Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Die pronominale Declination der Adjectiva.
jectivstamm, so bleibt uns nur noch zu betrachten, wie es sich mit der für das
Lettische behaupteten verhält.

b) im Lettischen.

Das Lettische hat eine doppelte Art der Bildung eines bestimmten Adjectivs,
eine längere und eine kürzere; ich stelle sie zunächst neben einander, um dann
einige Bemerkungen daran zu knüpfen; die in Klammer stehenden Formen sind
von denen des Nomens nicht verschieden.

[Tabelle]

Bielenstein nimmt nun an, die kürzeren Formen seien aus den längeren
nach Wegfall des j durch Contraction entstanden; wir hätten also in laba-jis u. s. w.
herrlich erhaltene Formen, bestehend aus Adjectivstamm und Pronomen. Mi-
klosich sagt daher auch (a. a. O. p. 149): "abweichend vom Litauischen tritt im
Lettischen in allen Casus das Thema des Adjectivsein: labbajis aus labba-jis u. s. w".
Es muss einen schon wunder nehmen, dass das dem Litauischen gegenüber laut-
lich so entartete Lettische alte Formen so merkwürdig treu erhalten haben soll,
sogar innerhalb seiner selbst neben stark verkürzten. Doch ich sehe davon ab.
Bei Bielensteins und Miklosichs Ansicht sind zwei sehr wesentliche Dinge ver-
gessen: 1. können die kürzeren Formen nach den lettischen Lautgesetzen gar
nicht aus den längeren erklärt werden. Da ich hier nicht ausführlich auf diese
Lautgesetze eingehen kann, sei hier nur ein besonders in Betracht kommendes
erwähnt: secundär (durch Consonantenausfall) zusammengetretenes a + i = ai,
a + u = au
werden im Lettischen nie zu i (lit. e), u, daher kann acc. sg. labu
nicht = labaju, nom. plur. labi nicht = labaji sein; 2. laba- kann deswegen
nicht Stamm des Adjectivs sein, weil sein a stets lang ist (' bezeichnet die Länge,
nicht die Accentsilbe); wer es dennoch dafür hält, muss eine Erklärung der
Länge geben.

Die Sache verhält sich in Wirklichkeit folgendermassen: die kürzeren
Formengehen auf die Zusammenrückung der beiden vollen Casus
zurück
, also kurz gesagt, auf die litauische Form, und sind nur eine Verkürzung

Die pronominale Declination der Adjectiva.
jectivstamm, so bleibt uns nur noch zu betrachten, wie es sich mit der für das
Lettische behaupteten verhält.

b) im Lettischen.

Das Lettische hat eine doppelte Art der Bildung eines bestimmten Adjectivs,
eine längere und eine kürzere; ich stelle sie zunächst neben einander, um dann
einige Bemerkungen daran zu knüpfen; die in Klammer stehenden Formen sind
von denen des Nomens nicht verschieden.

[Tabelle]

Bielenstein nimmt nun an, die kürzeren Formen seien aus den längeren
nach Wegfall des j durch Contraction entstanden; wir hätten also in labá-jis u. s. w.
herrlich erhaltene Formen, bestehend aus Adjectivstamm und Pronomen. Mi-
klosich sagt daher auch (a. a. O. p. 149): «abweichend vom Litauischen tritt im
Lettischen in allen Casus das Thema des Adjectivsein: labbájis aus labba-jis u. s. w».
Es muss einen schon wunder nehmen, dass das dem Litauischen gegenüber laut-
lich so entartete Lettische alte Formen so merkwürdig treu erhalten haben soll,
sogar innerhalb seiner selbst neben stark verkürzten. Doch ich sehe davon ab.
Bei Bielensteins und Miklosichs Ansicht sind zwei sehr wesentliche Dinge ver-
gessen: 1. können die kürzeren Formen nach den lettischen Lautgesetzen gar
nicht aus den längeren erklärt werden. Da ich hier nicht ausführlich auf diese
Lautgesetze eingehen kann, sei hier nur ein besonders in Betracht kommendes
erwähnt: secundär (durch Consonantenausfall) zusammengetretenes a + i = ai,
a + u = au
werden im Lettischen nie zu (lit. ë), ů, daher kann acc. sg. labů
nicht = labáju, nom. plur. labi̊ nicht = labáji sein; 2. labá- kann deswegen
nicht Stamm des Adjectivs sein, weil sein a stets lang ist (' bezeichnet die Länge,
nicht die Accentsilbe); wer es dennoch dafür hält, muss eine Erklärung der
Länge geben.

