Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776.demüthigen menschenfreundlichen Geist be- seelt hätten, wie wären Sie von allen Jh- res gleichen angebetet, von allen Vorneh- men nachgeahmt und bewundert worden. Aber Sie wollten von Jhres gleichen be- neidet werden. Armes Kind, wo dach- ten Sie hin, und gegen welch ein elendes Glück wollten Sie alle diese Vorzüge ein- tauschen? Die Frau eines Mannes zu werden, der um Jhrentwillen von seiner ganzen Familie gehaßt und verachtet wür- de. Und einem so unglücklichen Hazard- spiel zu Gefallen Jhr ganzes Glück, Jhre ganze Ehre, Jhr Leben selber auf die Karte zu setzen. Wo dachten Sie hin- aus? wo dachten Jhre Aeltern hinaus? Armes betrogenes durch die Eitelkeit ge- mißhandeltes Kind! (drückt sie an ihre Brust) Jch wollte mein Blut hergeben, daß das nicht geschehen wäre. Marie (weint auf ihre Hand.) Er liebte mich aber. Gräfin. Die Liebe eines Officiers, Marie -- eines Menschen, der an jede Art von Ausschweifung, von Veränderung gewöhnt F 3
demuͤthigen menſchenfreundlichen Geiſt be- ſeelt haͤtten, wie waͤren Sie von allen Jh- res gleichen angebetet, von allen Vorneh- men nachgeahmt und bewundert worden. Aber Sie wollten von Jhres gleichen be- neidet werden. Armes Kind, wo dach- ten Sie hin, und gegen welch ein elendes Gluͤck wollten Sie alle dieſe Vorzuͤge ein- tauſchen? Die Frau eines Mannes zu werden, der um Jhrentwillen von ſeiner ganzen Familie gehaßt und verachtet wuͤr- de. Und einem ſo ungluͤcklichen Hazard- ſpiel zu Gefallen Jhr ganzes Gluͤck, Jhre ganze Ehre, Jhr Leben ſelber auf die Karte zu ſetzen. Wo dachten Sie hin- aus? wo dachten Jhre Aeltern hinaus? Armes betrogenes durch die Eitelkeit ge- mißhandeltes Kind! (druͤckt ſie an ihre Bruſt) Jch wollte mein Blut hergeben, daß das nicht geſchehen waͤre. Marie (weint auf ihre Hand.) Er liebte mich aber. Graͤfin. Die Liebe eines Officiers, Marie — eines Menſchen, der an jede Art von Ausſchweifung, von Veraͤnderung gewoͤhnt F 3
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demuͤthigen menſchenfreundlichen Geiſt be-
ſeelt haͤtten, wie waͤren Sie von allen Jh-
res gleichen angebetet, von allen Vorneh-
men nachgeahmt und bewundert worden.
Aber Sie wollten von Jhres gleichen be-
neidet werden. Armes Kind, wo dach-
ten Sie hin, und gegen welch ein elendes
Gluͤck wollten Sie alle dieſe Vorzuͤge ein-
tauſchen? Die Frau eines Mannes zu
werden, der um Jhrentwillen von ſeiner
ganzen Familie gehaßt und verachtet wuͤr-
de. Und einem ſo ungluͤcklichen Hazard-
ſpiel zu Gefallen Jhr ganzes Gluͤck, Jhre
ganze Ehre, Jhr Leben ſelber auf die
Karte zu ſetzen. Wo dachten Sie hin-
aus? wo dachten Jhre Aeltern hinaus?
Armes betrogenes durch die Eitelkeit ge-
mißhandeltes Kind! (druͤckt ſie an ihre Bruſt)
Jch wollte mein Blut hergeben, daß das
nicht geſchehen waͤre.
Marie (weint auf ihre Hand.) Er liebte
mich aber.
Graͤfin. Die Liebe eines Officiers,
Marie — eines Menſchen, der an jede
Art von Ausſchweifung, von Veraͤnderung
gewoͤhnt
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