Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Die Waldkapelle. 1. Der dunkle Wald umrauscht den Wiesengrund, Gar düster liegt der graue Berg dahinter, Das dürre Laub, der Windhauch gibt es kund, Geschritten kommt allmählig schon der Winter. Die Sonne ging, umhüllt von Wolken dicht, Unfreundlich, ohne Scheideblick von hinnen, Und die Natur verstummt, im Dämmerlicht Schwermüthig ihrem Tode nachzusinnen. Dort, wo die Eiche rauscht am Bergesfuß, Wo bang vorüberklagt des Baches Welle, Dort winket, wie aus alter Zeit ein Gruß, Die längst verlassne, stille Waldkapelle. Wo sind sie, deren Lied aus deinem Schooß, O Kirchlein, einst zu Gott emporgeflogen, Vergessend all' ihr trübes Erdenloos? -- Wo sind sie? -- ihrem Liede nachgezogen! Die Waldkapelle. 1. Der dunkle Wald umrauſcht den Wieſengrund, Gar duͤſter liegt der graue Berg dahinter, Das duͤrre Laub, der Windhauch gibt es kund, Geſchritten kommt allmaͤhlig ſchon der Winter. Die Sonne ging, umhuͤllt von Wolken dicht, Unfreundlich, ohne Scheideblick von hinnen, Und die Natur verſtummt, im Daͤmmerlicht Schwermuͤthig ihrem Tode nachzuſinnen. Dort, wo die Eiche rauſcht am Bergesfuß, Wo bang voruͤberklagt des Baches Welle, Dort winket, wie aus alter Zeit ein Gruß, Die laͤngſt verlaſſne, ſtille Waldkapelle. Wo ſind ſie, deren Lied aus deinem Schooß, O Kirchlein, einſt zu Gott emporgeflogen, Vergeſſend all' ihr truͤbes Erdenloos? — Wo ſind ſie? — ihrem Liede nachgezogen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0193" n="179"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Die Waldkapelle.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">1.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>er dunkle Wald umrauſcht den Wieſengrund,</l><lb/> <l>Gar duͤſter liegt der graue Berg dahinter,</l><lb/> <l>Das duͤrre Laub, der Windhauch gibt es kund,</l><lb/> <l>Geſchritten kommt allmaͤhlig ſchon der Winter.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Die Sonne ging, umhuͤllt von Wolken dicht,</l><lb/> <l>Unfreundlich, ohne Scheideblick von hinnen,</l><lb/> <l>Und die Natur verſtummt, im Daͤmmerlicht</l><lb/> <l>Schwermuͤthig ihrem Tode nachzuſinnen.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Dort, wo die Eiche rauſcht am Bergesfuß,</l><lb/> <l>Wo bang voruͤberklagt des Baches Welle,</l><lb/> <l>Dort winket, wie aus alter Zeit ein Gruß,</l><lb/> <l>Die laͤngſt verlaſſne, ſtille Waldkapelle.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Wo ſind ſie, deren Lied aus deinem Schooß,</l><lb/> <l>O Kirchlein, einſt zu Gott emporgeflogen,</l><lb/> <l>Vergeſſend all' ihr truͤbes Erdenloos? —</l><lb/> <l>Wo ſind ſie? — ihrem Liede nachgezogen!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0193]
Die Waldkapelle.
1.
Der dunkle Wald umrauſcht den Wieſengrund,
Gar duͤſter liegt der graue Berg dahinter,
Das duͤrre Laub, der Windhauch gibt es kund,
Geſchritten kommt allmaͤhlig ſchon der Winter.
Die Sonne ging, umhuͤllt von Wolken dicht,
Unfreundlich, ohne Scheideblick von hinnen,
Und die Natur verſtummt, im Daͤmmerlicht
Schwermuͤthig ihrem Tode nachzuſinnen.
Dort, wo die Eiche rauſcht am Bergesfuß,
Wo bang voruͤberklagt des Baches Welle,
Dort winket, wie aus alter Zeit ein Gruß,
Die laͤngſt verlaſſne, ſtille Waldkapelle.
Wo ſind ſie, deren Lied aus deinem Schooß,
O Kirchlein, einſt zu Gott emporgeflogen,
Vergeſſend all' ihr truͤbes Erdenloos? —
Wo ſind ſie? — ihrem Liede nachgezogen!
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