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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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b. Declination der Pronomina.
[Tabelle]
ferner für die nom. plur I. mes, II. jus oder jus, nom. dual. I. van (?); für die
übrigen Casus nur mit Wahrscheinlichkeit als Stämme I na-, nas-, II va-, vas-.
Dieser Stand der Dinge ist bei der Vergleichung mit dem Germanischen ins
Auge zu fassen.

2. Das Personalpronomen im Germanischen.

In neuerer Zeit sind zwei beachtenswerthe Versuche gemacht worden, die
vielfachen Räthsel, die gerade in den germanischen Sprachen die Formen des
Personalpronomens bieten, zu lösen: von Bugge (die Formen der geschlechtslosen
persönlichen Pronomina in den Germanischen Sprachen, KZ. IV, 241) und von
Scherer (ZGDS. 249 und sonst). Es kann für unsern Zweck zunächst nur
darauf ankommen, den Versuch zu machen, ob sich herausfinden lässt, was in
den Formen alt und ursprünglich ist, also nicht der besonderen germanischen
Entwicklung angehört, und wie weit Uebereinstimmung mit den slavisch-litaui-
schen Bildungen vorhanden ist.

Sehen wir von dem durch eine Form des Possessivpronomens ersetzten Ge-
nitiv ab, so scheint die Erklärung der Dativ- und Accusativform des Singulars zu
einem Abschluss gekommen zu sein: mik, thuk, sik werden allgemein aus der
fest gewordenen Verbindung des pronominalen Elements mit der Partikel -k =
griech. ge erklärt. Dabei ist nur zu beachten, dass das u der II. pers. im Goti-
schen, welches dem i, e aller andern Dialekte gegenübersteht, durch Anschluss
an den nom. thu entstanden ist (dasselbe gilt von thus für * this). Somit blieben,
da -k ja nicht Casussuffix sein kann, als eigentliche Casusformen übrig: mi, thi,
si
, die als Accusative gefasst auf die Grundformen * men, * ten, * sen, auf ältester
Lautstufe * mam, * t(v)am, * s(v)am führen und sich mit den griechischen Formen
in der Kürze des Vocals decken, dagegen unterschieden sind von den litauisch-
slavischen mit langem Vocal. Zur Ansetzung eines auch im Germanischen ur-
sprünglich langen Vocals kann man dann kommen, wenn man annehmen will,
dass in den oft enclitisch stehenden Formen eine sonst in einsilbigen Worten
nicht gebräuchliche Kürzung, also eine stricte Durchführung des Auslautsgesetzes
stattgefunden habe.

Hier konnten wir jedenfalls noch mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine
alte Casusform schliessen. Viel misslicher steht die Sache in der Dativform.
Kuhn (KZ. 15, 430) erklärt mis u. s. w. aus * ma-sja u. s. w., also als ur-
sprünglichen Genitiv, und Scherer stimmt dem bei. Bugge denkt an einen Dativ
* masmai, Schleicher (Comp.3 630) schlägt den loc. * masmin vor. Diese Er-
klärungen setzen nur ein Räthsel für ein anderes ein. Schleicher macht a. a. O.

b. Declination der Pronomina.
[Tabelle]
ferner für die nom. plur I. mĕs, II. jŭs oder jūs, nom. dual. I. vă̄ (?); für die
übrigen Casus nur mit Wahrscheinlichkeit als Stämme I nā-, nās-, II vā-, vās-.
Dieser Stand der Dinge ist bei der Vergleichung mit dem Germanischen ins
Auge zu fassen.

2. Das Personalpronomen im Germanischen.

In neuerer Zeit sind zwei beachtenswerthe Versuche gemacht worden, die
vielfachen Räthsel, die gerade in den germanischen Sprachen die Formen des
Personalpronomens bieten, zu lösen: von Bugge (die Formen der geschlechtslosen
persönlichen Pronomina in den Germanischen Sprachen, KZ. IV, 241) und von
Scherer (ZGDS. 249 und sonst). Es kann für unsern Zweck zunächst nur
darauf ankommen, den Versuch zu machen, ob sich herausfinden lässt, was in
den Formen alt und ursprünglich ist, also nicht der besonderen germanischen
Entwicklung angehört, und wie weit Uebereinstimmung mit den slavisch-litaui-
schen Bildungen vorhanden ist.

