Lémery, Nicolas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721.[Beginn Spaltensatz] auch das geringste ihn verhindert, sein Häuslein zu verfertigen. Hingegen kriechen die Spinnen ohne alle Gefahr aus ihren Eyerlein im August und September aus; vierzehen Tage hernach, nachdem sie sind geleget worden, und die alten sterben bald darauf. Die kleinen Spinnen, welche ausgekrochen, bleiben zwölff bis vierzehen Tage ohne Fressen, werden nicht kleiner, auch nicht grösser, und halten sich in ihrer Schale beständig auf, bis sie die grosse Hitze zwinget sich heraus zu machen und der Nahrung nachzusuchen. Solte man nun können die kleinen Spinnen in einem Zimmer auferziehen, so würde man von diesen Würmern weit mehrere Häuslein überkommen, als von den Seidenwürmern, indem ich allezeit gesehen, spricht Herr Bon, wie daß von sieben bis acht hundert kleinen Spinnen kaum eine einige in einem gantzen Jahr gestorben, da doch im Gegentheil von hundert kleinen Seidenwürmern kaum viertzig blieben, welche ihre Häuslein spannen. Die kleinen kurtzbeinigten Spinnen werden in papierne Deuten gethan und in Töpfe geleget. Die Töpfe deckt man mit Papiere zu, darein, wie in die Deuten, ein Hauffen Löchlein mit der Nadel sind gestochen worden, damit sie Luft haben mögen. Fliegen und Mücken werden ihnen zur Nahrung gegeben, und eine Zeit hernach befindet man, wie daß sie ihre Häuslein zugerichtet haben; auch, daß dreyzehen Untzen dieser Seide, bey nahe vier Untzen reine Seide geben. Herr Bon fährt weiter also fort. Es würde keine grosse Mühe setzen die Spinnenhäuslein aufzusuchen, wann nur vergönnet wäre in allen Häusern, wo es ihrer an den Fenstern giebet, nachzusehen: da dann gar leicht zu schliessen, daß in dem gantzen Königreiche ihrer eine gnugsame Menge würde anzutreffen seyn, wann etwas grosses davon solle bereitet werden: es würde auch diese neue Seide, von der allhier die Rede ist, nicht so gar seltsam, noch so kostbar seyn, als wie die gemeine Seide zu Anfang ist gewesen; zumahl, da die Spinnenhäuslein, nach Proportion ihrer Leichtheit mehr Seide geben, als die andern. Die Probe davon ist diese: dreyzehen Untzen dererselben geben beynahe vier Untzen reiner Seide, und zu einem Paar Strümpfe für den grösten Mann hat man nicht mehr als nur drey Untzen solcher Seide nöthig; dann die ich zugleich übersende (schreibt der Herr Bon) wägen nicht mehr als vier Untzen und ein Viertheil; und die Handschuhe wägen ungefehr drey Viertheil einer Untze, dahingegen die von der gemeinen Seide insgemein sieben bis acht Untzen wägen. Diejenigen seidenen Strümpfe und Handschuhe, deren anietzt erwähnet worden, welche auch kurtz hernach, als sie der Herr Bon zu Montpellier hat machen lassen, bey der königlichen Academie derer Wissenschaften examiniret und beschauet wurden, waren starck und eben also gut, als ob sie von gemeiner Seide bereitet worden wären; sie waren auch eben so schön, so glatt und gleissend, von einer angenehmen grauen Farbe, fast als wie mäusefahl. Es ist diese Farbe der Spinnenseide natürliche Farbe; iedoch ist nicht zu zweiffeln, wann sie mit Seiffenwasser, darinne Salpeter und ein wenig Arabisches Gummi zerlassen worden, gewaschen werden solte, daß sie dadurch [Spaltenumbruch] mehr Lustre und einen gewissen Glantz bekommen dürffte. Sie kan alsdann gehaspelt und gewunden, gesponnen und, gleichwie die Seide von den Seidenwürmern, verarbeitet werden. Bisanher habe ich von denenjenigen Dingen geredet, welche Herr Bon hierbey hat angemerckt. Der Herr de Reaumur, ein Mitglied der königlichen Academie der Wissenschaften, hat sich gleichergestalt mit den Spinnen bemühet, und derer eine grosse Anzahl sammlen lassen und erzogen: er hat auch eine gelehrte Dissertation davon verfertigt, welche in den Memoires gedachter königlichen Academie, des Jahres 1710. ist recensiret worden, von der ich aber nur an diesem Orte einen Auszug geben