über die grösten Strassen, und über die Flüsse. Die Fäden lassen sich gantz leichtlich haspeln, oder auf einander winden, wann sie etwan eines Fusses lang sind, ob es schon scheinet, als wenn nur ein Faden wäre: wie dann der Herr Bon versichert, daß er ihrer bis auf zwantzig von einander gesondert habe, wann sie sind aus dem Loch gekommen. Das ist noch etwas gantz besonders dran, daß dieser Wurm den Faden so gar leicht auf alle Seiten weiß zu wenden; und das geschicht, vermittelst der so vielen Ringelein, die daran an einander treffen, welche ihnen auch hauptsächlich nöthig sind, daß sie die Fäden spinnen können; deren es zwey Sorten bey dem Weiblein giebt; wiewol der Herr Bon meinet, es sey dieses Gewürme Zwitterart, indem er iedesmahl bey den Spinnen, welche Eyer legen, die Zeichen männlichen Geschlechts angetroffen.

Der erste Faden, den die Spinnen spinnen, ist gar schwach, und dienet nur zu ihrem Netze, darinne sich [Spaltenumbruch] die Fliegen fangen. Der andere ist um ein gutes stärcker als der erste, darein verwickeln sie die Eyer, die dann vor Frost und vor den Würmen sicher sind, die sie sonst fressen möchten. Diese letztern Fäden sind gantz linde um die Eyerlein herum gezogen, und haben die Gestalt als wie die Häuslein von den Seidenwürmern, wann man sie zugerichtet und mit den Fingern weich gemachet hat, damit man sie auf eine Spindel winden möge. Die Eyerlein der Spinnen sehen, wann sie annoch frisch sind, weiß, und werden schwärtzlicht, wann sie eine zeitlang an der Luft gelegen haben. Vielleicht möchte man auch solche Spinnenhäuslein finden, die von mehr als einer Farbe und von bessern Faden sind, insonderheit von den Tarantulen: nur daß die Seltsamkeit die Probe zu beschwerlich machen dürffte: deshalben man sich nur zu den gemeinen Spinnen halten muß, die kurtze Beine haben, und sich an solchen Orten finden lassen, die frey vom Winde und vom Regen sind, als wie in Languedoc, Provence und Italien. Doch in America, auf S. Domingo finden sich die Spinnen, welche einen guten Faden oder Seide geben, in grösserer Menge. Der Herr Bon hat eine grosse Menge dieser Häuslein in Languedoc zusammen suchen lassen, und Wege und Mittel gefunden, Seide von Spinnen zu bereiten, welche der gemeinen Seide an Schönheit nichts nachgiebt, und alle Farben gern annimmt, wie dann auch Zeuge draus verfertigt werden können, inmassen Strümpfe und Handschuhe draus gemachet worden, welche wir zu Paris gesehen und in Händen gehabt.

Wie die Seide von Spinnen zuzurichten.

Nachdem man zwölff bis dreyzehn Untzen Spinnenhäuslein zusammen gebracht hatte, ließ Herr Bon dieselbigen eine zeitlang mit der Hand und einem Stäblein wol zerschlagen, damit der Staub heraus käme, hernach wurden sie so lang mit laulichtem Wasser gewaschen, bis das Wasser nicht mehr trübe wurde. Darauf legte man sie in ein Geschirr mit Wasser, darinne Seiffe, Salpeter und etwas arabisches Gummi zerlassen worden, und ließ alles zusammen zwey bis drey Stunden lang, bey einem gantz geringem Feuer kochen, alsdann wusch man die Häuslein alle wiederum mit laulichtem Wasser aus, damit die Seiffe reine wieder davon käme. Nach diesem wurden sie getreuget, zwischen den Fingern etwas gerieben, damit sie desto besser sich kardätschen liessen, doch musten die Kardätschen zu der Spinnenseide ein gut Theil feiner seyn: durch solches Mittel überkam man eine Seide von einer gantz besondern grauen Farbe, die sich gantz leichte spinnen liesse: der Faden ist gar viel feiner und viel stärcker, weder der von der gemeinen Seide.

Die gröste Schwierigkeit besteht darinne, daß man eine trefflich grosse Menge Spinnenhäuslein haben muß, wann etwas rechtes soll bereitet werden. Herr Bon hat Proben angestellt, um dadurch zu erweisen, wie daß die Spinnen, wegen ihrer Fruchtbarkeit mehr Seide geben könten, als die Seidenwürmer: dann sie vermehren sich ungleich häuffiger, als wie Schmetterlinge von den Seidenwürmern, und eine iede Spinne leget sieben bis acht hundert Eyer, dahingegen ein Seidenwurm nicht über hundert giebet, davon annoch die Helffte abzuziehen, weil dieser Wurm viel Ungelegenheit hat zu erdulten, daher [Ende Spaltensatz]