Sehen wir von dem durch eine Form des Possessivpronomens ersetzten Ge-
nitiv ab, so scheint die Erklärung der Dativ- und Accusativform des Singulars zu
einem Abschluss gekommen zu sein: mik, þuk, sik werden allgemein aus der
fest gewordenen Verbindung des pronominalen Elements mit der Partikel -k =
griech. γε erklärt. Dabei ist nur zu beachten, dass das u der II. pers. im Goti-
schen, welches dem i, e aller andern Dialekte gegenübersteht, durch Anschluss
an den nom. þu entstanden ist (dasselbe gilt von þus für * þis). Somit blieben,
da -k ja nicht Casussuffix sein kann, als eigentliche Casusformen übrig: mi, þi,
si
, die als Accusative gefasst auf die Grundformen * men, * ten, * sen, auf ältester
Lautstufe * mam, * t(v)am, * s(v)am führen und sich mit den griechischen Formen
in der Kürze des Vocals decken, dagegen unterschieden sind von den litauisch-
slavischen mit langem Vocal. Zur Ansetzung eines auch im Germanischen ur-
sprünglich langen Vocals kann man dann kommen, wenn man annehmen will,
dass in den oft enclitisch stehenden Formen eine sonst in einsilbigen Worten
nicht gebräuchliche Kürzung, also eine stricte Durchführung des Auslautsgesetzes
stattgefunden habe.

Hier konnten wir jedenfalls noch mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine
alte Casusform schliessen. Viel misslicher steht die Sache in der Dativform.
Kuhn (KZ. 15, 430) erklärt mis u. s. w. aus * ma-sja u. s. w., also als ur-
sprünglichen Genitiv, und Scherer stimmt dem bei. Bugge denkt an einen Dativ
* masmāi, Schleicher (Comp.3 630) schlägt den loc. * masmin vor. Diese Er-
klärungen setzen nur ein Räthsel für ein anderes ein. Schleicher macht a. a. O.

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[152/0188] b. Declination der Pronomina. ferner für die nom. plur I. mĕs, II. jŭs oder jūs, nom. dual. I. vă̄ (?); für die übrigen Casus nur mit Wahrscheinlichkeit als Stämme I nā-, nās-, II vā-, vās-. Dieser Stand der Dinge ist bei der Vergleichung mit dem Germanischen ins Auge zu fassen. 2. Das Personalpronomen im Germanischen. In neuerer Zeit sind zwei beachtenswerthe Versuche gemacht worden, die vielfachen Räthsel, die gerade in den germanischen Sprachen die Formen des Personalpronomens bieten, zu lösen: von Bugge (die Formen der geschlechtslosen persönlichen Pronomina in den Germanischen Sprachen, KZ. IV, 241) und von Scherer (ZGDS. 249 und sonst). Es kann für unsern Zweck zunächst nur darauf ankommen, den Versuch zu machen, ob sich herausfinden lässt, was in den Formen alt und ursprünglich ist, also nicht der besonderen germanischen Entwicklung angehört, und wie weit Uebereinstimmung mit den slavisch-litaui- schen Bildungen vorhanden ist. Sehen wir von dem durch eine Form des Possessivpronomens ersetzten Ge- nitiv ab, so scheint die Erklärung der Dativ- und Accusativform des Singulars zu einem Abschluss gekommen zu sein: mik, þuk, sik werden allgemein aus der fest gewordenen Verbindung des pronominalen Elements mit der Partikel -k = griech. γε erklärt. Dabei ist nur zu beachten, dass das u der II. pers. im Goti- schen, welches dem i, e aller andern Dialekte gegenübersteht, durch Anschluss an den nom. þu entstanden ist (dasselbe gilt von þus für * þis). Somit blieben, da -k ja nicht Casussuffix sein kann, als eigentliche Casusformen übrig: mi, þi, si, die als Accusative gefasst auf die Grundformen * men, * ten, * sen, auf ältester Lautstufe * mam, * t(v)am, * s(v)am führen und sich mit den griechischen Formen in der Kürze des Vocals decken, dagegen unterschieden sind von den litauisch- slavischen mit langem Vocal. Zur Ansetzung eines auch im Germanischen ur- sprünglich langen Vocals kann man dann kommen, wenn man annehmen will, dass in den oft enclitisch stehenden Formen eine sonst in einsilbigen Worten nicht gebräuchliche Kürzung, also eine stricte Durchführung des Auslautsgesetzes stattgefunden habe. Hier konnten wir jedenfalls noch mit grosser Wahrscheinlichkeit auf eine alte Casusform schliessen. Viel misslicher steht die Sache in der Dativform. Kuhn (KZ. 15, 430) erklärt mis u. s. w. aus * ma-sja u. s. w., also als ur- sprünglichen Genitiv, und Scherer stimmt dem bei. Bugge denkt an einen Dativ * masmāi, Schleicher (Comp.3 630) schlägt den loc. * masmin vor. Diese Er- klärungen setzen nur ein Räthsel für ein anderes ein. Schleicher macht a. a. O.

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/188>, abgerufen am 21.11.2024.