werde, damit der Leser selbst urtheilen möge, welcher mehr Recht habe, und es am besten getroffen. Der Herr de Reaumur behauptet, daß es gantz unmöglich sey, mit blosen Fliegen so viel Spinnen zu erziehen, als ihrer nöthig, daß sie zu den aufgerichteten Manufacturen Seide gnug verschaffen könten. Er spricht, was für Behendigkeit würde darzu gehören, wann einer alle Tage solte so viel Fliegen fangen, als wohl zur Auferziehung dieses nichts werthen Gewürms von Nöthen wären? Es würden mit genauer Noth alle Fliegen im gantzen Königreiche zureichen, wann eine solche Anzahl Spinnen damit solten unterhalten werden, die eine eben nicht gar sonderliche Menge Seide geben möchten. Es zeiget die natürliche Gefräßigkeit der Spinnen zur Gnüge, daß ihre Nahrung von keiner Art der Gewächse kommt; daher sind auch weder Kraut, noch Blumen, noch Früchte, zu ihrer Auferziehung dienlich. Der Herr de Reaumur hat keine Gattung dieser Speise unversucht gelassen, damit ihm nicht etwan möchte vorgerücket werden, ob habe er eines und das andere übersehen; bevoraus, da ihm wohl bekannt, daß, wann man etwas will probiren und versuchen, nicht selten sich etwas pflegt zu begeben, daß man wohl nimmermehr vermeinet hätte. Allein, was er hierbey versuchet hat, ist dannoch keine Nahrung für die Spinnen nicht gewesen. Und doch hat er auch nicht gedencken können, daß die Fliegen den Spinnen alleine ihre Nahrung geben solten: dann, obgleich diejenigen, die in den Winckeln an den Mauern und in den Gärten ihr Gewebe machen, blos von den Fliegen leben; so hat er doch mehr als einmahl in Acht genommen, daß sie auch sonst mehr anderes Geschmeiß zu fressen pflegen, wann es in ihr Gewebe gerathen ist. Diejenigen Spinnen, welche in den Löchern, die in alten Mauern sind, sich aufhalten, haben ihn noch mehr gelehret, daß ihnen alle Würmer dienlich sind: dann, wann er manchmahl solche Löcher ausgesucht, hat er darinnen allerhand ertödtetes Gewürme angetroffen, Kellerschaben, Raupen und Schnecken. Daher ist er auf die Gedancken kommen, es brauche weiter nichts, als daß man eine solche Gattung von Gewürme auszusuchen hätte, dessen man so viel und ohne Mühe überkommen könte, als man nur immer wolte: und da hat ihm bedunckt, es würden sich die Regenwürmer am allerbesten dazu schicken; dieweil es deren eine übergrosse Menge giebt, indem die Gärten und die Felder damit angefüllet sind. Er hat zwar würcklich keinmahl solche Würmer weder in den Spinnenlöchern noch in dem Gewebe angetroffen: allein, weil sie beständig [Ende Spaltensatz] [Beginn Spaltensatz] auch das geringste ihn verhindert, sein Häuslein zu verfertigen. Hingegen kriechen die Spinnen ohne alle Gefahr aus ihren Eyerlein im August und September aus; vierzehen Tage hernach, nachdem sie sind geleget worden, und die alten sterben bald darauf. Die kleinen Spinnen, welche ausgekrochen, bleiben zwölff bis vierzehen Tage ohne Fressen, werden nicht kleiner, auch nicht grösser, und halten sich in ihrer Schale beständig auf, bis sie die grosse Hitze zwinget sich heraus zu machen und der Nahrung nachzusuchen. Solte man nun können die kleinen Spinnen in einem Zimmer auferziehen, so würde man von diesen Würmern weit mehrere Häuslein überkommen, als von den Seidenwürmern, indem ich allezeit gesehen, spricht Herr Bon, wie daß von sieben bis acht hundert kleinen Spinnen kaum eine einige in einem gantzen Jahr gestorben, da doch im Gegentheil von hundert kleinen Seidenwürmern kaum viertzig blieben, welche ihre Häuslein spannen. Die kleinen kurtzbeinigten Spinnen werden in papierne Deuten gethan und in Töpfe geleget. Die Töpfe deckt man mit Papiere zu, darein, wie in die Deuten, ein Hauffen Löchlein mit der Nadel sind gestochen worden, damit sie Luft haben mögen. Fliegen und Mücken werden ihnen zur Nahrung gegeben, und eine Zeit hernach befindet man, wie daß sie ihre Häuslein zugerichtet haben; auch, daß dreyzehen