Die Sache verhält sich in Wirklichkeit folgendermassen: die kürzeren
Formengehen auf die Zusammenrückung der beiden vollen Casus
zurück
, also kurz gesagt, auf die litauische Form, und sind nur eine Verkürzung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0171" n="135"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">Die pronominale Declination der Adjectiva</hi>.</fw><lb/>
jectivstamm, so bleibt uns nur noch zu betrachten, wie es sich mit der für das<lb/>
Lettische behaupteten verhält.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>b) <hi rendition="#g">im Lettischen</hi>.</head><lb/>
                <p>Das Lettische hat eine doppelte Art der Bildung eines bestimmten Adjectivs,<lb/>
eine längere und eine kürzere; ich stelle sie zunächst neben einander, um dann<lb/>
einige Bemerkungen daran zu knüpfen; die in Klammer stehenden Formen sind<lb/>
von denen des Nomens nicht verschieden.</p><lb/>
                <table>
                  <row>
                    <cell/>
                  </row>
                </table>
                <p>Bielenstein nimmt nun an, die kürzeren Formen seien aus den längeren<lb/>
nach Wegfall des <hi rendition="#i">j</hi> durch Contraction entstanden; wir hätten also in <hi rendition="#i">labá-jis</hi> u. s. w.<lb/>
herrlich erhaltene Formen, bestehend aus Adjectivstamm und Pronomen. Mi-<lb/>
klosich sagt daher auch (a. a. O. p. 149): «abweichend vom Litauischen tritt im<lb/>
Lettischen in allen Casus das Thema des Adjectivsein: <hi rendition="#i">labbájis</hi> aus <hi rendition="#i">labba-jis</hi> u. s. w».<lb/>
Es muss einen schon wunder nehmen, dass das dem Litauischen gegenüber laut-<lb/>
lich so entartete Lettische alte Formen so merkwürdig treu erhalten haben soll,<lb/>
sogar innerhalb seiner selbst neben stark verkürzten. Doch ich sehe davon ab.<lb/>
Bei Bielensteins und Miklosichs Ansicht sind zwei sehr wesentliche Dinge ver-<lb/>
gessen: 1. können die kürzeren Formen nach den lettischen Lautgesetzen gar<lb/>
nicht aus den längeren erklärt werden. Da ich hier nicht ausführlich auf diese<lb/>
Lautgesetze eingehen kann, sei hier nur ein besonders in Betracht kommendes<lb/>
erwähnt: secundär (durch Consonantenausfall) zusammengetretenes <hi rendition="#i">a + i = ai,<lb/>
a + u = au</hi> werden im Lettischen nie zu <hi rendition="#i">i&#x030A;</hi> (lit. <hi rendition="#i">ë</hi>), <hi rendition="#i">&#x016F;</hi>, daher kann acc. sg. <hi rendition="#i">lab&#x016F;</hi><lb/>
nicht = <hi rendition="#i">labáju</hi>, nom. plur. <hi rendition="#i">labi&#x030A;</hi> nicht = <hi rendition="#i">labáji</hi> sein; 2. <hi rendition="#i">labá</hi>- kann deswegen<lb/>
nicht Stamm des Adjectivs sein, weil sein <hi rendition="#i">a</hi> stets lang ist (' bezeichnet die Länge,<lb/>
nicht die Accentsilbe); wer es dennoch dafür hält, muss eine Erklärung der<lb/>
Länge geben.</p><lb/>
                <p>Die Sache verhält sich in Wirklichkeit folgendermassen: <hi rendition="#g">die kürzeren<lb/>
Formengehen auf die Zusammenrückung der beiden vollen Casus<lb/>
zurück</hi>, also kurz gesagt, auf die litauische Form, und sind nur eine Verkürzung<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0171] Die pronominale Declination der Adjectiva. jectivstamm, so bleibt uns nur noch zu betrachten, wie es sich mit der für das Lettische behaupteten verhält. b) im Lettischen. Das Lettische hat eine doppelte Art der Bildung eines bestimmten Adjectivs, eine längere und eine kürzere; ich stelle sie zunächst neben einander, um dann einige Bemerkungen daran zu knüpfen; die in Klammer stehenden Formen sind von denen des Nomens nicht verschieden. Bielenstein nimmt nun an, die kürzeren Formen seien aus den längeren nach Wegfall des j durch Contraction entstanden; wir hätten also in labá-jis u. s. w. herrlich erhaltene Formen, bestehend aus Adjectivstamm und Pronomen. Mi- klosich sagt daher auch (a. a. O. p. 149): «abweichend vom Litauischen tritt im Lettischen in allen Casus das Thema des Adjectivsein: labbájis aus labba-jis u. s. w». Es muss einen schon wunder nehmen, dass das dem Litauischen gegenüber laut- lich so entartete Lettische alte Formen so merkwürdig treu erhalten haben soll, sogar innerhalb seiner selbst neben stark verkürzten. Doch ich sehe davon ab. Bei Bielensteins und Miklosichs Ansicht sind zwei sehr wesentliche Dinge ver- gessen: 1. können die kürzeren Formen nach den lettischen Lautgesetzen gar nicht aus den längeren erklärt werden. Da ich hier nicht ausführlich auf diese Lautgesetze eingehen kann, sei hier nur ein besonders in Betracht kommendes erwähnt: secundär (durch Consonantenausfall) zusammengetretenes a + i = ai, a + u = au werden im Lettischen nie zu i̊ (lit. ë), ů, daher kann acc. sg. labů nicht = labáju, nom. plur. labi̊ nicht = labáji sein; 2. labá- kann deswegen nicht Stamm des Adjectivs sein, weil sein a stets lang ist (' bezeichnet die Länge, nicht die Accentsilbe); wer es dennoch dafür hält, muss eine Erklärung der Länge geben. Die Sache verhält sich in Wirklichkeit folgendermassen: die kürzeren Formengehen auf die Zusammenrückung der beiden vollen Casus zurück, also kurz gesagt, auf die litauische Form, und sind nur eine Verkürzung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/171
Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/171>, abgerufen am 21.11.2024.