Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Und Zepter taucht', und Juful aus dem Schwarme, Und klirrend tauchten Ketten auf und Beil. Noch immer saß das Weib ein stummer Späher, Da trat ich forschend ihrem Sitze näher: Todt war sie, todt! -- In ihrer Züge Schatten Stand noch des Grames stille Siedelei, Fort war die Seele zu den dunkeln Matten Der Vorzeit, wo der Seelen heil'ge Drei Nun irrt: die hohe Roma, stumm und düster, Die schöne Hellas, bang, mit Klaggeflüster, Und, ihren Schwestern traulich sich vereinend, Germania, die gute, leise weinend. -- -- Das Schicksal ging nun finster mir vorüber, Mit Majestät und Schrecken angethan, Und winkte mir, zu wandern meine Bahn Durch Heideland, verlass'ner stets und trüber. Und dir, mein Leben, warf zur stillen Feier Den Gram das Schicksal um dein Angesicht, Von ihm gewoben dir zum zweiten Schleier, Der fester sich um deine Züge flicht: Erst wenn wir uns zu seligem Vergessen Hinlegen in das traute, liebe Grab, Löst er von deinem Angesicht sich ab, Und hängt sich an die säuselnden Cypressen. Und Zepter taucht', und Juful aus dem Schwarme, Und klirrend tauchten Ketten auf und Beil. Noch immer ſaß das Weib ein ſtummer Spaͤher, Da trat ich forſchend ihrem Sitze naͤher: Todt war ſie, todt! — In ihrer Zuͤge Schatten Stand noch des Grames ſtille Siedelei, Fort war die Seele zu den dunkeln Matten Der Vorzeit, wo der Seelen heil'ge Drei Nun irrt: die hohe Roma, ſtumm und duͤſter, Die ſchoͤne Hellas, bang, mit Klaggefluͤſter, Und, ihren Schweſtern traulich ſich vereinend, Germania, die gute, leiſe weinend. — — Das Schickſal ging nun finſter mir voruͤber, Mit Majeſtaͤt und Schrecken angethan, Und winkte mir, zu wandern meine Bahn Durch Heideland, verlaſſ'ner ſtets und truͤber. Und dir, mein Leben, warf zur ſtillen Feier Den Gram das Schickſal um dein Angeſicht, Von ihm gewoben dir zum zweiten Schleier, Der feſter ſich um deine Zuͤge flicht: Erſt wenn wir uns zu ſeligem Vergeſſen Hinlegen in das traute, liebe Grab, Loͤst er von deinem Angeſicht ſich ab, Und haͤngt ſich an die ſaͤuſelnden Cypreſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0192" n="178"/> <l>Und Zepter taucht', und Juful aus dem Schwarme,</l><lb/> <l>Und klirrend tauchten <hi rendition="#g">Ketten</hi> auf und <hi rendition="#g">Beil</hi>.</l><lb/> <l>Noch immer ſaß das Weib ein ſtummer Spaͤher,</l><lb/> <l>Da trat ich forſchend ihrem Sitze naͤher:</l><lb/> <l>Todt war ſie, todt! — In ihrer Zuͤge Schatten</l><lb/> <l>Stand noch des Grames ſtille Siedelei,</l><lb/> <l>Fort war die <hi rendition="#g">Seele</hi> zu den dunkeln Matten</l><lb/> <l>Der Vorzeit, wo der Seelen heil'ge Drei</l><lb/> <l>Nun irrt: die hohe Roma, ſtumm und duͤſter,</l><lb/> <l>Die ſchoͤne Hellas, bang, mit Klaggefluͤſter,</l><lb/> <l>Und, ihren Schweſtern traulich ſich vereinend,</l><lb/> <l>Germania, die gute, leiſe weinend. — —</l><lb/> <l>Das Schickſal ging nun finſter mir voruͤber,</l><lb/> <l>Mit Majeſtaͤt und Schrecken angethan,</l><lb/> <l>Und winkte mir, zu wandern meine Bahn</l><lb/> <l>Durch Heideland, verlaſſ'ner ſtets und truͤber.</l><lb/> <l>Und dir, mein Leben, warf zur ſtillen Feier</l><lb/> <l>Den Gram das Schickſal um dein Angeſicht,</l><lb/> <l>Von ihm gewoben dir zum zweiten Schleier,</l><lb/> <l>Der feſter ſich um deine Zuͤge flicht:</l><lb/> <l>Erſt wenn wir uns zu ſeligem Vergeſſen</l><lb/> <l>Hinlegen in das traute, liebe Grab,</l><lb/> <l>Loͤst er von deinem Angeſicht ſich ab,</l><lb/> <l>Und haͤngt ſich an die ſaͤuſelnden Cypreſſen.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0192]
Und Zepter taucht', und Juful aus dem Schwarme,
Und klirrend tauchten Ketten auf und Beil.
Noch immer ſaß das Weib ein ſtummer Spaͤher,
Da trat ich forſchend ihrem Sitze naͤher:
Todt war ſie, todt! — In ihrer Zuͤge Schatten
Stand noch des Grames ſtille Siedelei,
Fort war die Seele zu den dunkeln Matten
Der Vorzeit, wo der Seelen heil'ge Drei
Nun irrt: die hohe Roma, ſtumm und duͤſter,
Die ſchoͤne Hellas, bang, mit Klaggefluͤſter,
Und, ihren Schweſtern traulich ſich vereinend,
Germania, die gute, leiſe weinend. — —
Das Schickſal ging nun finſter mir voruͤber,
Mit Majeſtaͤt und Schrecken angethan,
Und winkte mir, zu wandern meine Bahn
Durch Heideland, verlaſſ'ner ſtets und truͤber.
Und dir, mein Leben, warf zur ſtillen Feier
Den Gram das Schickſal um dein Angeſicht,
Von ihm gewoben dir zum zweiten Schleier,
Der feſter ſich um deine Zuͤge flicht:
Erſt wenn wir uns zu ſeligem Vergeſſen
Hinlegen in das traute, liebe Grab,
Loͤst er von deinem Angeſicht ſich ab,
Und haͤngt ſich an die ſaͤuſelnden Cypreſſen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |