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Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.

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verschwor? Könnt ihr in eins weg träumen,
grübeln, und auf einen Fleck hinstarren?
Und wenn ihrs könntet, wer allein kann euch
den Vorzug der Wissenschaften schmackhaft
machen, ohne die Beyhülfe weiblicher Schön-
heit? Ha! nur die Augen des Frauenzim-
mers, ewig werd ich dabey bleiben, sind
das Buch, die Akademie, der Altar, wo
das ächte prometheische Feuer aufbewah-
ret wird. Unablässiges Grübeln trocknet
auf, und vergiftet die behenden feinsten Le-
bensgeister unseres Gehirns, wie die zu lang
anhaltende Arbeit die nervigte Stärke des
Arbeitsmannes erschöpft. Habt ihr den Ge-
brauch eurer Augen verschworen, daß ihr
keinem Frauenzimmer ins Gesicht sehen wollt.
Blind werdet ihr werden, stumpf, abge-
schmackt, wo ist ein Buch in der Welt, das
euch die Schönheit lehren kann, wie das
Aug einer schönen Frau! Gelehrsamkeit ist
ein Zusatz zu unserm Selbst, aber die Schön-
heit ist ein neues Selbst, in dem wir zum
zweytenmal anfangen zu leben. Ganz ge-
wiß, ihr habt eure Bücher verschworen, als
ihr die Augen des Frauenzimmers verschwurt.
Wo sonst wolltet ihr mit euren bleyernen
Spekulationen zu den hinreißenden Harmo-
nieen auffliegen, die die Region der Schön-
heit einnehmen. Andere Künste nehmen
blos das Hirn ein und lohnen ihre kalten
Schüler


verſchwor? Koͤnnt ihr in eins weg traͤumen,
gruͤbeln, und auf einen Fleck hinſtarren?
Und wenn ihrs koͤnntet, wer allein kann euch
den Vorzug der Wiſſenſchaften ſchmackhaft
machen, ohne die Beyhuͤlfe weiblicher Schoͤn-
heit? Ha! nur die Augen des Frauenzim-
mers, ewig werd ich dabey bleiben, ſind
das Buch, die Akademie, der Altar, wo
das aͤchte prometheiſche Feuer aufbewah-
ret wird. Unablaͤſſiges Gruͤbeln trocknet
auf, und vergiftet die behenden feinſten Le-
bensgeiſter unſeres Gehirns, wie die zu lang
anhaltende Arbeit die nervigte Staͤrke des
Arbeitsmannes erſchoͤpft. Habt ihr den Ge-
brauch eurer Augen verſchworen, daß ihr
keinem Frauenzimmer ins Geſicht ſehen wollt.
Blind werdet ihr werden, ſtumpf, abge-
ſchmackt, wo iſt ein Buch in der Welt, das
euch die Schoͤnheit lehren kann, wie das
Aug einer ſchoͤnen Frau! Gelehrſamkeit iſt
ein Zuſatz zu unſerm Selbſt, aber die Schoͤn-
heit iſt ein neues Selbſt, in dem wir zum
zweytenmal anfangen zu leben. Ganz ge-
wiß, ihr habt eure Buͤcher verſchworen, als
ihr die Augen des Frauenzimmers verſchwurt.
Wo ſonſt wolltet ihr mit euren bleyernen
Spekulationen zu den hinreißenden Harmo-
nieen auffliegen, die die Region der Schoͤn-
heit einnehmen. Andere Kuͤnſte nehmen
blos das Hirn ein und lohnen ihre kalten
Schuͤler
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[118/0124] verſchwor? Koͤnnt ihr in eins weg traͤumen, gruͤbeln, und auf einen Fleck hinſtarren? Und wenn ihrs koͤnntet, wer allein kann euch den Vorzug der Wiſſenſchaften ſchmackhaft machen, ohne die Beyhuͤlfe weiblicher Schoͤn- heit? Ha! nur die Augen des Frauenzim- mers, ewig werd ich dabey bleiben, ſind das Buch, die Akademie, der Altar, wo das aͤchte prometheiſche Feuer aufbewah- ret wird. Unablaͤſſiges Gruͤbeln trocknet auf, und vergiftet die behenden feinſten Le- bensgeiſter unſeres Gehirns, wie die zu lang anhaltende Arbeit die nervigte Staͤrke des Arbeitsmannes erſchoͤpft. Habt ihr den Ge- brauch eurer Augen verſchworen, daß ihr keinem Frauenzimmer ins Geſicht ſehen wollt. Blind werdet ihr werden, ſtumpf, abge- ſchmackt, wo iſt ein Buch in der Welt, das euch die Schoͤnheit lehren kann, wie das Aug einer ſchoͤnen Frau! Gelehrſamkeit iſt ein Zuſatz zu unſerm Selbſt, aber die Schoͤn- heit iſt ein neues Selbſt, in dem wir zum zweytenmal anfangen zu leben. Ganz ge- wiß, ihr habt eure Buͤcher verſchworen, als ihr die Augen des Frauenzimmers verſchwurt. Wo ſonſt wolltet ihr mit euren bleyernen Spekulationen zu den hinreißenden Harmo- nieen auffliegen, die die Region der Schoͤn- heit einnehmen. Andere Kuͤnſte nehmen blos das Hirn ein und lohnen ihre kalten Schuͤler

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Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/124>, abgerufen am 21.11.2024.