Untzen dieser Seide, bey nahe vier Untzen reine Seide geben. Herr Bon fährt weiter also fort. Es würde keine grosse Mühe setzen die Spinnenhäuslein aufzusuchen, wann nur vergönnet wäre in allen Häusern, wo es ihrer an den Fenstern giebet, nachzusehen: da dann gar leicht zu schliessen, daß in dem gantzen Königreiche ihrer eine gnugsame Menge würde anzutreffen seyn, wann etwas grosses davon solle bereitet werden: es würde auch diese neue Seide, von der allhier die Rede ist, nicht so gar seltsam, noch so kostbar seyn, als wie die gemeine Seide zu Anfang ist gewesen; zumahl, da die Spinnenhäuslein, nach Proportion ihrer Leichtheit mehr Seide geben, als die andern. Die Probe davon ist diese: dreyzehen Untzen dererselben geben beynahe vier Untzen reiner Seide, und zu einem Paar Strümpfe für den grösten Mann hat man nicht mehr als nur drey Untzen solcher Seide nöthig; dann die ich zugleich übersende (schreibt der Herr Bon) wägen nicht mehr als vier Untzen und ein Viertheil; und die Handschuhe wägen ungefehr drey Viertheil einer Untze, dahingegen die von der gemeinen Seide insgemein sieben bis acht Untzen wägen. Diejenigen seidenen Strümpfe und Handschuhe, deren anietzt erwähnet worden, welche auch kurtz hernach, als sie der Herr Bon zu Montpellier hat machen lassen, bey der königlichen Academie derer Wissenschaften examiniret und beschauet wurden, waren starck und eben also gut, als ob sie von gemeiner Seide bereitet worden wären; sie waren auch eben so schön, so glatt und gleissend, von einer angenehmen grauen Farbe, fast als wie mäusefahl. Es ist diese Farbe der Spinnenseide natürliche Farbe; iedoch ist nicht zu zweiffeln, wann sie mit Seiffenwasser, darinne Salpeter und ein wenig Arabisches Gummi zerlassen worden, gewaschen werden solte, daß sie dadurch [Spaltenumbruch] mehr Lustre und einen gewissen Glantz bekommen dürffte. Sie kan alsdann gehaspelt und gewunden, gesponnen und, gleichwie die Seide von den Seidenwürmern, verarbeitet werden. Bisanher habe ich von denenjenigen Dingen geredet, welche Herr Bon hierbey hat angemerckt. Der Herr de Reaumur, ein Mitglied der königlichen Academie der Wissenschaften, hat sich gleichergestalt mit den Spinnen bemühet, und derer eine grosse Anzahl sammlen lassen und erzogen: er hat auch eine gelehrte Dissertation davon verfertigt, welche in den Memoires gedachter königlichen Academie, des Jahres 1710. ist recensiret worden, von der ich aber nur an diesem Orte einen Auszug geben werde, damit der Leser selbst urtheilen möge, welcher mehr Recht habe, und es am besten getroffen. Der Herr de Reaumur behauptet, daß es gantz unmöglich sey, mit blosen Fliegen so viel Spinnen zu erziehen, als ihrer nöthig, daß sie zu den aufgerichteten Manufacturen Seide gnug verschaffen könten. Er spricht, was für Behendigkeit würde darzu gehören, wann einer alle Tage solte so viel Fliegen fangen, als wohl zur Auferziehung dieses nichts werthen Gewürms von Nöthen wären? Es würden mit genauer Noth alle Fliegen im gantzen Königreiche zureichen, wann eine solche Anzahl Spinnen damit solten unterhalten werden, die eine eben nicht gar sonderliche Menge Seide geben möchten. Es zeiget die natürliche Gefräßigkeit der Spinnen zur Gnüge, daß ihre Nahrung von keiner Art der Gewächse kommt; daher sind auch weder Kraut, noch Blumen, noch Früchte, zu ihrer Auferziehung dienlich. Der Herr de Reaumur hat keine Gattung dieser Speise unversucht gelassen, damit ihm nicht etwan möchte vorgerücket werden, ob habe er eines und das andere übersehen; bevoraus, da ihm wohl bekannt, daß, wann man etwas will probiren und versuchen, nicht selten sich etwas pflegt zu begeben, daß man wohl nimmermehr vermeinet hätte. Allein, was er hierbey versuchet hat, ist dannoch keine Nahrung für die Spinnen nicht gewesen. Und doch hat er auch nicht gedencken können, daß die Fliegen den Spinnen alleine ihre Nahrung geben solten: dann, obgleich