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Diese Wärtzlein haben ihre Mäuslein und darunter eines, das sie zusammen ziehet; so sind auch annoch deren zwey ein wenig hineinwärts zu sehen, und mitten zwischen heraus gehen viel Fäden, bald mehr, bald weniger. Deren wissen sich die Spinnen auf eine gantz besondere Weise und mechanische Art zu bedienen, wann sie von einem Ort zum andern wollen: sie hängen sich an einen dererselben und richten den Kopf nach dem Winde. Viel andere lassen sie aus ihrem Arsche fahren, die fliegen als wie Dräte herum: wann dann der Wind, der sie immer länger und länger ziehet, sie von ohngefehr an etwas veste macht, so empfinden sie es alsofort durch dessen wiederstreben, indem sie fort für fort mit ihren Füssen an diesen Fäden ziehen, und bedienen sich also dieser Brücke dahin zu kommen, allwo der Faden sich hat angehänget. Wann aber die Fäden nichts antreffen, daran sie sich anhängen können, so lassen sie immer noch mehr Fäden fahren, bis daß die Länge dererselben und die Macht des Windes, der dieselben treibt, die Schwere ihres Leibes überwieget, und sie verspüren, daß sie mit Macht gezogen werden. Sodann reissen sie den ersten Faden, an den sie sich haben gehangē, entzwey, und lassen sich durch den Wind hintreiben, wo derselbe will, schweben also auf dem Rücken, in der Luft, und sperren die Beine von einander. Auf diese beyden Arten kommen sie über die Wege, über die grösten Strassen, und über die Flüsse. Die Fäden lassen sich gantz leichtlich haspeln, oder auf einander winden, wann sie etwan eines Fusses lang sind, ob es schon scheinet, als wenn nur ein Faden wäre: wie dann der Herr Bon versichert, daß er ihrer bis auf zwantzig von einander gesondert habe, wann sie sind aus dem Loch gekommen. Das ist noch etwas gantz besonders dran, daß dieser Wurm den Faden so gar leicht auf alle Seiten weiß zu wenden; und das geschicht, vermittelst der so vielen Ringelein, die daran an einander treffen, welche ihnen auch hauptsächlich nöthig sind, daß sie die Fäden spinnen können; deren es zwey Sorten bey dem Weiblein giebt; wiewol der Herr Bon meinet, es sey dieses Gewürme Zwitterart, indem er iedesmahl bey den Spinnen, welche Eyer legen, die Zeichen männlichen Geschlechts angetroffen. Der erste Faden, den die Spinnen spinnen, ist gar schwach, und dienet nur zu ihrem Netze, darinne sich die Fliegen fangen. Der andere ist um ein gutes stärcker als der erste, darein verwickeln sie die Eyer, die dann vor Frost und vor den Würmen sicher sind, die sie sonst fressen möchten. Diese letztern Fäden sind gantz linde um die Eyerlein herum gezogen, und haben die Gestalt als wie die Häuslein von den Seidenwürmern, wann man sie zugerichtet und mit den Fingern weich gemachet hat, damit man sie auf eine Spindel winden möge. Die Eyerlein der Spinnen sehen, wann sie annoch frisch sind, weiß, und werden schwärtzlicht, wann sie eine zeitlang an der Luft gelegen haben. Vielleicht möchte man auch solche Spinnenhäuslein finden, die von mehr als einer Farbe und von bessern Faden sind, insonderheit von den Tarantulen: nur daß die Seltsamkeit die Probe zu beschwerlich machen dürffte: deshalben man sich nur zu den gemeinen Spinnen halten muß, die kurtze Beine haben, und sich an solchen Orten finden lassen, die frey vom Winde und vom Regen sind, als wie in Languedoc, Provence und Italien. Doch in America, auf S. Domingo finden sich die Spinnen, welche einen guten Faden oder Seide geben, in grösserer Menge. Der Herr Bon hat eine grosse Menge dieser Häuslein in Languedoc zusammen suchen lassen, und Wege und Mittel gefunden, Seide von Spinnen zu bereiten, welche der gemeinen Seide an Schönheit nichts nachgiebt, und alle Farben gern annimmt, wie dann auch Zeuge draus verfertigt werden können, inmassen Strümpfe und Handschuhe draus gemachet worden, welche wir zu Paris gesehen und in Händen gehabt. Wie die Seide von Spinnen zuzurichten. Nachdem man zwölff bis dreyzehn Untzen Spinnenhäuslein zusammen gebracht hatte, ließ Herr Bon dieselbigen eine zeitlang mit der Hand und einem Stäblein wol zerschlagen, damit der Staub heraus käme, hernach wurden sie so lang mit laulichtem Wasser gewaschen, bis das Wasser nicht mehr trübe wurde. Darauf legte man sie in ein Geschirr mit Wasser, darinne Seiffe, Salpeter und etwas arabisches Gummi zerlassen worden, und ließ alles zusammen zwey bis drey Stunden lang, bey einem gantz geringem Feuer kochen, alsdann wusch man die Häuslein alle wiederum mit laulichtem Wasser aus, damit die Seiffe reine wieder davon käme. Nach diesem wurden sie getreuget, zwischen den Fingern etwas gerieben, damit sie desto besser sich kardätschen liessen, doch musten die Kardätschen zu der Spinnenseide ein gut Theil feiner seyn: durch solches Mittel überkam man eine Seide von einer gantz besondern grauen Farbe, die sich gantz leichte spinnen liesse: der Faden ist gar viel feiner und viel stärcker, weder der von der gemeinen Seide. Die gröste Schwierigkeit besteht darinne, daß man eine trefflich grosse Menge Spinnenhäuslein haben muß, wann etwas rechtes soll bereitet werden. Herr Bon hat Proben angestellt, um dadurch zu erweisen, wie daß die Spinnen, wegen ihrer Fruchtbarkeit mehr Seide geben könten, als die Seidenwürmer: dann sie vermehren sich ungleich häuffiger, als wie Schmetterlinge von den Seidenwürmern, und eine iede Spinne leget sieben bis acht hundert Eyer, dahingegen ein Seidenwurm nicht über hundert giebet, davon annoch die Helffte abzuziehen, weil dieser Wurm viel Ungelegenheit hat zu erdulten, daher

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Zitationshilfe: Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lemery_lexicon_1721/61>, abgerufen am 18.05.2024.