Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Der Invalide. Es bellen -- sagtest du -- zum Mondenschein Die Hunde; -- ja -- den Hunden hätt' ich sollen, Als einst der laute Ruf zur Schlacht erschollen, Zum Futter werfen lieber vor mein Bein, Als daß ich's im berauschten Sturmesflug Zum blutgetränkten Opferherde trug. Zum Opferherde trug ich's? -- Herd der Küche War jenes Leipzigfeld voll Flamm' und Rauch! Zerrissne Glieder, Leichen, Donnerflüche, Gebrochne Waisen-, Mutterherzen auch, Das Schlachtgeflügel auch, -- vom bösen Wetter Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: -- Das Alles ward vom Chor der Freiheitsretter In ein Gericht zusammen dort gehauen, Woran das Glück nun der Aristokraten Sich schwelgend mästet, da zu ihrer Schmach Im Lande zieh'n verstümmelte Soldaten, Und betteln müssen um ein mildes Dach. Man hat ein Glied vom Leibe mir gerissen, Den schlechten Rest dem Hunger vorgeschmissen. Das sind die Menschen ohne Dank nicht werth, Daß ich für sie gezogen einst mein Schwert, Daß ich ein Bettelkrüppel auf der Heide, Der Invalide. Es bellen — ſagteſt du — zum Mondenſchein Die Hunde; — ja — den Hunden haͤtt' ich ſollen, Als einſt der laute Ruf zur Schlacht erſchollen, Zum Futter werfen lieber vor mein Bein, Als daß ich's im berauſchten Sturmesflug Zum blutgetraͤnkten Opferherde trug. Zum Opferherde trug ich's? — Herd der Kuͤche War jenes Leipzigfeld voll Flamm' und Rauch! Zerriſſne Glieder, Leichen, Donnerfluͤche, Gebrochne Waiſen-, Mutterherzen auch, Das Schlachtgefluͤgel auch, — vom boͤſen Wetter Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: — Das Alles ward vom Chor der Freiheitsretter In ein Gericht zuſammen dort gehauen, Woran das Gluͤck nun der Ariſtokraten Sich ſchwelgend maͤſtet, da zu ihrer Schmach Im Lande zieh'n verſtuͤmmelte Soldaten, Und betteln muͤſſen um ein mildes Dach. Man hat ein Glied vom Leibe mir geriſſen, Den ſchlechten Reſt dem Hunger vorgeſchmiſſen. Das ſind die Menſchen ohne Dank nicht werth, Daß ich fuͤr ſie gezogen einſt mein Schwert, Daß ich ein Bettelkruͤppel auf der Heide, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0208" n="194"/> <p><hi rendition="#g">Der Invalide</hi>.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Es bellen — ſagteſt du — zum Mondenſchein</l><lb/> <l>Die Hunde; — ja — den Hunden haͤtt' ich ſollen,</l><lb/> <l>Als einſt der laute Ruf zur Schlacht erſchollen,</l><lb/> <l>Zum Futter werfen lieber vor mein Bein,</l><lb/> <l>Als daß ich's im berauſchten Sturmesflug</l><lb/> <l>Zum blutgetraͤnkten Opferherde trug.</l><lb/> <l>Zum Opferherde trug ich's? — Herd der Kuͤche</l><lb/> <l>War jenes Leipzigfeld voll Flamm' und Rauch!</l><lb/> <l>Zerriſſne Glieder, Leichen, Donnerfluͤche,</l><lb/> <l>Gebrochne Waiſen-, Mutterherzen auch,</l><lb/> <l>Das Schlachtgefluͤgel auch, — vom boͤſen Wetter</l><lb/> <l>Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: —</l><lb/> <l>Das Alles ward vom Chor der Freiheitsretter</l><lb/> <l>In ein Gericht zuſammen dort gehauen,</l><lb/> <l>Woran das Gluͤck nun der Ariſtokraten</l><lb/> <l>Sich ſchwelgend maͤſtet, da zu ihrer Schmach</l><lb/> <l>Im Lande zieh'n verſtuͤmmelte Soldaten,</l><lb/> <l>Und betteln muͤſſen um ein mildes Dach.</l><lb/> <l>Man hat ein Glied vom Leibe mir geriſſen,</l><lb/> <l>Den ſchlechten Reſt dem Hunger vorgeſchmiſſen.</l><lb/> <l>Das ſind die Menſchen ohne Dank nicht werth,</l><lb/> <l>Daß ich fuͤr ſie gezogen einſt mein Schwert,</l><lb/> <l>Daß ich ein Bettelkruͤppel auf der Heide,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0208]
Der Invalide.
Es bellen — ſagteſt du — zum Mondenſchein
Die Hunde; — ja — den Hunden haͤtt' ich ſollen,
Als einſt der laute Ruf zur Schlacht erſchollen,
Zum Futter werfen lieber vor mein Bein,
Als daß ich's im berauſchten Sturmesflug
Zum blutgetraͤnkten Opferherde trug.
Zum Opferherde trug ich's? — Herd der Kuͤche
War jenes Leipzigfeld voll Flamm' und Rauch!
Zerriſſne Glieder, Leichen, Donnerfluͤche,
Gebrochne Waiſen-, Mutterherzen auch,
Das Schlachtgefluͤgel auch, — vom boͤſen Wetter
Napoleon gejagt aus Frankreichs Auen: —
Das Alles ward vom Chor der Freiheitsretter
In ein Gericht zuſammen dort gehauen,
Woran das Gluͤck nun der Ariſtokraten
Sich ſchwelgend maͤſtet, da zu ihrer Schmach
Im Lande zieh'n verſtuͤmmelte Soldaten,
Und betteln muͤſſen um ein mildes Dach.
Man hat ein Glied vom Leibe mir geriſſen,
Den ſchlechten Reſt dem Hunger vorgeſchmiſſen.
Das ſind die Menſchen ohne Dank nicht werth,
Daß ich fuͤr ſie gezogen einſt mein Schwert,
Daß ich ein Bettelkruͤppel auf der Heide,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/208 |
Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/208>, abgerufen am 16.02.2025. |