diejenigen, die in den Winckeln an den Mauern und in den Gärten ihr Gewebe machen, blos von den Fliegen leben; so hat er doch mehr als einmahl in Acht genommen, daß sie auch sonst mehr anderes Geschmeiß zu fressen pflegen, wann es in ihr Gewebe gerathen ist. Diejenigen Spinnen, welche in den Löchern, die in alten Mauern sind, sich aufhalten, haben ihn noch mehr gelehret, daß ihnen alle Würmer dienlich sind: dann, wann er manchmahl solche Löcher ausgesucht, hat er darinnen allerhand ertödtetes Gewürme angetroffen, Kellerschaben, Raupen und Schnecken. Daher ist er auf die Gedancken kommen, es brauche weiter nichts, als daß man eine solche Gattung von Gewürme auszusuchen hätte, dessen man so viel und ohne Mühe überkommen könte, als man nur immer wolte: und da hat ihm bedunckt, es würden sich die Regenwürmer am allerbesten dazu schicken; dieweil es deren eine übergrosse Menge giebt, indem die Gärten und die Felder damit angefüllet sind. Er hat zwar würcklich keinmahl solche Würmer weder in den Spinnenlöchern noch in dem Gewebe angetroffen: allein, weil sie beständig [Ende Spaltensatz] <TEI> <text> <body> <div> <div type="lexiconEntry"> <p><pb facs="#f0062"/><cb type="start"/> auch das geringste ihn verhindert, sein Häuslein zu verfertigen. 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Daher ist er auf die Gedancken kommen, es brauche weiter nichts, als daß man eine solche Gattung von Gewürme auszusuchen hätte, dessen man so viel und ohne Mühe überkommen könte, als man nur immer wolte: und da hat ihm bedunckt, es würden sich die Regenwürmer am allerbesten dazu schicken; dieweil es deren eine übergrosse Menge giebt, indem die Gärten und die Felder damit angefüllet sind. Er hat zwar würcklich keinmahl solche Würmer weder in den Spinnenlöchern noch in dem Gewebe angetroffen: allein, weil sie beständig <cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
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Solte man nun können die kleinen Spinnen in einem Zimmer auferziehen, so würde man von diesen Würmern weit mehrere Häuslein überkommen, als von den Seidenwürmern, indem ich allezeit gesehen, spricht Herr Bon, wie daß von sieben bis acht hundert kleinen Spinnen kaum eine einige in einem gantzen Jahr gestorben, da doch im Gegentheil von hundert kleinen Seidenwürmern kaum viertzig blieben, welche ihre Häuslein spannen.
Die kleinen kurtzbeinigten Spinnen werden in papierne Deuten gethan und in Töpfe geleget. Die Töpfe deckt man mit Papiere zu, darein, wie in die Deuten, ein Hauffen Löchlein mit der Nadel sind gestochen worden, damit sie Luft haben mögen. Fliegen und Mücken werden ihnen zur Nahrung gegeben, und eine Zeit hernach befindet man, wie daß sie ihre Häuslein zugerichtet haben; auch, daß dreyzehen Untzen dieser Seide, bey nahe vier Untzen reine Seide geben.
Herr Bon fährt weiter also fort. Es würde keine grosse Mühe setzen die Spinnenhäuslein aufzusuchen, wann nur vergönnet wäre in allen Häusern, wo es ihrer an den Fenstern giebet, nachzusehen: da dann gar leicht zu schliessen, daß in dem gantzen Königreiche ihrer eine gnugsame Menge würde anzutreffen seyn, wann etwas grosses davon solle bereitet werden: es würde auch diese neue Seide, von der allhier die Rede ist, nicht so gar seltsam, noch so kostbar seyn, als wie die gemeine Seide zu Anfang ist gewesen; zumahl, da die Spinnenhäuslein, nach Proportion ihrer Leichtheit mehr Seide geben, als die andern. Die Probe davon ist diese: dreyzehen Untzen dererselben geben beynahe vier Untzen reiner Seide, und zu einem Paar Strümpfe für den grösten Mann hat man nicht mehr als nur drey Untzen solcher Seide nöthig; dann die ich zugleich übersende (schreibt der Herr Bon) wägen nicht mehr als vier Untzen und ein Viertheil; und die Handschuhe wägen ungefehr drey Viertheil einer Untze, dahingegen die von der gemeinen Seide insgemein sieben bis acht Untzen wägen.
