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Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

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Trüber Gang.

Am Strand des Lebens irr' ich, starre düster
Ins Todesmeer, umhüllt von Nebelflor;
Und immer wird der Strand des Lebens wüster,
Und höher schlägt die Fluth an ihm empor. --
O strömt, ihr Thränen, strömt! -- im Weiterirren
Seh' ich die längstverlornen Minnestunden,
Ein neckend Schattenvolk, vorüberschwirren,
Und neuer Schmerz durchglüht die alten Wunden.
Die Asche meiner Hoffnungen, die Kränze
Geliebter Todten flattern mir vorüber,
Gerissen in des Sturmes wilde Tänze,
Und immer wird's in meiner Seele trüber. --
Das Christuskreuz, vor dem in schönen Tagen
Ein Kind ich, selig weinend, oft gekniet,
Es hängt hinab vom Strande nun, zerschlagen,
Darüber hin die Todeswelle zieht. --
Seltsame Stimmen mein' ich nun zu hören:
Ein wirres Plaudern bald kommt's meinem Lauschen
Meerüber her, bald tönt's in leisen Chören,
Dann wieder schweigt's, und nur die Wellen rauschen. --
Trüber Gang.

Am Strand des Lebens irr' ich, ſtarre duͤſter
Ins Todesmeer, umhuͤllt von Nebelflor;
Und immer wird der Strand des Lebens wuͤſter,
Und hoͤher ſchlaͤgt die Fluth an ihm empor. —
O ſtroͤmt, ihr Thraͤnen, ſtroͤmt! — im Weiterirren
Seh' ich die laͤngſtverlornen Minneſtunden,
Ein neckend Schattenvolk, voruͤberſchwirren,
Und neuer Schmerz durchgluͤht die alten Wunden.
Die Aſche meiner Hoffnungen, die Kraͤnze
Geliebter Todten flattern mir voruͤber,
Geriſſen in des Sturmes wilde Taͤnze,
Und immer wird's in meiner Seele truͤber. —
Das Chriſtuskreuz, vor dem in ſchoͤnen Tagen
Ein Kind ich, ſelig weinend, oft gekniet,
Es haͤngt hinab vom Strande nun, zerſchlagen,
Daruͤber hin die Todeswelle zieht. —
Seltſame Stimmen mein' ich nun zu hoͤren:
Ein wirres Plaudern bald kommt's meinem Lauſchen
Meeruͤber her, bald toͤnt's in leiſen Choͤren,
Dann wieder ſchweigt's, und nur die Wellen rauſchen. —
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[78/0092] Trüber Gang. Am Strand des Lebens irr' ich, ſtarre duͤſter Ins Todesmeer, umhuͤllt von Nebelflor; Und immer wird der Strand des Lebens wuͤſter, Und hoͤher ſchlaͤgt die Fluth an ihm empor. — O ſtroͤmt, ihr Thraͤnen, ſtroͤmt! — im Weiterirren Seh' ich die laͤngſtverlornen Minneſtunden, Ein neckend Schattenvolk, voruͤberſchwirren, Und neuer Schmerz durchgluͤht die alten Wunden. Die Aſche meiner Hoffnungen, die Kraͤnze Geliebter Todten flattern mir voruͤber, Geriſſen in des Sturmes wilde Taͤnze, Und immer wird's in meiner Seele truͤber. — Das Chriſtuskreuz, vor dem in ſchoͤnen Tagen Ein Kind ich, ſelig weinend, oft gekniet, Es haͤngt hinab vom Strande nun, zerſchlagen, Daruͤber hin die Todeswelle zieht. — Seltſame Stimmen mein' ich nun zu hoͤren: Ein wirres Plaudern bald kommt's meinem Lauſchen Meeruͤber her, bald toͤnt's in leiſen Choͤren, Dann wieder ſchweigt's, und nur die Wellen rauſchen. —

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Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/92>, abgerufen am 04.12.2024.