Diejenigen seidenen Strümpfe und Handschuhe, deren anietzt erwähnet worden, welche auch kurtz hernach, als sie der Herr Bon zu Montpellier hat machen lassen, bey der königlichen Academie derer Wissenschaften examiniret und beschauet wurden, waren starck und eben also gut, als ob sie von gemeiner Seide bereitet worden wären; sie waren auch eben so schön, so glatt und gleissend, von einer angenehmen grauen Farbe, fast als wie mäusefahl. Es ist diese Farbe der Spinnenseide natürliche Farbe; iedoch ist nicht zu zweiffeln, wann sie mit Seiffenwasser, darinne Salpeter und ein wenig Arabisches Gummi zerlassen worden, gewaschen werden solte, daß sie dadurch
mehr Lustre und einen gewissen Glantz bekommen dürffte. Sie kan alsdann gehaspelt und gewunden, gesponnen und, gleichwie die Seide von den Seidenwürmern, verarbeitet werden.
Bisanher habe ich von denenjenigen Dingen geredet, welche Herr Bon hierbey hat angemerckt. Der Herr de Reaumur, ein Mitglied der königlichen Academie der Wissenschaften, hat sich gleichergestalt mit den Spinnen bemühet, und derer eine grosse Anzahl sammlen lassen und erzogen: er hat auch eine gelehrte Dissertation davon verfertigt, welche in den Memoires gedachter königlichen Academie, des Jahres 1710. ist recensiret worden, von der ich aber nur an diesem Orte einen Auszug geben werde, damit der Leser selbst urtheilen möge, welcher mehr Recht habe, und es am besten getroffen.
Der Herr de Reaumur behauptet, daß es gantz unmöglich sey, mit blosen Fliegen so viel Spinnen zu erziehen, als ihrer nöthig, daß sie zu den aufgerichteten Manufacturen Seide gnug verschaffen könten. Er spricht, was für Behendigkeit würde darzu gehören, wann einer alle Tage solte so viel Fliegen fangen, als wohl zur Auferziehung dieses nichts werthen Gewürms von Nöthen wären? Es würden mit genauer Noth alle Fliegen im gantzen Königreiche zureichen, wann eine solche Anzahl Spinnen damit solten unterhalten werden, die eine eben nicht gar sonderliche Menge Seide geben möchten.
Es zeiget die natürliche Gefräßigkeit der Spinnen zur Gnüge, daß ihre Nahrung von keiner Art der Gewächse kommt; daher sind auch weder Kraut, noch Blumen, noch Früchte, zu ihrer Auferziehung dienlich. Der Herr de Reaumur hat keine Gattung dieser Speise unversucht gelassen, damit ihm nicht etwan möchte vorgerücket werden, ob habe er eines und das andere übersehen; bevoraus, da ihm wohl bekannt, daß, wann man etwas will probiren und versuchen, nicht selten sich etwas pflegt zu begeben, daß man wohl nimmermehr vermeinet hätte. Allein, was er hierbey versuchet hat, ist dannoch keine Nahrung für die Spinnen nicht gewesen. Und doch hat er auch nicht gedencken können, daß die Fliegen den Spinnen alleine ihre Nahrung geben solten: dann, obgleich diejenigen, die in den Winckeln an den Mauern und in den Gärten ihr Gewebe machen, blos von den Fliegen leben; so hat er doch mehr als einmahl in Acht genommen, daß sie auch sonst mehr anderes Geschmeiß zu fressen pflegen, wann es in ihr Gewebe gerathen ist. Diejenigen Spinnen, welche in den Löchern, die in alten Mauern sind, sich aufhalten, haben ihn noch mehr gelehret, daß ihnen alle Würmer dienlich sind: dann, wann er manchmahl solche Löcher ausgesucht, hat er darinnen allerhand ertödtetes Gewürme angetroffen, Kellerschaben, Raupen und Schnecken. Daher ist er auf die Gedancken kommen, es brauche weiter nichts, als daß man eine solche Gattung von Gewürme auszusuchen hätte, dessen man so viel und ohne Mühe überkommen könte, als man nur immer wolte: und da hat ihm bedunckt, es würden sich die Regenwürmer am allerbesten dazu schicken; dieweil es deren eine übergrosse Menge giebt, indem die Gärten und die Felder damit angefüllet sind. Er hat zwar würcklich keinmahl solche Würmer weder in den Spinnenlöchern noch in dem Gewebe angetroffen: allein, weil sie beständig
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